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Monat: Dezember 2010

Les jeux sont faits

An vielen Stellen sprudeln Wut und Enttäuschung aus dem Hals, als hätte man der Fans Seele verraten. Hat man ja auch: Plastikspiele im Nirgendwo. Wobei das Nirgendwo sogar erst noch gebaut werden muss. Verständlicherweise und mehr als zu Recht sprudelt deshalb die Wut. Eine WM hat in Katar bei der Masse an in Frage kommenden sonstigen Ausrichterkandidaten nichts zu suchen. Auch im Jahr 2306 nicht.

Hier ist man nicht mal mehr wütend, nachdem man eine Nacht drüber geschlafen hat, denn die dunkle Vorahnung ließ sich schon länger nicht mehr gänzlich aus dem vegetativen Nervensystem fernhalten, dass es auf Katar hinauslaufen könnte. Russland und Katar, das waren die beiden Alpträume, insbesondere Letzteres, der liebhabenden Fußballwelt. Jetzt ist der Alptraum Wirklichkeit geworden.

Wie gesagt, keine Wut mehr — oder vielleicht noch keine Wut? Fühlt sich eher wie eine ganz große Enttäuschung an. Und Pädagogen-Geschwätz hin oder her: eine Ent-Täuschung bedeutet eben immer auch, dass man die Täuschung enttarnt hat, womit ihr Wirken vorbei ist. Wütend ist man dann in erster Linie auf sich selbst, dass man so naiv war, der Täuschung zu erliegen.

Hatte man irgendwo noch ein Fünkchen Hoffnung, dass selbst die FIFA nicht die Chuzpe hätte, einen derartigen Alptraum eines Turniers in einem erweiterten Dorf („WMchen in Connecticut gefällig?“ — ja, damals konnte doch keiner glauben, dass das Ganze mehr als ein Marketing-Gag sein sollte!) ohne jeglichen Hauch von Fußballkultur in Auftrag zu geben, dann ist das der Täuschung Erliegen nun vorbei. Die Maske ist endgültig gefallen, und die Fratze, die uns dahinter angrinst, ist wahrlich unheimlich.

Weshalb diese Ur-Katastrophe (für den Fußball) auch ihr Gutes hat: Niemand, auch von den weniger an den Hintergründen im Fußball Interessierten, gibt sich jetzt noch Illusionen hin, dass auch nur ein Jota des fürchterlichen FIFA-Sprechs etwas mit der Realität zu tun haben könnte.

Wir hier wussten das sicher eh schon mehrheitlich, doch wenn man sich die Kommentarfülle in den klassischen (auch ausländischen) Medien zum Thema anschaut, dann wussten es offensichtlich viele nicht. Die es jetzt ebenfalls nicht mehr übersehen können.

Ein guter Tag also für den Fußball. Auch wenn er äußerst bitter schmeckt.

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Ein Tag in Hollenbach

Eine Einladung stand ins Haus, nach Hollenbach, dem Sitz eines Sportbekleidungsunternehmens. Und es gab gute Gründe, diese auch wahrzunehmen. Also machte ich mich eines Morgens auf auf die Autobahn, passierte nur wenige Minuten nach Beginn der Reise den Frankfurter Flughafen, hauchte stumme Grüße an den Blogwatz von Blog-G an die Windschutzscheibe und erreichte schließlich kurz hinter Würzburg jene Autobahnausfahrt, die die richtige für den Weg auf der Landstraße nach Hollenbach war.

Bevor ich schließlich in den Ort hineinfuhr, leistete ich mir ein „Ed von Schleck“ in der Nähe des örtlichen Campingplatzes, der, neben einem See gelegen, von der Autobahn kommend noch vor dem Ort Hollenbach lag. Ganz ehrlich gesagt leistete ich mir dann doch kein „Ed von Schleck“, weil der Kiosk an dem Campingplatz geschlossen hatte, aber ich hätte gerne ein solches gegessen.

Ich tupfte meine Füße in den See, zog dafür sogar extra Schuhe und Socken aus, und wartete nur etwa zwei Stunden vor dem vereinbarten Termin darauf, dass es möglicherweise später dazu kommen würde, dass sich ein eigentlich großer Konflikt schließlich zu dem ergeben würde, was er eigentlich war: eine auflösbare Unbill.

Nach etwa einer Stunde Fußtupfen in den See brach ich auf in den eigentlichen Zielort. Der tatsächlich sehr klein ist. Die Metzgerei ist gleichzeitig das Fremdenhaus. Der Sportplatz ist nicht mehr im Ort, sondern außerhalb. So fuhr ich also raus aus dem Ort, wo ich dann von oben einen Überblick über Hollenbach gewann. Ein Ort, der in einem – kleinen – Tal liegt, während sich auf der anderen Seite oberhalb des Tals zwei, drei Sportplätze breit machen.

Irgendwann war der Zeitpunkt des Termins gekommen, ich parkte das meinige Metall-Ross auf dem Parkplatz jener Firma, die mich zu diesem Termin eingeladen hatte. Ich begab mich an den Empfang, die Dame sagte mir, dass sicher gleich jemand käme, und schon war ich nur kurze Zeit später auf dem Weg, das Werk der Firma von innen zu sehen. Mir wurde vorgestellt, wie diese und jene Funktion funktionieren würde. Weil ich ungefähr gar kein technisches Talent besitze, versagten nach kurzer Zeit allerdings meine Aufnahmefähigkeiten. Irgendwann war die Werksbesichtigung zu Ende, was nicht so schlimm war, weil mir immer noch nach einem „Ed von Schleck“ dürstete und ich auch die technischen Details nur in nicht nennenswerten Dosen verstand.

Nach der Dame der Öffentlichkeit kam der Torwart des lokalen Teams dazu, ebenfalls Angestellter der einladenden Partei; hallo, ja, hallo, und wir begaben uns in den Meetingraum des örtlichen Sportbekleidungsunternehmens, welche alle nach Flüssen der Region benannt sind. Hallo, ja, hallo. Irgendwann kam auch der Chef der Firma dazu. Neben dem Finanzchef der Firma. Letzterer eröffnete mir zu Beginn der Diskussion, dass er damals nicht gewusst habe, was überhaupt „newstin.de“ sei — dennoch habe er unterschrieben, dass die Angelegenheit weiter gehen solle. Er grinste dabei.

Ich grinste nicht. Der Chef des Unternehmens, ehemaliger Zweitligaspieler seines Zeichens, war auch anwesend. Ich erwähnte ein paar Worte, dass ich auch einmal Fußball gespielt habe, es aber nicht allzu weit gebracht hätte. Ich sagte außerdem, dass ich gerne blogge, weil ich gerne blogge.

Es war etwas schwierig, genau diese Tatsache der gegenüberliegenden Fraktion klarzumachen. Dennoch war es so, dass die weitere Konversation auf angenehmem Niveau verlief, angeregt unterhielt man sich über diverse Themen auch abseits des eigentlichen Anlassses. Schließlich fragte mich derjenige, der das Unternehmen aus dem Boden gestampft hatte — der Chef der Firma nämlich — warum ich überhaupt gegen seine Firma, sein Logo und seine Sache geätzt hätte.

Dabei wurde mir leicht mulmig, denn natürlich war es nicht so, dass ich die käuflich erwerbbaren Werke dieses Herrn persönlich ablehnungswürdig gefunden hätte. Wie man weiß, wenn man denn weiß, spielen die meisten Teams in meiner schönen Hobbyliga mit Produkten des Gastgebers. Ich sagte, dass das alles nicht so gemeint gewesen sei. Nicht so gemeint gewesen sei. Es sei ein Versuch gewesen, zu unterhalten, der ein wenig übers Ziel hinausgeschossen sei. Wenngleich ich weiterhin das eigentlich Kritisierte nicht so ausgeprägt schlimm fände.

Nach diesen Aussagen erreichte mich nur wenig Wärme von der anderen Seite, aber: Man war mir nicht (mehr) wirklich böse, glaubte ich. Der Chef des Ganzen verstand weiterhin nicht, wie man sein Logo auf solch eine eher unelegante Weise kritisieren könne; ich verstand weiterhin nicht, warum man mir bis zu 20 oder 25.000 Euro Strafe androhen konnte, aber schlussendlich haben wir uns vertragen.

Es war ein angenehmes Gefühl, als der Chef der Firma auf mich zukam und sagte, dass er von sich aus da nicht weiter nachkarten wollen würde, sondern sich wünschen würde, dass wir die Sache nun begraben, woraufhin er mir seine Hand entgegenstreckte. Die ich gerne annahm und schüttelte.

All das, was vorher passiert war, war in dem Moment ja nicht wichtig: Wir schüttelten uns die Hand und damit war diese Sache nun endgültig erledigt. Wenn auch es für eine Privatperson ein klein wenig anstrengender ist, so etwas durchzuexerzieren, als für ein Unternehmen.

Wie dem auch sei: das Händeschütteln fand statt.

Die Partei auf der anderen Seite zierte sich im Anschluss an meinen Besuch auch nicht, mir alle mir entstandenen Kosten zu begleichen, und erledigte genau dies sofort. Eine nette Reaktion, die schließlich alles Vorherige ad acta führte. Womit sich die Angelegenheit erledigt hatte.

Mein Dank geht an alle Euch da draußen, die Ihr mir in diesem Fall geholfen habt. Und möchte hiermit auch all jenen explizit danken, die mir damals gemailt haben, denen ich nicht antworten konnte. Es waren zu viele, und mir fehlte zu jener Zeit die Zeit. Es hat dennoch seine positive Wirkung nicht verfehlt.

Dank gebührt neben Stefan von blog-g.de insbesondere dogfood, der da mehr geleistet hat, als man hier überhaupt in Worte fassen kann. Vielen Dank, den beiden, und Euch allen.

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Dirk kaut enorm an seinem harten Brot

Hat ja nix mit Fußball zu tun.

Die (falsche) Aussprache von Spielernamen ist trotzdem Vielen immer wieder ein Ärgernis; hier insbesondere ebenso oft — auch wenn man nicht immer von Reporternasen erwarten kann, alle möglichen Sprachen der Welt zu beherrschen. Rolf Töpperwien war, wird kolportiert, stolz, dass er keinen Computer benutzte, auch gegen Ende seiner Karriere nicht, jedenfalls nicht für die Spielvorbereitung, sondern alles aus dem Gedächtnis „wusste“. Klingt einleuchtend, denn das menschliche Gehirn hat mehr Atome als das Universum Verknüpfungen und davon werden sogar nur 10% genutzt. Andrösen ad lib.

Schöner wäre es allerdings, wenn die Menschen, die so stolz sind, keinen Computer zu benutzen, oder aber auch die nachwachsende Generation Gebrauch davon machen würde, dass es Möglichkeiten gibt, einen „Yilmatz“ oder einen „Huntelaar“ zu vermeiden. Scheint ganz einfach zu sein, auch wenn die Quellen manchmal natürlich selbst überfragt sind. Wahrscheinlichkeiten drücken sie aber wohl schon aus.

Ü, bitte sehr.

Oder van Gaal. Bitte sehr.

Oder Ronaldo. Bitte sehr.

Oder Daniel van Buyten. Bitte sehr.

Oder Xabi Alonso. Bitte sehr.

Oder Dirk Kuyt. Bitte sehr.

Die Seite wird wahrscheinlich ständig um Neuzugänge auf der Bühne des Welt- oder Deutschlandfußballs erweitert. Also bitte, liebe Kommentatoren, bzw. deren Mappen-für-das-Spiel-Vorbereiter: nehmt Euch die zwei Minuten. Danke.

(Und wie wir disku-tierten

Oder auch zweifelhaft, manchmal)

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Under Pressure

Oliver (sein zweiter Vorname ist: „Druck“) Kahn äußert sich zur Frage, ob er seiner Tochter die Torwartposition im Fußball erlauben würde. Er würde es ihr verbieten:

Ich habe das 20 Jahre gemacht. Diese Schmerzen! Diese Anstrengungen! Dieser Druck! Es gibt Schöneres als Torwart zu sein.

Abgesehen davon, dass er genau das ja immer sein wollte, Torwart, okay, irgendwann so ab 14-15 gibt’s auch keine Alternativen mehr. Aber: Der Druck? Den hat er sich doch immer selbst gemacht. Wieso sollte man aus väterlich immanenten Gründen seiner eigenen Tochter das Torwartspielen verbieten?

Den Druck, den Druck hätte Oliver Kahn auch als Friedhofsgärtner gehabt, oder als McDonald’s-Filialleiter. Weil der Druck von innen kommt. Immer weiter, jetzt noch ein Grab frisieren, jetzt noch einen besten Big Mac der Welt braten, Druck, Druck, Druck.

Hat man je Manuel Neuer oder René Adler über den „Druck“ als Torhüter klagen hören?

Rhetorische Fragen bedürfen keiner Antwort. Vielmehr hat Oliver Kahn es immer noch nicht gerafft, dass der einzige Druck, der bei seinem Wirken existierte, von Innen kam. Und den, diesen unmenschlichen Druck, den hat kein anderer Torhüter und auch keine andere Torhüterin.

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Günstige Rezepte für Jedermann – Heute: das Populismus-Süppchen

Neue Folge in unserer beliebten Reihe „Was jeder kochen kann, ohne ein Meister zu sein“.

Das Rezept fürs Süppchen ist uralt, schon die noch älteren Ägypter sollen es der Legende zufolge zur Beruhigung größerer Massen eingesetzt haben. Lediglich eine „kleine Gruppe“ habe sich damals als immun gegen die Auswirkungen dieser Speise erwiesen, welche die Herrscher kostenlos an ihre Untertanen verteilten.

Wichtiger als die einzelnen Zutaten sind dabei erstaunlicherweise die Umstände der Zubereitung. Richtig gewieft, die alten Ägypter also zu ihrer Zeit schon.

Man nehme:

  • Vor Beginn der Zubereitung ominöse „Konsequenzen“ androhen
  • Anschließend mit der Zubereitung unbedingt um 9 Uhr beginnen, statt wie sonst um 10 Uhr
  • Einige faule Äpfel, die man ohnehin nicht mehr benötigt hätte, unter großem Getöse in die Zweitvertretung entsorgen
  • Handschuhe, Mützen und Schals verbieten, damit Außenstehende fälschlicherweise von großer zu erleidender Pein ausgehen
  • Namentlich aufzählen, wer alles nicht zur Suppe gehört, und damit allen nicht namentlich Erwähnten Schuld zuschieben — sehr beliebter kostengünstiger Rundumschlag, kostet fast keinen Aufwand, wobei für die beste einseifende Wirkung die Zahl der Aufzuzählenden möglichst gering zu halten ist; ein Abakus könnte da hilfreich sein, zur Not tut es ein handschriftlicher Zettel im Hinterhirn
  • Die Winterpause streichen und dabei verschweigen, dass das Training bei einem Proficlub ohnehin meist nur 90 Minuten dauert

Fertig ist das Süppchen!

Wichtig: Vor Verabreichung des Süppchens unbedingt alle an Reichweite reichen Mediatoren informieren, damit diese genauso kostenlos wie die Suppe selbst es ist die Kunde über die Zubereitung des Süppchens in die Lande hinaustragen. Anschließend auf die tranquilierende Reaktion beim Publikum warten. Im Falle des Nichtwirkens auf die „kleine Gruppe“ hinweisen, die nun mal schon zu Zeiten der Ägypter immun gegen dieses Süppchen gewesen sei. Behaupten, dass sich da wohl etwas längerfristig vererbt habe, höhere Mächte also.

Ansonsten: Wohl bekomm’s und nicht vergessen: Wirkt unabhängig von Ort und Zeit. Kleine Modifikation im Sommer: statt Handschuhe zu verbieten sollte man dann das Trinken verbieten oder die Beigabe von Sonnenmilch. Allerdings empfiehlt sich grundsätzlich eher die Anwendung im Winter oder Herbst, da man beim Sommerpausestreichen immer wieder Probleme mit Arbeitsrichtern und ähnlichen Gesellen bekommen kann. Sowas kannten die alten Ägypter natürlich noch nicht.

Leicht verdaulich bleibt das Süppchen trotzdem.

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