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Monat: Januar 2012

Zoff-Time: Eine Legende als solche entlarvt

Vorweg das Resultat der gestrigen Messung, wie lange Dino Zoff, seines Zeichens 40-jähriger Kapitän der Finalelf Italiens bei der WM 1982, den Ball während der 90 Minuten unter Kontrolle hatte.

2:37 in der ersten Halbzeit.
4:20 in der zweiten Halbzeit.

Gesamt also:

7:07 von 90 Minuten Spielzeit.

Das klingt erstmal viel, auch wenn es die in der Legende besagten 14 Minuten weit unterbietet. Es war aber gefühlt überhaupt nicht viel, sondern das, was eben im normalen Ablauf eines Spieles, in dem durchaus auch mal aufs Tor geschossen wird, an Torhüterballbesitz nötig war. Und nahezu keine Sekunde mehr als das.

Zur Messung ist zu sagen, dass auch die Zeit gemessen wurde, in der Zoff am Ball war, der Ball aber noch gar nicht im Spiel war. Also jene Zeit zum Beispiel, in der ein Abstoß erteilt wurde, bis dieser ausgeführt wurde.

Außerdem ist hinzuzufügen, dass die Sperenzchen der Bildregie nicht immer genaue Messungen ermöglichten, da immer mal wieder eine vorige Szene in Zeitlupe gezeigt wurde, wenn Zoff abstieß. In diesen Fällen war nur eine ungefähre Messung möglich. Diese Ungenauigkeit wird das Endresultat aber nicht grob beeinflusst haben und wenn, dann war es eher weniger Zeit, die Zoff den Ball unter Kontrolle hatte, als oben aufgeführt.

Das Finale der WM 1982 zwischen Deutschland und Italien war also keines jener Spiele in der Zeit vor Einführung der Rückpassregel, in der endlos auf Zeit gespielt wurde, indem der Ball immer wieder zum Torwart zurückgespielt wird. Das kam in jeder Halbzeit vielleicht ein Mal vor, selbst als die Italiener in Führung lagen, spielten sie nicht mittels dieser Methode fühlbar auf Zeit, wie sie dies abgesehen von Kleinigkeiten im gesamten Spiel nicht taten.

Dennoch hat natürlich jeder einige solcher Spiele im Gedächtnis, in denen quälend lange zwischen Verteidiger und Torhüter hin und her gespielt wurde.

Seit heute weiß man also: das WM-Finale 1982 gehörte nicht dazu. Und die Legende von dem Sechstel Spielzeit, das Zoff okkupierte, ist als solche enttarnt.

Eine andere Legende wurde ebenfalls als solche enttarnt: Dass Rudi Michel das Spiel „gut“ kommentiert hätte. Aber das ist ein anderes Feld …

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Ein Sechstel Stillstand

[Update] Heute Abend ist es dann soweit. Ich bin eingeladen zu einem netten Menschen, der das WM-Finale 1982 komplett auf DVD besitzt. Nennt mich bescheuert, aber ich werde mich mit der Stoppuhr daneben setzen. Resultat dessen gibt es aber erst morgen, weil danach noch das obligatorische monatliche Fußballquiz ansteht. Hat er wirklich … 14 Minunten lang … ? Morgen werden wir es wissen.

Da dies noch nicht von anderen Quellen bestätigt wurde, ist es mit Vorsicht zu genießen, könnte auch eine urban legend sein. Wenn es stimmt, gibt es allerdings keinen Zweifel, dass die Rückpassregel eine wunderbare Idee war und ist:

Während der WM 1982 in Spanien soll Dino Zoff im WM-Finale zwischen Italien und Deutschland den Ball insgesamt 14 Minuten lang unter Kontrolle gehabt haben, fast ein Sechstel der Spielzeit.

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Springer alimentiert(e) Hertha BSC

Und zwar tat er das ganz persönlich, mindestens seit 1971, mit 300.000 Mark jährlich. Bis wann dieses jährlich andauerte, ist — auf die Schnelle — nicht zu eruieren. Und auch nicht, ob das eine oder andere seiner Erzeugnisse von da an etwas wohlwollender über den Hertha BSC berichtete.

Die Mannschaft jedenfalls schenkte ihm dankbar eine Schwarzwälder Uhr. Hört man heute auch nicht mehr, dass sich Spieler bei ihren Mäzenen bedanken, oder?

Nur ein Klub braucht nicht zu bangen: Hertha BSC spielt in der größten Bundesliga-Arena, dem Berliner Olympia-Stadion (Fassungsvermögen: 82 000 Sitzplätze), vor durchschnittlich 54 000 zahlenden Besuchern. „Hertha leistet am meisten für die Bundespräsenz Berlins“, urteilte Politmäzen Axel Cäsar Springer und freute sich, „eine Starthilfe gewähren zu dürfen“. Der Konzernherr zahlt jährlich 300 000 Mark zum Spielerkauf und trainiert gelegentlich mit. Die Mannschaft schenkte ihm dankbar eine Schwarzwälder Uhr, aus der statt des Kuckucks ein Kicker springt.

Übrigens auch ansonsten ganz lesenswert, wie viele Bundesligaklubs damals glaubten, kurz vor ihrem finanziellen Ruin zu stehen. Zieht man das nötige Geklapper vor Verhandlungen ab, bleibt immer noch relativ viel davon übrig. Damals wussten die Macher wohl noch nicht, dass sie ganz schnell too big to fail werden würden.

Bemerkenswert und heute unvorstellbar, dafür ist diese ganze Angelegenheit viel zu ernst geworden, dass der Mäzen sich dann auch rausnahm, ab und zu mitzutrainieren.

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Ins Abenteuerland für alle Sinne

Das folgende Foto, jenes rechts unten, illustriert ziemlich anschaulich, wie ein Stadionbesuch nicht sein sollte. Weshalb man sich auch nicht wundern darf, wenn an dem Gewinnspiel keiner teilnimmt, außer vielleicht missverstehende Mütter für ihre Söhne und Schwiegertöchter.


[photopress:stadioncocktail.jpg,full,centered]

Ein Besuch im Stadion soll eben überhaupt nicht das Gefühl von entspanntem Urlaub vermitteln, bei dem man sich zurücklehnt, nicht aktiv teilhat und derweil einen Cocktail schlürft. Natürlich ist hier diese Variante deshalb gegeben, weil der Veranstalter selbst Reisen anbietet.

Aber Derartiges gibt es ja in ähnlicher Ausführung zig Male. Die „Soundso“-Fankurve, bestehend aus Plätzen für zwei Personen, in der man dann trostlos mit einem zufällig dahingewürfelten Nachbarn fernab der feiernden Menge kurz vor der Seitenauslinie rumsitzt und entweder Glück in Form eines gewitzten Mitinsassen oder Pech in Form eines humorbefreiten Gesellen des jeweils gegnerischen Teams hat.

Der Stadionbesuch selbst ist allerdings in jedem Fall zerstört, weil irgendwo in einer Superloge oder -fanbank herumzusitzen und wohl gespeist und mit Getränken versorgt zu sein, nun mal nicht das ist, was man sucht, wenn man ins Stadion geht. Das hat man wohl zu Hause schon, wenn auch nicht immer aus so exquisiter Küche wie in den diversen Logen, und man hat es ohnehin viel zu häufig zu Hause, weil man es meistens dank hanebüchener Anstoßzeiten gar nicht mehr zu jedem Spiel ins Stadion schafft.

Aber wenn ein Stadionbesuch überhaupt eine Reise sein soll, dann doch wohl eine Abenteuerreise. Damit ist nicht mal das Abenteuer gemeint, welches Ergebnis bei dem Spiel herauskommt. Das Abenteuer besteht darin, in eine Menge einzutauchen, die mit dem Spielverlauf wabert, hin und her wogt, meckert, motzt, mitfiebert, jubelt und sich ekstatisch entlädt. Oder in gemeinsamer Enttäuschung schweigend und geschockt zu erstarren.

Alle Sinne werden angesprochen. Die laut skandierten Meinungen, die Düfte des Rasens und der Getränke, die Ausdünstungen, die Kälte der Nacht oder die Hitze des Sommers zu fühlen, unvergesslich sich einbrennend mit dem jeweiligen Ergebnis. Dazu die Haptik, bei einem Tor fürs eigene Team im Jubel die Tribüne herumgeschubst zu werden und mit Wildfremden zu hüpfen. Die Akustik der Anfeuerungsrufe, der Gesänge, die eingeschränkte Optik beim Blick aufs Feld und nicht zuletzt die Erschütterungen der Tribüne.

All das lockt die Menschen ins Stadion, und all das fehlt bei so einer exklusiven Bank am Rande. Das ist kein kleines Abenteuer mehr, das ist ein Erlebnis aus einer anderen, allzu wohl temperierten Welt, der des Pauschalurlaubs nämlich, transportiert an einen Ort, in den es nicht gehört. In den Abenteuerspielplatz Stadion.

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Sich selbst erhaltendes Siechtum

Einerseits geht die Meldung im Widerhall der misslungenen (?) Facebook-Aktion des FC Bayern fast unter: Der FC Bayern plant seine Zukunft mit Oliver Kahn und Stefan Effenberg. Das sind jene beiden, die für eine Eindimensionalität in der Sicht auf den Fußball stehen, wie man sie eigentlich nur noch in viel älteren Generationen vermuten würde. Welche sich nichtsdestotrotz in diesen beiden Hirnen aber dauerhaften Halt verschafft hat.

Der eine beschwört bei jeder Gelegenheit den „Druck“, den es bedeute, für den FC Bayern oder überhaupt als Profi bei gewinnen müssenden Vereinen Fußball zu spielen. Mit dem man natürlich umgehen können müsse. Die wenigen Gelegenheiten, zu denen er mal etwas Anderes erzählt als vom Druck, macht seine Stichwortgeberin dadurch zunichte, dass sie die Farbe der Krawatten wichtiger findet als eine Auseinandersetzung mit dem Sportlichen. Und wenn Kahn dann doch mal von sich aus etwas aus der Sicht eines Profis zum Spiel erzählt, bleibt sie mit metaphorisch offenem Munde stehen, kann daran nicht anknüpfen, und die an dieser Stelle plötzlich möglich gewordene Diskussion versandet noch vor ihrem Beginn in jenen Bezirken des Fußballs, welche man auch gerne bei Bunte und Co. beleuchtet. Insofern weiß man nicht genau, was der alte Kahn tatsächlich über den Fußball denkt, man hat aber bislang wenig im Ohr, was über billige Platitüden hinausgeht.

Der andere beschwört bei jeder Gelegenheit, dass die Mannschaft nicht „zu ruhig“ sein dürfe. Es gehe um Leader-Eigenschaften. Um Aggressivität dem Gegner gegenüber. Dabei wirkt Effenberg wie jenes Kind, dem man gerade zum ersten Mal in seinem Leben ein mehr als einsilbiges Wort gereicht hat, woraufhin es stolz das mehr als einsilbige Wort zu jedem Anlass verwendet, ganz gleich, ob dessen Inhalt etwas mit der Realität zu tun hat, die es gerade bezeichnen soll. Ein „Leader“ klingt halt toll, in den Ohren eines offensichtlich extrem auf Anerkennung geschnittenen Gehirns eines Effenbergs, also wird es bei jeder Gelegenheit rausgehauen. Was fehlt dem deutschen Arbeitslosen? Ein „Leader“! Was fehlt all denen, die schon mal ein Spiel verlieren? Ein „Leader“! Was fehlt dem Effenberg nicht in seinem Vokabular? Ein „Leader“!

Diesen beiden Koryphäen der Eindimensionalität will der FC Bayern nun also neue Aufgaben im Verein anvertrauen. Bei entschieden kleineren Vereinen besaß man da mehr Sachverstand: In Karlsruhe jagte man Kahn mit seinem Vater bei der Kandidatur zum Präsidenten davon, in Gladbach lacht man heute noch über die Aktion, mit der Effenberg — größtenteils ohne inhaltliches Programm — zusammen mit anderen ewig Missverstandenen wie Horst Köppel und Berti Vogts den Verein übernehmen wollte. Da der Verein ja ohnehin, wie man heute sieht, auf dem völlig falschen Weg war, war das aus Sicht der Protagonisten nötig geworden.

Einerseits geht die Meldung im Widerhall der Facebook-Aktion des FC Bayern fast unter. Andererseits muss man sich keine Sorgen machen, dass der FC Bayern — bald geführt und beraten von eindimensionalen alten Recken, deren Weiterbildung selbst bei besten Möglichkeiten, Experte bei Sky oder beim ZDF, und somit hautnah an den besten Spielen des Planeten dran, nur im Schneckentempo vorwärts geht — in mittlerer Zukunft gefährdet sein könnte.

Denn wenn die x in Folge verlorenen Partien gegen Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund eines bewiesen haben, dann jene traurige Erkenntnis: Man interessiert sich bei den großen Medien weniger dafür, warum der Sieger so stark war. Betont wird die Frage, warum die Bayern so schwach waren und was sie falsch machen, wo man sich demnächst wird verstärken müssen. Begründet wird diese Vorgehensweise damit, dass sich nun mal mehr Menschen für den FC Bayern interessieren als für alle anderen Vereine. Selbst dann, wenn der FC Bayern verliert und andere Vereine schon mit anderthalb Beinen im zweiten Jahrzehnt dieses Jahrtausends angekommen sind, während andere noch nicht mal den Akku ihres E-Rollis komplett aufgeladen haben.

Insofern darf man sich also getrost zurücklehnen und kann die Hoffnungen respektive Ängste begraben, dass eines Tages der FC Bayern mal nicht mehr der am meisten hofierte Verein der Liga sein wird, weil so etwas Profanes wie erfolgreicher Fußball ausbleibt. Selbst wenn andere Teams dauerhaft erfolgreich spielen, auch im Misserfolg bleibt der FC Bayern die Nr. 1 des Interesses. Es gibt also keine Chance auf Änderung, denn um den dauerhaft zu sichern, den Misserfolg, hat man ja gerade erst Kahn und Effenberg verpflichtet.

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Harry ist Gladbach-Fan und Ehrennadelträger des FC St. Pauli

Tja, da will man natürlich gerne wissen, welcher Harry das ist. Das beantwortet das folgende Interview [Link leider tot].

Ja, dieser Harry und vor allem dieser Schal. Allerdings steht im verlinkten Interview auch, dass die „Damen von der Requisite nicht wussten, dass es sich um einen Gladbach-Fanschal handelt“. Ein Markenzeichen wider Wissen, oder besser gesagt: ohne Absicht.

Den Teil mit dem Hamburger SV und dem FC St. Pauli müsst Ihr dann aber schon noch selber lesen.

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Was macht eigentlich Peter Wynhoff?

Solche Typen sterben ja aus. Die Bundesligaspieler, die auch genauso Postschalterbeamter sein könnten oder einem bei der Bahn erklären, welches Ticket man im Moment, da die Müngstener Brücke mal wieder gesperrt sein könnte, für die Strecke von Oberbarmen nach Solingen ziehen muss. Ohne Glamour für Arme geht heute nix mehr in den Bundesligakadern, mindestens eine windschnittige Frisur muss es schon sein. Mit beidem konnte unser heutiger Held der Rubrik „Was macht eigentlich … ?“ nicht aufwarten.

Peter Wynhoff war so einer dieser Typen, die zumindest dem Klischee nach jede Mannschaft braucht, die nicht das Rampenlicht suchen, sondern fleißig indianisieren, wie vom Trainer und manchmal auch vom Spielverlauf verlangt. Unspektakulär, aber zuverlässig.

Da überrascht es wenig, welche Tätigkeit Peter Wynhoff — immerhin 240 Bundesligaeinsätze für Borussia Mönchengladbach und DFB-Pokalsieger 1995 mit so Spielern wie Andersson, Neun, Dahlin und Kamps — nach seiner Karriere als aktiver Fußballer ergriffen hat.

Er ist jetzt Sachbearbeiter bei der Kreisbau AG, mit eigener Profilseite [Link leider tot.].

Was ist die Kreisbau AG? Sie ist ein „Wohnungsunternehmen der Stadt Mönchengladbach“. Claim des Unternehmens: „Gewohnt gut“. Und ein Selters bitte.


[photopress:screenshot_peter_wynhoff.jpg,full,centered]

Wynhoff, ganz der Seriöse, kann es sich aufgrund dieser Seriosität auch erlauben, ein bisschen Nepotismus zu betreiben, bzw. seine „alten Kontakte“ spielen zu lassen, auf dass für Arbeitgeber und alten Kontakt eine Win-Win-Situation entsteht [Link leider tot.].

Natürlich hat der Leser längst selbst gemerkt, was das eigentlich Bemerkenswerte an Peter Wynhoffs neuem Job ist: Dass er überhaupt einen hat.

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Fluch oder Segen?

Zuspitzung ist erlaubt, wenn man ein wenig stärkere Tendenzen bei Umfragen erhalten möchte. Was diese Umfragen dann aber tatsächlich abbilden, das sollte man lieber nicht allzu hoch hängen. Man kann das als Spielerei sehen. Wichtig werden solche Ergebnisse nur, wenn … tja, sie werden leider nie wichtig, weil sie über keinerlei Aussagekraft verfügen. Der Realität reicht nun mal kein plattes entweder oder.

Eine Aussagekraft besitzen sie allerdings: Sie erzählen etwas über denjenigen, der sie (mit) betreibt. Sieg oder Niederlage, Titan oder Toastbrot, Weltherrschaft oder Untergang.

Ganz sicher denkt der Ex-Titan mittlerweile als erwachsen gewordener Mann nicht mehr in solchen Schwarz-Weiß-Kategorien. Dieser Umstand hält ihn aber nicht davon ab, einem Laden seinen Namen zur Verfügung zu stellen, der nichts anderes kann als dies.

Und ein einfaches „gut oder schlecht“ tut es da natürlich ohnehin nicht. Es muss schon mindestens ein Fluch (Voodoo, islamisch, christlich, man weiß es nicht) sein, der mindestens ein Leben lang hält. Oder eben ein Segen (Voodoo, islamisch, christlich, man weiß es nicht). Vielleicht hat Mr. Testimonial mittlerweile ja seine eigene Religion aufgemacht. Eine rein dichotome, versteht sich.

Weltmeister oder Ampfostenlehner.


[photopress:fanorakel_fluch_oder_segen_1.jpg,full,centered]

Über 350 Votings einself.

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Ein Bayer in Charlottenburg-Wilmersdorf

In einem Hotel zu wohnen kann man einem strohverwitweten Trainer doch nicht ernsthaft vorwerfen. Er liegt schließlich völlig richtig damit, wenn er sich rechtfertigt, dass er sich als Hotelgast um nichts kümmern müsse und so die volle Konzentration auf die Arbeit ermöglicht ist.

Wer kann schon zu Hause über den Aufstellungen fürs kommende Spiel brüten, wenn die Waschmaschine dröhnt, die Kinder schreien und auch den ehelichen Pflichten nachgekommen werden muss?

Selbst die kolportierten häufigen abendlichen Vergnügungsfahrten durchs Berliner Nachtleben tragen doch nur zur Burnout-Propyhlaxe bei, ganz im Sinne des Erfolgs, ganz im Sinne des Vereins also. Wer nichts im Leben hat außer seinem Hobby, das er zum Beruf gemacht hat, nie abschalten kann, der navigiert halt etwas näher am Kollaps als jener, der weiß, wie man sich eine Zigarre, äh, anzünden lässt.

Was man dem Bayer in Charlottenburg-Wilmersdorf allerdings vorwerfen kann, ist dass er es in einer echten Großstadt nicht allzu lange aushält. Es war schließlich seine erste. Seine Heimatstadt München beschreibt sich selbst nur als ein Dorf, wenn auch ein Millionendorf. Die übrigen Stationen seiner Karriere, Blackburn mit schlappen 100.000 Einwohnern, Liverpool mit 440.000 und Stuttgart auch gerade mal 600.000, kommen nicht mal auf eine solche Million. Da hat allein Charlottenburg-Wilmersdorf schon fast so viele wie Einwohner wie Liverpool, ganz Berlin mehr als drei Mal Millionendorf München.

Kaum wird es einmal etwas unübersichtlicher, verliert er genau diese, die Übersicht. Im Nachtleben versteht sich, bei den Terminen, die vielen Bars, wo soll man nur hingehen, wen hat man letztens noch mal angerufen und bei wessen Nummer im Display geht man am besten nicht mehr dran?

Auf dem Fußballplatz konnte er ja nicht die Übersicht verlieren, da gab es keine Strategie, die die Spieler hätten umsetzen sollen. Was bleibt, ist ein Aufstieg aus der 2. Liga mit einem Erstligakader, der Vergleich ist platt, aber zutreffend: Als würde man mit dem FC Bayern Meister werden, was dieser zumindest früher auch ohne Trainer geschafft hätte. Plus eine mediokre Hinrunde in der 1. Liga, an deren Ende sich schon das Ausbleiben dessen ankündigte, was man als Trainer ohne eigene Strategie vor allem braucht: Glück.

Als Fußballtrainer ist es zwar relativ unerheblich, ob man bei den Berliner Einwohnern verbrannte Erde hinterlässt, dem Hörensagen nach sind die allermeisten Zugezogene, die ihren Lieblingsclub aus der Heimat im Herzen behalten haben, und zur Hertha wird er ohnehin nicht zurückkehren.

Für seine Reputation als Trainer aber könnte das Eigentor kaum größer sein. Erst in Stuttgart als solcher wegen zu großer Kumpelhaftigkeit gescheitert, jetzt, weil er mit dem Leben in einer Großstadt nicht klarkam, obwohl doch das Hotelpersonal ihm die Alltagsverrichtungen abnahm.

Das bisschen Bashing der Berliner wäre da zu vernachlässigen. In Berlin sei man groß mit dem Mund, tue aber letztlich wenig. Wäre da nicht der Bumerang, den er wird annehmen und erst einmal selbst beweisen müssen, was er denn überhaupt tut, für so eine Mannschaft. Sofern er sich in der jeweiligen Stadt wohlfühlt, versteht sich, und nicht zu schnell altert, das Leben so stressig. Als Fußballtrainer. Im Hotel. So viele verschiedene Zeitungen, so viele Bars und die vielen Straßennamen erst.

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Die Pokale der Kontinentalmeisterschaften (der Länder)

Gerade läuft ja in Gabun und Äquatorialguinea die 2012er-Ausgabe des Afrika-Cups, in diesen Minuten findet das Eröffnungsspiel zwischen Äquatorialguinea und Libyen statt, da kann man schon mal der Frage nachgehen, um welchen konkreten Pokal es bei diesem Kontinentalturnier überhaupt geht.

Denn erstaunlicherweise führen die Trophäen selbst, um die es ja neben dem Titel bei solch einer Veranstaltung geht, ein ziemliches Schattendasein, bei allen Kontinentalmeisterschaften. Den World Cup kennt natürlich jeder, in diesen Breiten kennt man auch den Pokal der Europameisterschaft, der nur aus Gründen der Vollständigkeit unten in der Liste auftaucht, aber die Pokale der anderen Bewerbe auf diesem Planeten sind doch reichlich unbekannt.

Hier also die kleine Liste, die alle Pokale der Kontinentalwettbewerbe zeigt, inklusive — soweit eruierbar und dann durch Anführungszeichen kenntlich gemacht — der Namen der Trophäen:

Mein Favorit aus der Hölle ist der Gold Cup, aber der Afrika-Cup ist auch schon extrem hässlich, weil wie eine nur halb zu Ende designte Kopie des World Cups wirkend. Da wird der merkwürdig gestauchte Pokal der Europameisterschaft in der Runde seiner Kollegen doch glatt zum echten Schmuckstück. Auch Schönheit ist eben relativ.

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Anno gar nicht mal so tuck

„Diese Beckmänner, all diese Wichtigtuer, gehen uns Profis doch schon lange auf den Keks.“

Eike Immel, damals Manchester City, kurz bevor er als England-Experte für die EM 1996 vom ZDF eingekauft wurde. Beckmann war zu jener Zeit bei Sat1.

Das Traurige ist, dass wer als Spieler mit dem Resultat der Arbeit all der Beckmänner aufgewachsen ist, es schwierig haben wird, es sich anders als verbeckmannt überhaupt vorzustellen. Weshalb er dagegen nicht rebellieren wird und es bleibt wie es ist.

Aber, ach, das ist ja auch nichts Neues mehr. Ein tiefes Gefühl der Resignation macht sich breit, mit gleichzeitig aufkommendem Zweifel, ob es nicht müßig ist, darüber überhaupt Resignation zu empfinden. Im Stadion wird das Spiel immer noch so dargeboten, wie es ist. Was schnell zur Frage führen könnte, ob jene Zuschauer, die letztens noch neben mir zu Beginn (!) der zweiten Halbzeit in Scharen aufsprangen und nach Hause liefen, weil das Heimteam deutlich zurücklag, nicht doch mit Zusammenfassungen à la Beckmann besser bedient wären. Aber das wäre dann schon wieder ein anderes Thema und viel zu weit führend für diesen kleinen Beitrag, der nur Eike Immels Zitat festhalten wollte.

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Rudi Carrell war ein Ultra

… denn er sang von der 1. bis zur 90. Minute.

Mutig war er noch dazu, seine Gesänge schmetterte er nämlich mit einer Werder-Bremen-Mütze auf dem Kopf im Block des HSV. Selige, friedliche Zeiten, als das noch problemlos möglich war.



Den Mehmet-Scholl-Song hingegen kann man sich eher sparen.

Danke, Stefan.

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