Heute:
Die problemlos beliebbare Projektionsfläche.
Wir brauchen: Einen geeigneten Kandidaten für die Rolle. Er sollte möglichst mit einiger Erfahrung und einem gewissen Hauch von Metropolität ausgestattet sein. Es ist nicht unbedingt nötig, dass der Kandidat vor seinem Engagement beim Zielensemble ein absoluter Topstar seines Metiers war, allerdings ist es sehr hilfreich.
Sehr wichtig ist hingegen, dass er kein Deutsch spricht oder dies zumindest nicht vor Kameras und Mikrofonen versucht. Ansonsten ist auch ein gutes Aussehen sehr willkommen, aber ebenso wenig ein Muss, denn das Rezept funktioniert problemlos auch ohne dieses nette Goodie.
Natürlich ist es ebenso förderlich, wenn die von allen geliebte Projektionsfläche pro Forma ein paar Kinder gezeugt hat, gerne mit einer hübschen Frau, noch gerner mit immer derselben Frau, aber am Ende des Tages ist auch das nicht wichtig.
Denn wichtig ist, dass er ansonsten hauptsächlich die Klappe hält.
Mit allem, was er zum Ensemble, zu den glühenden Liebhabern der Theatergruppe, oder zu seinen Kollegen äußern würde, das über übliche Floskeln hinausginge, könnte er womöglich sein bei Ankunft porentief reines Image beschmutzen. Und genau das wollen wir ja vermeiden, denn die Projektionsfläche soll schließlich wie von Geisterhand von allen geliebt werden.
Er möge also auf der neuen Bühne ein paar Erfolge feiern, auch schwächere Phasen wird man ihm verzeihen. Wenn er nur immer bei Ankunft in der Nähe der Bühne rechtzeitig die Scheibe der Fahrertür halb herunterfahren lässt und ein leicht verschwörerisches, leicht bübisches Grinsen mit ausreichend Raum zur Interpretation auf Rezipientenseite aufsetzt.
Es ist also völlig egal, wie der Darsteller sich fern der wenigen Minuten rund um den Auftritt im Spotlight benimmt, denn so lange die Projektionsfläche spiegelblank ist, sind alle Beteiligten der Auffassung, einen, nein den perfekten Vertreter für all ihre Hoffnungen auf ein Fünkchen vom Glamour, auf künstlerischen Erfolg gepaart mit echter Identifikation mit dem Ensemble gefunden zu haben.
Was für ein Kompliment es doch ist, dass sich solch ein Weltstar dort zu Hause fühlt, wo man selbst ebenfalls wohnt und auch dann noch treu seine Obolusse entrichtet, wenn die Projektionsfläche längst über alle Berge sein wird.
Derweil wird im Keller der Anlage die rund um die Uhr betriebsfähige Druckmaschine angeworfen, mit der die zu verkaufenden Arbeitskleidungen der Projektionsfläche beflockt werden, die danach Tag und Nacht unter die Leute gebracht werden. Deren Betreiber schauen immer mal wieder sich die Hände reibend vorbei.
Ist der Vertrag zu Ende, treffen sich alle zu einer letzten großen Abschiedsvorstellung auf der Bühne und verdrücken ein oder zwei Tränchen gibt es ebenso wie Theaterblut aus der Tube und sobald der Vorhang gefallen ist, zücken alle ihre Geldbörsen und zählen die Dollars.
Ein kurzer, professioneller Handshake noch, alle haben ihren Schnitt gemacht und die Projektionsfläche zieht weiter, um an anderer Stelle beliebt zu werden.
Die nun leer im Raum schwebende von der Projektionsfläche zurückgelassene Lücke wird schnell zurechtgeschnitten und dem kollektiven Gedächtnis einverleibt, wo schon die anderen Inhalte rumstehen, die sich alle Glaubenden selig gegenseitig wiederkäuen.
Im ersten Moment füllt man noch Poesiealben mit dem Schmerz übers Weiterziehen der Projektionsfläche, bald richten sich die Gedanken aber auf eine neu angekündigte Projektionsfläche, deren Eintreffen man kaum erwarten kann.
Denn weißt Du noch, was war das doch damals schön mit der alten.
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