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Monat: August 2014

Verschiedene Versionen von Verantwortung

Der Lodda. In Ermangelung der Bereitschaft, mir weiter Expertengeschwätz eines höchst sexistischen Senders anzuhören, der noch dazu bewusst die Kneipen-Fußballkultur killt, kann ich nicht beurteilen, ob Lodda in den letzten Jahren Sinnvolles zu den Fußballspielen zu sagen hatte, welche er als so titulierter Experte begleitet.

Für ein Thema ist der Lodda aber ohne jeden Zweifel Experte: für sich selbst.

Und da hat er letztens dem Kicker für dessen Special zu 50 Jahren Bundesliga noch mal eine interessante Sicht seiner Selbst zum Besten gegeben. Anlass war die Saison 1984/85, vor welcher Matthäus frisch zum FC Bayern gewechselt war. Angeblich habe es wegen Rummenigges Weggang und Breitners Karriereende etc. keine Hierarchie im Team gegeben.

„Ich bin schnell zurecht gekommen in dem neuen Umfeld und habe — wie es nun mal mein Naturell ist — Verantwortung übernommen.“

Quelle: kicker.de.

Wie schön, dass er diese Behauptung vorher selbst konterkariert, als er sich zu dem vergebenen Elfmeter im Pokalfinale 1984 im Elfmeterschießen mit Gladbach gegen seinen kommenden Club Bayern wie folgt äußert:

„Ich habe zum Trainer Jupp Heynckes gesagt, dass ich mich nicht gut fühle und der Druck vielleicht zu groß sei.“

Hört, hört, schon damals wollte er kneifen. Ohne weitere Quellen zu verlinken, aus dem Gedächtnis zitiert, galt Matthäus in jenen Jahren bei diversen Protagonisten als jemand, der kneift, wenn es drauf ankommt, so z. B. von Dieter Hoeneß geäußert und auch Jahre später aufgrund seiner Auswechslung in „Barcelona!“ noch mal von anderen wiederholt.

Aber er übernimmt ja so gerne Verantwortung.

Nun kann man zwar durchaus die Meinung vertreten, dass es eben gerade verantwortungsvoll sei, es zuzugeben, wenn man sich nicht sicher fühlt und damit potenziell Schaden von der Mannschaft abzuwenden. Wenn sich da nicht eine ähnliche Geschichte kurz vor dem entscheidenden Elfmeter im WM-Finale 1990 wiederholt hätte.

Von Thomas Berthold mag man halten, was man will. Seine Aussage, vor der er laut auflachte, als er Matthäus‘ Ausrede, Verzeihung, Begründung gehört habe, warum er nicht schießen wolle — „hatte neue Schuhe an“ — kann man aber gerne so stehen lassen. Niemand zöge in einem so wichtigen Spiel wie einem WM-Finale komplett neue Schuhe an, behauptete Berthold.

Andy Brehme ist immerhin so freundlich, sich einer Bewertung der 1990er-Situation zu entziehen:

SPOX: Lag es bei Matthäus wirklich daran, dass aus seinem Schuh in der ersten Halbzeit Stollen raus gebrochen waren und er sich in den neuen Tretern nicht sicher fühlte?

Brehme: Das fragen alle. (überlegt) Ich weiß es nicht. Er hat sich zumindest bis heute nicht genau dazu geäußert.

Quelle: spox.com.

(Die fehlende Antwort auf die Frage, wieso der Interviewer diese Frage stellen kann, wenn Matthäus sich doch nie dazu geäußert haben soll, schreiben wir mal ebenfalls Brehmes Höflichkeit zu.)

Matthäus bleibt somit immerhin seine eigene Version von Verantwortung, die er seinem Naturell gemäß so gerne übernimmt. Wahrnehmungen gibt es ja immer so viele wie Beteiligte, schön, wenn man mit sich selbst völlig kongruent ist. Da kann auch nichts am Selbstbild bröckeln. Und man bleibt unbestrittener Experte für sich selbst.

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Vermaledeiter Recency-Effekt

Der kicker fragte letzens in einer Umfrage nach dem größten Trainer aller 50 Jahre Bundesliga. Das Resultat lautete: Jupp Heynckes. Vor Udo Lattek! Vor Ottmar Hitzfeld! Bei der Weltfußballerwahl fragte man nach dem besten Spieler des abgelaufenen Jahres — gewählt wurde einer, der im letzten wichtigen Spiel der Saison drei Tore erzielte.

Lässt man im Jahr 2001 eine Jahrhundertelf des vorhergegangenen Jahrhunderts eines Vereins wählen, besteht der Kader zu mindestens zwei Dritteln aus Spielern aus den letzten beiden Jahrzehnten (was allerdings auch biologische Gründe hat — oder heißt das Flotteneffekt?). Lässt man ein „sehenswertestes“ Spiel wählen, antwortet ein Großteil mit einem Spiel, das gerade mal ein paar Monate her ist, während alle Spiele seit Beginn der TV-Aufzeichnungen dafür offen gestanden hätten.

Es ist ja auch nicht weiter tragisch, bei derlei Wahlen und Abstimmungen existiert ja ohnehin keine objektive Wahrheit. Ich möchte dennoch hier eine Lanze brechen für all jene, welche vor der gerade abgelaufenen Zeit etwas Herausragendes geleistet haben, aber leider den Strukturen des menschlichen Gedächtnis zum Opfer fallen und bei diesen Wahlen nie etwas werden gewinnen können, was wenigstens annähernd Ähnlichkeit mit einem Blumentopf hätte.

Also: Den Recency-Effekt einfach radikal akzeptieren, solche Wahlen sind ja ohnehin nichts anderes als Unterhaltung.

Eine einigermaßen objektive Wahl einer „Jahrhundertelf“ diverser Vereine oder Tore eines Zeitraums würde mich dennoch sehr interessieren. Leider wird das in diesem Leben und vor allem als Mitglied dieser Spezies mit dem nun mal vorhandenen Gehirn nie möglich sein. (Könnten Schildkröten Fußball spielen und auch noch solche Wahlen abhalten, sähe das anders aus.) Man sollte ja schon froh sein, dass man überhaupt so eine relativ ausgereifte Version von der Evolution zur Verfügung gestellt bekommen hat, mittels derer man immerhin auf den Mond und — nicht ganz unwichtig — auch wieder zurückfliegen kann. Na dann eben: weiterwählen.

Immer den, der zuletzt etwas erreicht hat.

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Gespräch mit Ronald Reng: „Bohemien im Schatten der Zeche“

Die Mitschrift dieses Telefonats wurde mir freundlicherweise von Michael Wildberg, einem der drei Macher von „Meidericher Vizemeister“, zur Verfügung gestellt und ist bislang nirgendwo anders zu lesen. „Exklusiv“ also hier im Blog.

Ein Gespräch mit Ronald Reng über Heinz Höhers Meidericher Jahre.

In seinem letzten Buch „Spieltage“ erzählt der Autor und Journalist Ronald Reng die 50-jährige Geschichte der Bundesliga aus der Sicht Heinz Höhers, der in der Geburtssaison der Bundesliga zum Kader des MSV Duisburg gehörte und mit den Zebras die Vizemeisterschaft erlangte. Ein Telefonat zwischen Ronald Reng und Michael Wildberg über den Fußball des Meidericher SV in der Saison 1963/64, einen Stadtteil im Schatten der Zeche und den ersten Marketing-Transfer der Bundesligageschichte.

Michael Wildberg: Herr Reng, Ihr Buch „Spieltage“ las ich mitten in den Dreharbeiten zu einer Dokumentation über die Vizemeister des Meidericher SV. Sie haben sich ebenfalls mit der Mannschaft beschäftigt, wenn auch auf vollkommen andere Art und Weise. Diese Truppe verblüfft mich bis heute. Spielerisch changierte sie wohl irgendwo zwischen modernstem Fußball und furchterregendem Abwehrverhalten. Ich bin mir nach allen Recherchen immer noch nicht zu 100% sicher, wie man die Spielweise dieses Teams abschließend beurteilen soll.

Ronald Reng: Wahrscheinlich war es beides. Auf der einen Seite nahm Gutendorf gerne offensive Spieler vom Feld und verstärkte die Abwehr mit weiteren Defensivspezialisten. Das war wohl nicht immer ansehnlich. Es gab damals Pressemeldungen, die von Zuschauern berichten, die während des Spiels an der Theke herumstanden und darüber meckerten, warum sie für diesen Fußball Geld zahlen mussten.

Michael Wildberg: Neben diesem eher simplen Fußball war die Mannschaft aber in anderer Hinsicht ganz nah bei den Philipp Lahms der Gegenwart. Und somit ihrer Zeit ein wenig voraus.

Ronald Reng: Der moderne Aspekt ihrer Spielweise war, dass sie mit Sabath und Heidemann zwei Außenverteidiger hatten, die sich mit in die Offensive einschalteten. Das war für viele Mannschaften neu und stellte sie vor Probleme. Verteidiger am gegnerischen Strafraum gab es damals noch nicht so oft.

Michael Wildberg: Der Kern des Teams bestand aus Spielern, die aus dem Stadtteil Meiderich kamen und sich teilweise von Kindesbeinen an kannten. Das waren ursprünglich Straßenkicker. Für mich ist es ein Wunder, dass eine solche Truppe überhaupt Vizemeister werden konnte. Der Meidericher SV hatte damals ein kleineres Einzugsgebiet als Athletic Bilbao mit dem Baskenland.

Ronald Reng: Athletic Bilbao ist vielleicht ein guter Vergleich. Dort wachsen die baskischen Jugendlichen in einem Internat auf und sind eng an den Verein gebunden. Der nächste Club, der mir dazu einfällt, ist der FC Barcelona der letzten Jahre. Dort wuchs ja auch eine ganze Mannschaft in der Jugend heran, bevor diese Spieler dann als Profis gemeinsam große Erfolge feierten. Wie die Meidericher, die ja alle in Hesselmanns Vereinsheim und seinen Mannschaften groß wurden.

Michael Wildberg: Ihr Protagonist Heinz Höher spielte für uns eigentlich keine Rolle. Auch als wir die Spieler von damals befragten, tauchte er in den Erzählungen selten bis gar nicht auf. Mein erster Gedanke war, dass dieser inner circle der Meidericher der Grund gewesen sein könnte, warum Heinz Höher hier nie so richtig ankam.

Ronald Reng: Für ihn war es ein Scheitern. Er sprach nicht so gerne über die Zeit, viel weniger als über seine anderen Vereine. Es lag aber weniger an den Meiderichern. Die hätten ihn wohl ebenso aufgenommen wie Manfred Manglitz oder Helmut Rahn, die auch von außerhalb kamen. Was aber stimmt: Der Meidericher SV war nicht sein Wunschverein. Ihm ging es eher darum, Bayer Leverkusen zu verlassen. Mit denen hatte er sich wegen seines Gehalts überworfen. Von da an verschickte er seine Bewerbung an einige Vereine, unter anderem an Bayern München.

Michael Wildberg: Höhers Anteil an dem Erfolg des Vizemeisters ist gering. Dabei war er kurz vor seinem Wechsel noch Amateur-Nationalspieler und stand in Sepp Herbergers Notizbuch. Worin begründet er sein sportliches Scheitern beim Meidericher SV?

Ronald Reng: Da kamen mehrere Dinge zusammen. Höher selbst hielt sich damals zwar für einen der Top-30-Spieler in Deutschland, nahm sich dann aber während der Partien immer wieder seine Auszeiten. In Duisburg wurde das nicht gerne gesehen. Obwohl er sich diese Schaffenspausen gönnte, stellte er hohe Ansprüche an sich und hielt sich für besser als viele andere. Als er dann nicht zur ersten Elf gehörte, trainierte er heimlich mit Bleiwesten, um sich wieder heranzuarbeiten. Vor ihm stand aber Helmut Rahn. Das war seine Mauer.

Michael Wildberg: Im Nachhinein ist es fast unvorstellbar, dass ein Weltmeister und Volksheld wie Helmut Rahn in dieser Szenerie aufschlug. Rahn löste einen Fußball-Hype in Meiderich aus. Für Heinz Höher sollte er zum Problem werden.

Ronald Reng: Höher ging nach Duisburg und sah sich selber als Stammspieler. Kurz nach ihm wurde dann aber Rudi Gutendorf als Trainer engagiert. Gutendorf war jung und hatte neue Ideen, so lotste er als eine seiner ersten Amtshandlungen die alternde Legende Helmut Rahn nach Duisburg. Sein Plan war, durch einen solchen Transfer die Zuschauer ins Stadion zu locken. Was hieß, dass er auch spielen musste. Heinz Höher war – wenn man so will – Opfer des ersten Marketing-Transfers der Bundesligageschichte. Dazu war Helmut Rahn jemand, den es auch auf seine alten Tage aufs Feld zog. Die Spieler berichteten davon, wie er selbst bei Freundschaftsspielen immer auflaufen wollte. Er spielte ohne Schienbeinschoner, obwohl er so oft getreten worden war, dass sich mittlerweile Wasser in seinem Knie ansammelte. Nimmt man das alles zusammen, dann konnte Höher an Rahn nicht vorbeikommen.

Michael Wildberg: Sie erzählten, dass Höher aus halbwegs gutem Hause kam. Seine Eltern hatten in Leverkusen ein Bettengeschäft und legten viel Wert darauf als angesehene Bürger zu gelten. Das Meiderich der Vizemeister war dagegen eher proletarisch geprägt.

Ronald Reng: Als ich die Leute nach dem Meiderich der 60er Jahre befragte, sprachen sie oft von dem beißenden Geruch, der in der Luft lag. Der Stadtteil war fast eine Monokultur, das Leben stand im Zeichen der Zeche. Die meisten Spieler arbeiteten dort neben dem Fußball. Auch das war ein Unterschied zu Heinz Höher. Höher war als Student eingeschrieben, ging aber nie in die Vorlesungen und trieb wie ein Bohemien so durchs Leben. Seine Freizeit zwischen den Einheiten verbrachte er in einem Bistro und spielte Karten, abends fuhr er dann immer mit Manfred Manglitz nach Leverkusen zurück. Er selber durfte nicht fahren, den Führerschein hatte er wegen Trunkenheit am Steuer bereits vor seinem Wechsel verloren.

Michael Wildberg: Für Ihr Buch recherchierten Sie auch mitten in meiner Heimat auf dem Trainingsgelände des MSV Duisburg. Um unser Gespräch in der Gegenwart enden zu lassen: Welchen Eindruck hatten Sie, als Sie die Westender besuchten?

Ronald Reng: Mir geht es darum, ein Gefühl für die Orte zu bekommen, die ich beschreibe. Das Trainingsgelände war für mich auffällig, da man dort noch einen Eindruck davon erhalten kann, wie der Ort zu Höhers Zeiten aussah. Es gibt zum Beispiel noch hinten die alten Umkleidekabinen. Und auch wenn das Gelände für die WM 2006 saniert wurde, kann man in dem kleinen Stadion der zweiten Mannschaft erahnen, wie hier vor fünfzig Jahren Manfred Manglitz, Helmut Rahn und Heinz Höher trainierten. Es ist schön, dass man die Geschichte dort noch erfahren kann.

Ronald Reng, Jahrgang 1970, ist einer der renommiertesten Sportjournalisten und Fußballautoren des Landes. Unter anderem arbeitete er für die taz, die SZ und die 11 Freunde. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er durch seine Bücher „Der Traumhüter“ und „Robert Enke: Ein allzu kurzes Leben“ bekannt. Neben vielen weiteren Preisen erhielt er für sein letztes Buch „Spieltage: Die andere Geschichte der Bundesliga“ von der Deutschen Akademie für Fußballkultur die Auszeichnung zum „Fußballbuch des Jahres 2013“.

Foto: Privatarchiv Günter Preuß.

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Filmkritik: Fürn Mettbrötchen und ne Tasse Kaffee – Meidericher Vizemeister

Filmkritik: „Meidericher Vizemeister“

Aus der Reihe: „Von Anfang bis Westende“


So sieht das aus, wenn ein Verein tatsächlich noch nie einen Titel im Profifußball errungen hat. Dann ist ein zweiter Platz, stolz zur VizeMEISTERSCHAFT erhoben, das, worauf man seinen Mythos stützen muss. Denn diese „Meidericher Vizemeister“ aus der Gründungssaison erreichten die beste Platzierung der Geschichte dieses Clubs vom Niederrhein.

Doch geht es in der kürzlich ehrenamtlich (!) auf professionellem Niveau erstellten Dokumentation über den Meidericher SV nicht allein um eine Mythosbildung, auf welche man dann gerne bei Diskussionen unter der so tiefliegenden Mütze der Tradition verweisen kann.

Es geht auch darum, diese besondere Geschichte festzuhalten, so lange die Protagonisten noch selbst davon berichten können, wie sie es in der Doku ausgiebig tun. Und das umfasst nicht in erster Linie den überraschenden sportlichen Erfolg, sondern auch viel Lebensgefühl (wer will, fügt: im Ruhrgebiet an) aus den Jahren 1962 bis 1964, als natürlich nicht nur im Fußball noch ein völlig anderes Klima herrschte. Angefangen von der lange fraglichen Qualifikation für einen der nur 16 Plätze in der neuen Bundesliga eben 1962 über allerlei aus dem Leben neben dem Platz, schließlich hatten alle — siehe Beitragstitel — noch einen Beruf, bis zum Ende, als es dann doch nicht zum Titel reichte, der 2. Platz aber als ebensolche Sensation gefeiert wurde.



Die schon in Ronald Rengs Buch „Spieltage“ erwähnte Besonderheit dieser Mannschaft, die größtenteils nicht nur aus dem selben Stadtteil, sondern von gerade mal zwei, drei nebeneinander liegenden Straßen stammte, findet hier auch kurz ihren Wiederklang und bildet gleichzeitig das Korsett für die ineinander verwobenen Originalkommentare der einzelnen Mannschaftsmitglieder. Wenn größere und kleinere rhetorische Talente auch im Wissen um die Existenz der Bühne, die der Film für sie baut, von früher erzählen, dann wird diese Zeit sehr anschaulich. (Und kratzige Stimmen manch älterer Herren bilden einen Teil dieser Anschaulichkeit.)

Spieler wie Günter Preuß, Lulu Nolden oder jener Hennes Sabath im Trailer unten erhalten ein zuvor in der Öffentlichkeit nicht existentes Gesicht. (Und man darf hinzufügen, dass Sabath im Film zum Glück nicht immer so überzeugt von sich und seinen Jungs ist, wie im Trailer unten.)

Sowie natürlich Riegel-Rudi Gutendorf, der sich mit seinen 87 Jahren und 55 Trainerstationen erstaunlich präzise an genau jene Saison beim Meidericher SV erinnert, um die es hier geht. Und diese prompt zur schönsten seiner Laufbahn erklärt. Was allgemein wenig überrascht, doch ist auch seine Auskunftsfreudigkeit ein Baustein zum Gelingen des Werks.

Und dann geht es tatsächlich auch darum, wie Rudi Gutendorf schon damals durch eine taktische Innovation mit in Deutschland völlig unbekannten Spielern, Ausnahme: 54er Weltmeister Helmut Rahn, dem Meidericher SV dazu verhalf, seinen Gegnern reihenweise die Punkte zu stehlen.

Als einziger Außenstehender wird übrigens Uwe Seeler in einigen Passagen zum damaligen Gegner Meidericher SV befragt, und wer den Grund dafür nicht kennt, sollte sich erst schämen, kann ihn ja dann aber im Film erfahren.

Dieser bietet mehr als nur Heimatfolklore, wenn auch zu nicht geringen Teilen: Vor allem ist er ein Stück Bundesligageschichte, das vielleicht auch wegen seines Charmes vom eigentlich unglaublichen Märchen der Freunde, die zusammen sportlich die Fußballplätze aufmischen, bis in die heutige Zeit im Fußball wirkt.

Zumindest heute Abend, 21.15h jedenfalls. Wenn der Film im Sommernachtskino im Landschaftspark Nord in Duisburg gezeigt wird. Wie ich berichten kann: höchst sehenswert, mit dem Fokus auf den Protagonisten und weniger auf dem Spiel.

Höchst sehenswert auch in diesem Theater, einem halb-offenen Kino, das in einen früheren Hochofen eingebettet ist. Passender könnte die Kulisse nur noch dann sein, wenn man ein paar Hundert Meter weiter wirklich in Meiderich aufführte.



Wer Zeit hat und Fußballfan, nicht nötigerweise des Meidericher SV, ist, der sollte sich den Streifen an diesem besonderen Aufführungsort nicht entgehen lassen. Aufführungsbeginn ist nach Sonnenuntergang.

Allen anderen sei der Film aber ebenso ans Herz gelegt. Wer „Spieltage“ von Reng mochte, kommt an „Meidericher Vizemeister“ kaum vorbei.

PS: Das Zebrastreifenblog hat ihn auch schon gesehen.

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O Klose, mein Klose

Als gut sortiertes Magazin hat man die – sportlichen – Nachrufe auf alle, welche kurz vor dem Ende ihrer Karriere stehen, natürlich längst in der Schublade und muss im Fall der Fälle nur noch die aktuellsten Daten eintragen und dann geht der Beitrag in Druck.

Doch das ist ja in diesem Fall das Drama. Bei Miroslav Klose war das Ende seiner noch jungen Karriere nicht annähernd abzusehen gewesen. Gerade mal drei Törchen mehr als Gerd Müller bislang, allen Experten war klar, dass da noch Potenzial für weitere sechseinhalb Dutzend wäre. Wenn er nur jetzt nicht völlig voreilig und auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft den Länderspielbetrieb eingestellt hätte.

Man kann sich an nur wenige erinnern, die so früh und damit viel zu früh von der internationalen Bühne gingen. Bernd Schuster vielleicht, Johan Cruyff, was ist der Fußballwelt da nur entgangen? Jetzt gehört auch Miroslav Klose zu den Unvollendeten.

Die Fußballwelt ist geschockt, aber vielleicht gibt es gegen Ende seiner Vereinskarriere dann ja doch noch einen zweiten oder dritten WM-Titel. Paule Breitner ist auch nach langer Zeit wieder gekommen, selbst Stefan Effenberg brachte es nach dem bekanntermaßen nicht sportlich bedingten ersten Abschied aus der Nationalelf noch einmal zu einem erfolgreichen Comeback.

Wer weiß also, wie Klose in fünf, sechs Jahren über diese Entscheidung, vielleicht zu sehr aus dem Pfälzer Magen heraus getroffen, denken wird. Für den Moment aber heißt es Abschied nehmen von einem, dessen Agilität und Kaltschnäuzigkeit noch so viele Länderspieltore zu versprechen schienen. O Klose!

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