Dem Fußball eher fern Stehende nehmen oft an, ein Stadion sein ein Hort der Gewalt vor, in dem sich sowohl die rivalisierenden Fans untereinander ständig prügeln als auch die gegnerischen Spieler oder Zuschauer belästigt und teils auch physisch angegangen werden. Bei der Vielzahl der Fußballspiele, die in Deutschland Wochenende für Wochenende stattfinden, ist es unbestritten so, dass es derartige Fälle gibt. Angesichts der Zahl der durchgeführten Partien ist aber auch dies noch immer, trotz aller unschönen Auswüchse, eigentlich ein Randphänomen.
Im Profifußball sieht es sogar völlig anders aus. Seit Einführung der Bundesliga als höchste Liga des Profifußballs in Deutschland wurden gerade einmal sieben Spiele abgebrochen. Und wie die folgende Darstellung zeigt, war allein in zwei Fällen ein Übergriff von Zuschauern auf die Akteure auf dem Rasen der Anlass dafür. Ansonsten lagen die Ursachen in höherer Gewalt, nämlich 3x Nebel und 1x Dauerregen sowie ein technischer Defekt, als in Mönchengladbach ein Pfosten zu Bruch ging, nachdem sich ein Spieler im Netz verfangen hatte.
Datum | Partie | Spielstand bei Abbruch | Grund | Wertung |
7.12.1963 | Hamburger SV – Borussia Dortmund | nach 61 Minuten 2:1 | Nebel | Wdh: 2:1 |
2.12.1967 | VfB Stuttgart – Borussia Neunkirchen | nach 54 Minuten: 0:0 | Nebel | Wdh: 2:1 |
3.4.1971 | Bor. M‘gladbach – Werder Bremen | nach 88 Minuten: 1:1 | Pfostenbruch | 0:2 |
31.10.1972 | E. B’schweig – E. Frankfurt | nach 45 Minuten: 3:0 | Nebel | Wdh: 2:1 |
27.11.1976 | 1. FC K‘lautern – Fortuna Düsseldorf | nach 76 Minuten: 0:1 | Wurf einer Flasche durch Zuschauer | 0:2 |
11.4.2008 | 1. FC Nürnberg – VfL Wolfsburg | nach 54 Minuten: 0:0 | Starker Regen | neu angesetzt |
1.4.2011 | FC St. Pauli – FC Schalke | nach 54 Minuten: 0:0 | Wurf eines Bierbechers auf einen SR | 0:2 |
Die Bundesliga selbst, ihre Stadien sind also kaum ein Hort der Gewalt zu nennen, im Gegenteil. Zieht man die Zahl der Spiele nach 50 Jahren Bundesliga hinzu es sind 15.424 Spiele nach 50 Jahren Bundesliga gewesen so sieht man, dass es gerade mal 0,01 Prozent der Spiele waren, die auf diese Weise ein vorzeitiges Ende fanden.
Ebenso interessant ist, aber die Frage, ob all die aktiven Fußballer eher mehr Gewalt ausgesetzt sind als Nicht-Fußballer oder umgekehrt. 8 Millionen Mitglieder hat der DFB, bei denen aber nicht bekannt ist, wie viele davon aktiv sind. Dennoch dürften die wenigsten von ihnen Gewalterfahrungen im Fußball gemacht haben.
Hitzige Auseinandersetzungen und auch mal ein Foulspiel, das gehört zum jedem Sport dazu wie auch zum Fußball. Auf der Straße, in der Schule, wo die Regeln des Sports nicht gelten und selten eine Art Schiedsrichter anwesend ist, mag das anders aussehen. Klar ist in jedem Falle: Wer aktiv Sport treibt, verfolgt Ziele, respektiert auch im Fußball normalerweise seine Gegner und hat vor allem in dieser Zeit keinerlei Gelegenheiten, sich in anderen, weniger positiven Aktivitäten zu verlieren.
Ein interessantes Projekt zur Frage von Sport als Mittel der Gewaltprävention beschäftigt sich eingehend mit der Frage, inwieweit Sport ein wirksames Werkzeug ist, insbesondere Heranwachsende davon abzuhalten, sich in Gewaltaktivitäten zu engagieren. Hier wird auch dargelegt, dass Frustration als Motivation von Aggression abgebaut werden kann, wenn die entsprechenden Personen sich in anderen Aktivitäten engagieren, die zu einem größeren Reservoir an Handlungsmöglichkeiten zur Bewältigung von Aggression führen.
Klar ist jedenfalls im Kontext mit Fußball, dass all jene, welche aktiv in Vereinen tätig sind, weit weniger überhaupt Gewaltkontexten ausgesetzt sind, als jene, welche ihre Zeit mehrheitlich als passive Fußballanhänger verbringen. Dass körperliche Betätigung neben einer größeren Ausgeglichenheit auch viele weitere, vor allem gesundheitliche, eben auch psycho-soziale, Vorteile mit sich bringt, dürfte dabei unstrittig sein.