Ich bin sicher frei vom Verdacht übertriebener Political Correctness. Trotzdem finde ich die Idee, alte Mauerelemente als Wegweiser zu verwenden, seltsam. Klar, die Mauer ist schon länger ausrangiert, niemand muss mehr die Selbstschussanlagen fürchten, wenn er an ihr vorbei (oder drüberhinweg) möchte. Dieses Symbol eines totalitären Regimes nun aber lustig, in bunten Farben anzumalen und als Wegweiser für die „Freunde“, die zur WM bei uns zu Gast sein werden, zu verwenden, halte ich für keine gute Idee.
Ein Dokument der Zeitgeschichte wird verhohnepiepelt. Zwar ist es nicht das erste Mal, dass man mit Mauerelementen Werbung für irgendetwas davon weit Entferntes macht, es ist aber das erste Mal, dass es etwas mit Fußball zu tun hat.
Dümmliche Wortspiele mit der Mauer beim Freistoß während eines Fußballspiels erspare ich mir und sage stattdessen: Mit einer Einrichtung, die eine vierstellige Zahl an Menschen das Leben gekostet hat, die Sinnbild einer Diktatur ist, „Freunde“ begrüßen zu wollen, ist einfach ungeschickt.
Über die Zeit von 17 Jahren wurde der Begriff „Mauer“ endgültig von jeglichem Inhalt entkoppelt, mit dem er als Begriff überhaupt nur als Zusammenhang denkbar war. Das Signifikat „Mauer“ hat sich vom Signifikant „Regime/Todesstreifen“ gelöst und bezeichnet nun nur noch auf der Zeichenebene ein kontextloses Zeichen. Es ist kein weiter Schritt, dieses Zeichen nun zum „Wahrzeichen“ zu deklarieren und es als solches zu Represäntationszwecken ins Museum Fußball-WM zu stellen.
Ob es bei der WM in Frankreich 1998 Guillotinen auf dem Weg zum Prinzenpark in Paris gab, ist mir nicht bekannt. Nach der bestechenden Symbolversessenheit des WM-OK (oder wer sonst auf diese Idee kam) hätte es aber so sein müssen. Dass natürlich wieder einmal Pop-Art-Künstler sich nicht entblöden, da kreativ zu werden, wundert auch nicht mehr.