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Schlagwort: Hans-Dieter Flick

Deutschland — Ukraine 3:3 „Noch ’n tieferer Tiefpunkt“

Früher TM gab es hier mal zu jedem deutschen Länderspiel einen wie auch immer gearteten Text mit allerlei Beobachtungen und Gedanken zu der jeweiligen Partie. Das gibt es offensichtlich nicht mehr, weil die Redaktion gar nicht mehr jedes Länderspiel schaut, so belanglos ist die deutsche Nationalmannschaft geworden, der einst Oliver Bierhoff attestierte, die „vierte Macht im Land“ zu sein.

„Die Nationalmannschaft schafft einen sozialen Mehrwert für die Gesellschaft, indem sie integrierende Wirkung entfacht und für verbindende Gemeinschaftserlebnisse der Nation sorgt“, wurde da in einer vom DFB in Auftrag gegebenen Studie behauptet. Mag es zu jener Zeit, um 2014, so gewesen sein, sind davon nur noch ein paar nicht mal mehr vor sich hinglimmende Trümmer übrig geblieben. Was man daran erkennt, dass nicht nur im Umfeld dieser Redaktion sich niemand mehr für die Testspiele der Flick-Elf interessiert. Zum ersten Mal, seit diese Redaktion überhaupt Kenntnis von der Existenz einer Nationalmannschaft hatte – also seit 1981 – ging es an ihr vorüber, dass überhaupt ein Länderspiel angesetzt ist. Weshalb es auch, genauso wie alle sonstigen letzten Testspiele verpasst wurde, diesmal aber zusätzlich auch noch aus Unwissenheit und nicht als bewusste Entscheidung.

Ein echter Tiefpunkt für die Nationalmannschaft somit, wenn nicht mal mehr einst eingefleischte Anhänger von ihren Auftritten Kenntnis erlangen.

Wenn die Partie dann aber gar nicht verfolgt wurde, wieso wird dann darüber gebloggt? Abgesehen davon, dass 10-minütige Zusammenfassungen zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt natürlich immer noch konsumiert werden, weil die sich anschließende Berichterstattung Ausmaße eines sportlichen Zerfalls erahnen lässt, dass tatsächlich ein noch tieferer Tiefpunkt der DFB-Auswahl erreicht ist, als dies je zuvor der Fall war. Was vielleicht auch nicht verwundert, wenn man bei der Neuaufstellung nach der Demission des oben erwähnten Bierhoff so tief in die Mottenkiste greift, ausgerechnet den Urheber der Formulierung vom „noch ’n tieferer Tiefpunkt“ anno 2003, Rudi Völler, reaktiviert, der nun wirklich kein anderes Signal sein kann, als dass man einfach nicht in die Zukunft will, sondern immer noch in glorreichen Zeiten verhaftet ist, als man von wenigen Schwächephasen abgesehen per se stets zur Weltspitze zählte. (Auch, wenn Völlers tatsächliche Aufgabe lediglich sein mag, sein Gesicht in die Kamera zu halten, damit Druck von übrigen Akteuren zu nehmen, und seine Entscheidungsgewalt gleich Null ist – die Außenwirkung dieser Personalentscheidung bleibt dieselbe.)

Wo findet man sie, diese negative Berichterstattung? Zum Beispiel in den – seien sie auch noch so subjektiv und diskutabel, aber immerhin stellen sie eine nicht gänzlich unqualifizierte Bewertung dar – Kickernoten für die deutschen Spieler zur Partie gegen die Ukraine. Kurze Übersicht:

6,0

Nico Schlotterbeck
David Raum

5,0

Julian Brandt
Leroy Sané
Matthias Ginter
Leon Goretzka

4,5

Antonio Rüdiger

4,0

Joshua Kimmich
Niclas Füllkrug

3,5

Marius Wolf
Lukas Klostermann

3,0

Kevin Trapp

2,0

Kai Havertz

Quelle.

Wir fassen zusammen: die Hälfte der Feldspieler hätte die Versetzung ins nächste Schuljahr mit dieser Leistung nach Ansicht des Kickers nicht geschafft. Und tatsächlich haben sie ja auch bei zwei der drei letzten Turniere die Versetzung in die nächste Runde nicht geschafft.

Fast meint man, diese Durchschnittsnote von 4,35 könnte der tiefste Tiefpunkt aller Zeiten in Bezug auf die Kickernoten sein. Allerdings muss man nicht weit zurückblicken, um den wirklich tiefsten Tiefpunkt zu finden: das 0:6 gegen Spanien im November 2020.

Damals gab es siebenmal (!) die 6,0 und viermal die 5,5, einzig Torhüter Neuer erhielt eine 3,0. Macht eine Durchschnittsnote von 5,58. Also fast sechs. Das wird wohl nie mehr unterboten werden.

Dennoch war die Partie gegen die Ukraine ein weiterer Tiefpunkt, obwohl sie nicht einmal verloren wurde, sondern Remis endete.

Jan Christian Müller schreibt in der FR von einem „Offenbarungseid“ und „auf diesem Anspruchsniveau unfassbarer Stümperei“. Oliver Fritsch bezeichnet manche Aktion der Deutschen in dieser Partie als geeignet, einen „fassungslos“ zu machen. Und trotz aller Aufbruchsbemühungen Flicks nach dem Ausscheiden bei der WM sehe man: „Nichts wird besser, eher schlechter.“

Und noch schlechter als aktuell geht doch eigentlich gar nicht, oder? Von den letzten vierzehn Partien hat die DFB-Elf kümmerliche vier (eine davon mit 1:0 gegen den Oman) für sich entschieden, stattdessen gegen Japan und Ungarn verloren.

Was dazu verleitet, doch heute tatsächlich mal wieder das Testspiel der Nationalmannschaft gegen Polen in voller Länge zu verfolgen. Nicht als Unfallgucker, sich hämisch am Scheitern Ergötzender, der noch 2014 nach dem WM-Gewinn auf den Tischen getanzt hat. Sondern aus Neugier, wie tief der gegenwärtige Tiefpunkt der DFB-Elf eigentlich ist. Und ob Hans-Dieter Flick die EM 2024 noch als Bundestrainer erleben wird. Und schönes Wetter herrscht ja auch, anders als bei der Nationalmannschaft, die dieses in Form von Verlässlichkeit laut JCM „schon seit fünf Jahren“ nicht mehr biete.

Tatsache, das Aus gegen Südkorea – als damals amtierender Weltmeister – ist schon fünf Jahre her.

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Was Liza & Uli & Jupp & Mehmet wissen — und Robbéry nicht

Letztens war es wohl 40 Jahre her, dass Franz Beckenbauer nach seiner Zeit bei Cosmos New York sein Comeback in der Bundesliga gab. Bekanntlich geschah dies für den Hamburger SV, nicht für seinen Heimatclub FC Bayern München. Anderthalb Jahre blieb er an der Alster, war allerdings oft verletzt. Immerhin 28 Einsätze wurden es dann unter Manager Günter Netzer, darunter auch exakt einer gegen jenen FC Bayern München, den er zuvor stark geprägt hatte und hinterher noch ebenso prägen würde.

4:1 gewann sein Hamburger SV damals, nachdem er im heimischen Volksparkstadion zunächst mit 0:1 zurücklag, als Franz Beckenbauer gegen so Spieler wie Klaus Augenthaler, Karl-Heinz Rummenigge und andere antrat.

Franz Beckenbauer

31.10.1981 Hamburger SV - FC Bayern München 4:1

Das inspiriert, doch gleich einmal zu schauen, wie die übrigen Granden der Vereinsgeschichte sich in den Partien gegen den FC Bayern schlugen, wenn sie diesen einmal verlassen hatten – oder noch nicht da waren. Da gibt es doch einiges zu berichten. (Unterschiedliche Detailtiefe beim Spieldatum ist phlegmabedingt unterschiedlich. Und Supercup und Ligapokal bleiben wie immer auf dieser Seite unberücksichtigt. Nur Spiele als Spieler sind gelistet, sonst wäre es bei Rehhagel und Heynckes dann doch sehr ausgeufert.)

Zum Titel also: All die folgenden Spieler wissen, wie es ist, gegen den großen FC Bayern zu verlieren und manche auch, wie es ist, zu gewinnen. In jedem Fall kennen sie aber das Gefühl, gegen diesen meist als stärker eingeschätzten Gegner aufzulaufen – Arjen Robben und Franck Ribéry hingegen (noch) nicht.

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