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Ein Tag im Deutschen Fußballmuseum

Das Kaffeeservice.

Mitten im Zentrum von Dortmund, direkt vor dem Hauptbahnhof, steht ein angeschrägter, überdimensionierter Schuhkarton. Darin befindet sich das vor Kurzem eröffnete Deutsche Fußballmuseum. Während man in England die Fans des dortigen Fußballs kostenlos die im Falle der Nationalmannschaft zugegebenermaßen deutlich wenigeren Trophäen bestaunen lässt, muss man in Dortmund so viele Euro berappen, wie eine Halbserie in der Bundesliga Spieltage hat: 17 Euro kostet der Eintritt für einen Erwachsenen. Ein äußerst stolzer Preis für ein Museum. So viel kostet nicht mal das Deutsche Museum in München (11 Euro) oder das Louvre in Paris (15 Euro) und Mona Lisa gibt es in Dortmund definitiv nicht zu sehen.

Dafür allerdings über 1.600 Exponate, zudem viel Multimediales und reichlich Informationen. So reichlich, dass die an diesem Tag eingeplanten vier Stunden nicht ausreichten, alles zu erfassen, alle Videos zu sehen und alle ausliegenden weiterführenden Informationen zu ergründen. Wer beabsichtigt, diesem Schuhkarton einen Besuch abzustatten und ernsthaft an allen Inhalten interessiert ist, sollte also sicher eher sechs Stunden und vielleicht sogar noch mehr kalkulieren. Immerhin, für die stolzen 17 Euro bekommt man so also auch sehr dichte Inhalte geboten, wenn man sich denn an den einzelnen Stationen auf diese in aller Tiefe einlässt.

Zunächst muss man beim Einlass aber alle Taschen und auch Jacken (!) abgeben dazu später noch mehr bevor man das Museum nach Kauf einer Eintrittskarte betritt. Diese sollte man schlauerweise ohnehin schon vorher im Internet erworben haben. Das ist erstens etwas günstiger und zweitens ermöglicht es die kostenlose An- und Abreise innerhalb des VRR, was angesichts der Lage des Museums nur wenige Meter vom Dortmunder Hauptbahnhof entfernt ratsam und je nach Distanz dann auch deutlich günstiger ist.

Man beginnt in der oberen Etage der beiden mit Ausstellung belegten Stockwerke. Im Erdgeschoss befinden sich ein Café, ein Geschäft für Sportkleidung und ein kleiner Hallenfußballplatz. Die oberste und erste zu durchschreitende der beiden Etagen ist völlig der deutschen Nationalmannschaft sowie der Entwicklung des DFB gewidmet. Die zweitere dann den Bundesligen sowie den Europapokalen und den Fans des Fußballs.

Als Erstes wird man von 11 Herren in Lebensgröße begrüßt. Es sind jene Elf na, wer kann sie aus dem Gedächtnis alle aufsagen, die Klasse?, die Klasse? welche das Wunder von Bern erreichten, ob nun mit Hilfe von Panzerschokolade oder ohne, wurde nicht diskutiert. Dafür gibts als Aperitif schon mal schöne Devotionalien aller elf Spieler im Zusammenhang mit der WM 1954. Nebenan wird eine Zusammenfassung des Finales in einem Fernseher aus jenem Jahr gezeigt. O Schreck, O Graus es gab nicht nur das Abseitstor von Ferenc Puszkas noch nach dem 3:2 von Helmut Rahn, in der ersten Halbzeit trafen die Ungarn auch einmal per Weitschuss den Innenpfosten. Toni Turek war also nicht nur ein Teufelskerl, er war sogar mit diesem im Bunde. Ein Termin in den Weihnachtsferien sorgt dann auch dafür, dass man sich vor diesem Fernseher fühlt wie original 1954, weil 20 andere Besucher mitschauen. Man hatte ja damals nix, versammelte sich vor den Fernsehern der TV-Händler oder jenen wenigen in Kneipen. Die halbe Nation hat ja damals hinter dem Fernseher gestanden. So ähnlich auch an dieser Station.

Weiter geht es ja nach Lust und Gust mit den verschiedenen Stationen rund um den DFB, als da im 2. Stock zu finden wären: Eine Extra-Sektion für den DDR-Fußball sowie den Frauenfußball (siehe Bild) sowie eine eigene Nische zur Verfolgung Vernichtung jüdischer Fußballer im Dritten Reich. Sehr lobenswert, dass dieses dunkle Kapitel, in dem der DFB sich bekanntlich selbst aufgelöst und Teil des xy geworden war, nicht nur nicht ausgespart, sondern auch mit aller Härte des Umfangs und der Tragik der Ereignisse dargestellt wird.

Ansonsten hangelt man sich an der einen Seite des Raumes chronologisch entlang der wichtigsten Entwicklungen im DFB, des Fußballs in Deutschland und der Nationalmannschaft, alles jeweils garniert mit zahlreichen Exponanten, die diese Entwicklung – quasi – greifbar machen. Anfassen ist zwar verboten, Filmen auch, aber Fotografieren nicht. Dennoch belassen wir es hier bei dem Königinnen-Ausstellungsstück aus der Rubrik zum Frauenfußball: Das Kaffeeservice, dass die deutschen Fußballfrauen nach Gewinn der Europameisterschaft 1989 vom DFB erhielten. „Villeroy & Bosch immerhin“, mag der eine oder die andere denken. Dabei sollte man aber nicht übersehen, dass es nur 1-B-Ware war, die der DFB seinen Europameisterinnen gegönnt hatte.

In der Musikecke hört man alle Songs, die die Nationalmannschaft zu den diversen WM eingespielt hat, inklusive Video und der der dazugehörigen Goldenen Schallplatten. Für alle, die youtube bedienen können, nichts Neues oder aber auch gerne auszulassen und zu Hause nachzuholen. In der Mitte des Nationalmannschaftsraumes thront eine doppelseitig als Ausstellungsregal zu nutzende 5. Eine Fünf? Ja, eine Fünf! Eine Fünf? Pscchhhtt, ja eine FÜNF!

Eine Fünf? Was könnte das bedeuten? Nun, welcher deutsche große Fußballer trug denn fast immer die 5 auf dem Rücken, in der Nationalmannschaft, bei seinem WM-Titel und auch in der Bundesliga? Die einstige Lichtgestalt, kürzlich vom Kicker als „Schattenmann“ tituliert, besitzt Franz Beckenbauer zumindest im Deutschen Fußballmuseum noch die Wertigkeit, die er vor Jahresfrist auch noch im sonstigen Fußballdeutschland hatte, ehe er durch Skandale und Unaufrichtigkeiten sein Denkmal selbst zerstörte. Wie gesagt, zumindest im Museum steht es noch, als überdimensionale Fünf, die alle Stationen seiner Karrriere in Verein und Nationalmannschaft beleuchtet, immer wieder mit Devotionalien, Magazintitelseiten oder Trikots und Ähnlichem illustriert.

Außerdem hier noch vorhanden: Ein eher misslungenes Modell des Olympiastadions von Rom, bei dem man auf Knopfdruck (wie an so vielen Stationen) verschiedene Videos des Titelgewinns von 1990 abspielen kann. Rubi und Rummennigge in ihrem Element inklusive, versteht sich. Klingt das alles so, als sei man hier schnell durchgehuscht, hat man nach zwei Stunden immer noch nicht alles in aller Tiefe ab- und aufgerufen, sei es bei weiteren Videostationen oder den vielen Details zur Entwicklung des Fußballs in Deutschland. Eingerahmt wird das alles von zwei recht großen Videowänden, auf denen immer wieder besondere Momente der Nationalmannschaft eingespielt werden. Nicht allein die Titelgewinne, sondern auch Klaus Fischers Fallrückzieher 1982 gegen Frankreich, weiter unten im Musem kann man sogar auf einer Installation Fallrückzieher fotogerecht nachspielen. Dazu eine ausführliche Zeittafel des Verlaufs des Jahrhundertspiels, eine Darstellung von Gerd Müllers Siegtor gegen die Niederlande, wobei gerade dieses raumgreifende Werk eher wenig aussagekräftig ist, aber auch mehr oder weniger als einziges Gegenüber den sonstigen Darstellungsformen abfällt.

Von der WM 2006 im eigenen Land findet man das handschriftlich verfasste Tagebuch von Christoph Metzelder, mit allerlei Pathosgedröhns darin, wie man es von einem Burschenschaftler nicht anders erwartet, dazu aber auch die deutlich knapperen Ausführungen von Jürgen Klinsmann. Zur WM 2014 findet man den kompletten Trainingsplan des Teams über das gesamte Turnier hinweg als großes Plakat, bei dem die Authentizität von Experten eventuell in Zweifel gezogen würde, wenn man nicht darauf vertraute, dass man für 17 Euro sicher nicht für doof verkauft wird.

Den Zwischenbereich vom 2. in den 1. Stock macht ein kleines Kino aus, in dem alle paar Minuten eine Vorführung der Kröung der Ausstellung gezeigt wird. Ein in Pseudo-3-D gehaltener Rückblick auf die vier WM-Gewinne der deutschen Nationalmannschaft. Moderiert von den Laienpredigern Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Mats Hummels, Manuel Neuer, Toni Kroos und Christoph Kramer in so unendlich schlechter Manier, dass man es fast schon wieder trashig schön finden kann. Inhaltlich gibt es hier aber nichts zu sehen, wenn man nicht die letzten 20 Jahre ohne Fernseher, Internet, Freunde, Zeitung oder Kekse gelebt hat. Einfach ein paar Highlights zu den Titelgewinnen. Könnte man sich sparen, wenn nicht die Darbietung der Nationalspieler so hölzern wirkte, dass man fast Lust bekommt, daraus ein Lagerfeuer zu entzünden und fußball-like Bratwurst darüber zu grillen.

Im zweiten Teil geht es also weiter mit der Bundesliga. Wobei man konkreter sagen muss: Mit der Bundesliga und mit der Zeitrschrift Kicker. Die hat zusammen mit den Experten Jupp Heynckes, Otto Rehhagel und Ottmar Hitzfeld für jede der bisherigen fünf Dekaden der Bundesligehistorie eine „Mannschaft der Dekade“ ausgewählt, welche an diversen Schautafeln präsentiert wird. Der multimediale Teil ermöglich hier das Abrufen zahlloser Videos für jedes Jahrzehnt, den Blick auf die „Ewige Tabelle“ dieser Dekaden, die Torschützen, man kann hier in Informationen ertrinken, wenn man will. Im Stöbern störben, wenn man denn schon zur Öffnung am Morgen eines Tages im Museum erschienen ist. Sehr löblich, aber an einem Tag wohl kaum zu schaffen.

Mehr oder minder interaktive Stationen gibt es auch: Ganz zu Beginn darf man Lückentexte von Zitaten von Sepp Herberger ausfüllen, weiter hinten kann man ein klassisches Fußballquiz mit bis zu drei Spielern durchführen.

Am Ende führt der Weg zur Garderobe übrigens gezwungermaßen durch den Shop eines Sportausrüsters, es gibt keine anderen Weg aus den Ausstellungsräumen dorthin, wo man seine Jacke ja abgeben musste. Sicher nur ein dummer Fehler bei der Planung eines ansonsten, man mag es mir Nörgler kaum glauben, rundum gelungenen Museums, das einzig eins völlig ausspart:

Den Fußball. Also den Fußball, den Du und ich so spielen, aus der Kreisklasse, den Freizeitfußball oder jenen auf der Straße, findet man leider überhaupt nicht. Natürlich findet man keinen Straßenfußball in einem Museum des DFB, aber zumindest die ganz kleinen Amateure hätte man vielleicht symbolisch noch unterbringen können. Das sind schließlich die, die in Massen in den Schuhkarton strömen und mit ihren 17 Euro Eintritt den Betrieb dessen erst finanzieren.

Schlusswertung

Trotz dieser auffälligen Lücke in der Darstellung des Wirkens des DFB, bei der knapp 6,750 Millionen von 6,8 Millionen Mitgliedern des DFB gar nicht stattfinden, gibt es von mir 3,5 von 5 möglichen Weltpokalen als Schlusswertung für das Museum. Und weil es nichts Bescheuerteres gibt als bei einer zur Verfügung stehenden Auswahl von 5 Weltpokalen halbe Weltpokale zu vergeben, tendiere ich hier eher zu 4 Weltpokalen als zu deren 3 als Wertung. Nur: Wer sich dorthin aufmacht und wirklich Interesse an den vielen Details mitbringt, sollte lieber einen ganzen als einen halben Tag für das Deutsche Fußballmuseum einplanen. Wird man ganz sicher nicht bereuen, wenn man fußballinteressiert ist. Und so abgrundtief schlecht das in der Mitte des Bauwerks kredenzte Video ist, so gelungen sind die anderen beiden Themenbereiche. Klar, keine Mona Lisa dabei, aber neben all den anderen Original-Exponaten vor allem: das Kaffeeservice!

2 Kommentare

  1. Dortmunder Marc Dortmunder Marc

    Sehr cool! Da MUSS ich unbedingt mal hin!

  2. […] PS: Wie es ohne Sonderausstellung im Deutschen Fußballmuseum aussieht, wurde hier 2017 umfangreich beschrieben. […]

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