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Rivalität plus Rituale gleich Gruppenidentität

Hier ein Fundstück als Longread für den Feiertag. Ich hab’s noch nicht durch, deshalb weiß ich noch nicht, ob es lesenswert ist, aber es greift genau jenes Thema auf, welches mir trotz größtem Interesse so wenig in den Kopf will. Die vermaledeite Rivalität im Fußball und zwar jene der Fans, nicht die der Aktiven auf dem Platz .

Eine Masterarbeit mit dem Titel „Rituale und Rivalität zur Stärkung der Gruppenidentität“, Details anhand der Rivalität zwischen Rapid Wien und Austria Wien erörtert, bereitgestellt von der Akademie für Fußballkultur.

Klingt, als sollte man da unbedingt mal eintauchen. Bis später!

[Update] Für einen ersten Überblick reichen die drei Seiten des Fazits. Und dieses ist niederschmetternd, falls es so zutrifft. Es geht in der Rivalität tatsächlich darum, die eigenen Reihen zusammenzuschweißen und sich seiner „Identität“ noch stärker bewusst zu werden, was besonders gut in Abgrenzung zum Rivalen funktioniert. Uneinigkeit in den eigenen Reihen wird marginalisiert und die Stilisierung des Gegners zum Bösen macht vermeintlich ebenso klar, dass man selbst auf der guten Seite steht.

Nie-der-schmet-ternd! Bin noch nie zum Fußball gegangen, um mir irgendeine Identität überzustülpen und schon gar nicht, um eine solche Identität mit irgendwelchen dahergelaufenen Fuzzis, deren einzige Gemeinsamkeit mit mir das Anhängertum zu einem Fußballclub ist, teilen zu wollen.

Es bleibt nicht nur dabei, die Befürchtung wird sogar noch extrem verstärkt: Wer diesen ganzen Rivalitätsquatsch mitmacht, dem geht es nicht um den Fußballsport auf dem Platz, sondern um seine eigene Identität. Was in Teilen die Vehemenz erklärt, mit der diese Rivalität betrieben werden muss. Weil ein Wegfall dieser das Ich in seiner erdachten Konstruktion gefährdet. Angst vor dem (sozialen) Tod also.

Okay, ich verstehe ein bisschen mehr, aber kann noch weniger nachvollziehen. Offensichtlich dem Menschen immanent, ein solches Bedürfnis, sonst würde es ja nicht (auch in außersportlichen Kontexten) ständig überall aufploppen, und dennoch eines denkenden Menschen nicht würdig. Dagegen anzuschreiben bedeutete aber wohl etwas zu sehr gegen Windmühlen zu schreiben.

14 Kommentare

  1. Stefan Stefan

    Ohne die Arbeit gelesen zu haben, denke ich dass das sehr schlüssig ist. Habe grade meine BA-Arbeit über Rechtspopulismus in Europa geschrieben und dort ebenfalls diese Prinzipien beschrieben.
    Durch die klare Abgrenzung des „Wir“ und die „Anderen“ (Politiker, Ausländer etc.) versucht man seine eigene Identität zu stärken oder zu festigen.
    Vor allem einer globalisierten und nach Ulrich Beck auch immer individualisierteren Welt, wird es immer schwieriger sich einzelnen sozialen Gruppen zuzuordnen. Durch die Übersteigerung von einzelnen Merkmalen, z.B. die Anhängerschaft zu einem bestimmten Verein, findet man so ein neues soziales „Zuhause“.
    Aber jede Gruppendefintion beinhaltet eben auch, dass jemand außerhalb dieser Gruppe sein muss und das führt dann häufig zu Problemen.

    Interessant wäre jetzt tatsächlich zu untersuchen (oder evtl. steht es ja schon in der Arbeit drin) ob das Fan-Sein tatsächlich aufgrund von Verlustängsten mit er Zeit radikaler geworden ist.

  2. netzberg netzberg

    Stefans letzter Absatz ist Humbug, Trainers drittletzter Absatz auch. – Ihr seid die Ausnahmen, oder was? Von der Massen- und Vereinsregel?

  3. jomo jomo

    Da brauche ich Beck nicht. Lese Macht und Masse von Canetti oder Krisenjahre der Moderne über die Weimarer Republik von Peukert. Es steht auch so bei Wenskus über die Identität von Stammesgesellschaften und den Prozess der Ethnogenese. Die hier ausgeführte Verwunderung überrascht dann doch.

  4. Mein Erstaunen ist nicht jenes darüber, wie dieser Vorgang funktioniert, sondern dass sich so viele erwachsene Menschen einer solchen Identitätskrücke bedienen müssen, um sich selbst zu definieren und sich gleichsam auch irgendeine Form von Bedeutung zu verleihen. Zumal den meisten ja nicht nur oberflächlich bewusst ist, dass diese Identität mittels Fansein eines Vereins für den Augenblick und diesen Lebensbereich definiert wird – und in anderen keine Gültigkeit erlangen kann.

    Aber vielleicht überschätze ich auch einfach nur stark das Durchschnittsalter jener Fans, die die Rivalitäten so exzessiv leben.

  5. Mir als ehemals Nebenfachsoziologen ist die Erkenntnis aber auch nicht ganz fremd, dass soziale Gruppen ihre Inklusion durch die Exklusion von Nicht-Gruppenmitgliedern sicherstellen (mal so ganz platt im Küchensoziologisch gesagt). Das Wir einer Gruppe ist verdammt leicht über die Definition des „Die sind nicht Wir“ erreicht. Das ist nicht erschöpfend und allumfassend gemeint, aber ein guter Startpunkt (hoffe ich).

  6. netzberg netzberg

    Ich denke, die angeführte Masterarbeit sagt nicht viel Neues, vielmehr sehr gut Bekanntes am Beispiel eines neuen Terrains. Die alte kritische Theorie von Horkheimer, Adorno, Neumann oder Löwenthal weiß zu Gruppe, Ausschluß, Identitätsnotwendigkeit und Massengesellschaft viel zu sagen. Auch Zustimmung zu jomos Lesetips. – Außerhalb des Spielfeldes: Beatles vs Stones, Warsteiner vs Radeberger, VW vs Opel usw. Im Prinzip alles ‚Identitätsbrücken‘ (Trainer Baade) auch. -
    Und: Niemand kann sich darüber erheben, weil notwendig alle drinstecken. Jede Entscheidung ist auch eine gegen etwas anderes. Und natürlich jede Vereinsanhängerschaft – wie intensiv auch immer – vorneweg. Im Sinne von: Nur für diesen Verein!

  7. Stefan Stefan

    ich habe ja nur Beck als einen Denker aufgeführt. Mir ist schon bewusst, dass das Feld Identität nicht nur durch den beackert wurde ;)

    Und wo ich mich als Ausnahme von der Regel dargestellt hab, ist mir nicht so ganz schlüssig.
    Habe mal angefangen die Arbeit zu lesen, neu ist das sicher nicht. Aber es ist auch „nur“ eine Masterarbeit außerdem ist den Spezialisten hier ja wohl bewusst, dass es in der Soziologie selten noch was völlig neues gibt :-P

  8. netzberg netzberg

    Mit dem Alter hat das gar nichts zu tun, und Ausnahmen sind wir alle – alle – nicht. Schlußendlich hier meinen Ärger über einen grottenschlechten Artikel des Trainers:

    Stichworte zum ‚Mittendrin statt nur dabei‘:
    Agon – Sport – Kampfbahn – Sportfeld – Arena – Derby – Nachbarschaftsduell – Farben – Fahnen – Zeichen – Erkennbarkeit – Einhegen von Rivalität auf das konsens- und regelkonstruierte Spielfeld – Abwehr – Angriff – Schuß – Ladehemmung – Technik – … und
    der Schiri ist der unparteiische Fußballgott (?)

    Und: Wenn es überhaupt so etwas wie eine Identität gibt, dann sage ich (mit Adorno): bloß eine kürzeste ‚Augenblicksidentität‘. Und die ist vornehmlich eben gerade n e b e n dem Fußballplatz die ganz falsche, nicht im Stadion der Liebe. – Alles andere ist scheinbare sogar noch objektivierte ‚Erkenntnis‘ als negativer Elitarismus bzw. positiv-analog grade zur im Fußball gegebenen Idolatrie. – Kurz: Ich habe mich sehr geärgert über diesen Quark.

    Und nun? Weitermachen!

  9. „Humbug“, „grottenschlecht“ und „Quark“, das ist hier auch mein Vokabular, wenn ich anderer Leuts Ansichten angreife. Merke aber gerade, wie diffus das beim Adressaten ankommt, wenn man nicht genau aufdröselt, was man eigentlich als Humbug und Quark bezeichnet bzw. in der Erläuterung dessen unverständlich bleibt, weil man zu viel voraussetzt.

  10. […] „Trainer Baade“ wird dieses Mal wissenschaftlich und hat sich ein wenig mit der Frage nach dem Sinn von Ritualen und Rivalitäten im Fußball beschäftigt. […]

  11. Manfred Manfred

    Zumal ich nicht verstehe, was an Grotten so schlecht sein soll^^.

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