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Schon wieder gebrochene Beine?

Auch wenn ich grundsätzlich die Auffassung teile, dass es diskriminierend ist, bestimmte Subgruppen der Bevölkerung von Scherzen auszuschließen, besitzen bissige Scherze fürweilen eine andere, geringere Dimension, als das, was Menschen mit Depressionen zusätzlich zur ohnehin schon fürchterlichen Lage zu überstehen haben.

Der Vergleich mit dem gebrochenen Bein ist so ausgelutscht wie dennoch zutreffend. Über ein gebrochenes Bein würde man auch Witze machen, man würde aber nicht erwarten, dass das Bein von den Witzen oder auch nur dem Bein klug Zureden heilt. Wiewohl man mit den Witzen auch nicht die Absicht hat, jemanden zu heilen, sondern ihn auszugrenzen und seinen Willen bzw. mangelnden Willen, gerne auch fälschlicherweise als Charakter bezeichnet, dafür verantwortlich zu machen. Für sein Leid als auch für die deshalb auf obskurem evolutorischem Wege von vielen so empfundene verdiente Ausgrenzung.

So lange diese Witze noch vorherrschen, sollte nicht nur Deisler, sondern jeder Mensch mit Depressionen Bücher schreiben und diese in großem Umfang bewerben, egal, wie viel Kohle er damit noch nebenbei macht oder ob es für Außenstehende widersprüchlich ist, dass man das, was man damit wieder betritt, für co-ursächlich für die Problematik hält.

Je nachdem, welche Statistik man heranzieht, trifft es zwischen einem Drittel und einem Achtel der Bevölkerung auf Lebenszeitvalenz gesehen. Also auch Du könntest Dich dann mal zusammenraffen. Zusammenraffen nämlich, der Depression in ihrer Antriebs- und Teilnahmslosigkeit wenigstens in Bezug auf die klugschwätzende Umwelt etwas Positives abgewinnen zu können.

10 Kommentare

  1. Leider hat Herr Deisler weder ein Buch geschrieben – sondern ein Journalist für ihn –, noch ist es ein Buch über Depressionen.
    Es ist eine Art Abrechnung, die den zigtausenden an Depressionen erkrankten Menschen in diesem Land leider einen großartigen Dienst verwehrt: Nämlich die Volkskrankheit Depression dank der Popularität eines Herrn Deisler ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken und damit für mehr Verständnis zu sorgen. Die Chance war riesig, aber er hat sie nicht genutzt – passt irgendwie zu seiner Vitae.

  2. Warum muss einer in seinem Buch „die Volkskrankheit Depression…ins Licht der Öffentlichkeit“ rücken, wenn er depressiv ist? Reicht es nicht, ihn bei der Anstrengung zu erleben, mit ihr umzugehen? Und warum wird das gleich als nicht genutzte Chance eingestuft, wenn er es nicht tut? Seit wann ist das ein Kriterium für die Relevanz eines Buches? Uwe Johnson hat auch nicht über seine Depressionen geschrieben. Und der war ein Mann mit Nobelpreis-Qualitäten. Warum darf Deisler (zusammen mit einem Journalisten oder wem auch immer) nicht einfach ein Buch schreiben? Und warum darf er rund um die Veröffentlichung über sein Leben reden? Warum dürfen absolute geistige Leichtgewichte wie Franz Beckenbauer jeden Kanal vollquatschen und permanent nichts sagen? Was für ein Maßstab wird da angelegt? Was für Ansprüche werden da gestellt? Ich fürchte mich vor dieser Anti-Deisler-Kampagne, die auch noch bar jeden Humors daher kommt. Okay, es gibt Leute, die mögen ihn nicht. Die haben ihn noch nie gemocht. Und jetzt mögen sie ihn noch weniger. Das kommt vor. Aber damit sollte es auch gut sein.

  3. [Edit]…rund um die Veröffentlichung NICHT über sein Buch reden…

  4. Deisler hat niemandem „einen großartigen Dienst“ verwehrt, er hat einfach nur das gemacht, was er für richtig hält. Wer meint, dass er wegen seiner Krankheit eine wie auch immer geartete Verpflichtung hätte, zur Aufklärung über diese Krankheit beizutragen, ein Buch zu schreiben (und dann bitte auch nur über seine Depression) oder als Promi-Botschafter für diese Krankheit zu dienen, verwehrt ihm das Recht darauf, machen zu wollen, was er will. Das Recht hat Deisler aber. Wie jeder andere auch.

    Und von wegen „Chance nicht nutzen“. Deisler hat mit Sicherheit schon vor der Buchveröffentlichung viel zur Aufklärung über diese Volkskrankheit getan. Einfach, weil er eines der prominentesten Beispiele für einen Betroffenen ist und damals und heute, auch wegen der Buchveröffentlichung, über ihn und seine Krankheit berichtet wurde und wird. Ihm abzuverlangen, dass er jetzt bitte schön diese Geschichte – und nur diese – selbst weiter ausbreitet und damit anderen als den eigenen oder überhaupt irgendwelchen Erwartungen zu entsprechen habe, halte ich für verfehlt.

    Ihm dann noch im letzten Satz zu bescheinigen, er habe (mit dem Verweigern externer Erwartungen) „passend zu seiner Vita“ gehandelt, ist mindestens schlechter Stil und ein Nachtreten, das nicht angebracht ist. Deislers fußballerische Geschichte endete mit Sicherheit eher tragisch, übrigens nicht nur wegen seiner Krankheit, sondern auch wegen seiner vielen Verletzungen. Ihm aber zusätzlich vorzuwerfen, er habe auch auf anderen Ebenen versagt, zum Beispiel als Gallionsfigur der Depressiven, ist einfach unfair.

  5. sternburg sternburg

    So viele Zeilen von klugen Menschen sinnlos vergeudet. Diese geistige Anstrengung hätte doch auch dort stattfinden können, wo der Idiotenanteil höher ist, statt hier weitgehend offene Türen einzurennen.
    Hier wurde „eine Chance nicht genutzt“.

  6. Déjà vu, sternburg. Irgendwie komisch: du bist offenbar regelmäßiger Blogleser, hältst dafür aber Diskussionen in Blogs gerne mal für „sinnlos vergeudet“ (hier) oder ersatzweise für „verschleudert“ (s.o.). Da kommen deine schönen, aber leicht vergifteten Komplimente gar nicht so richtig zur Geltung.

    Du kannst doch das Internet bedienen, oder? Wenn du also eine Stelle weißt, wo der Idiotenanteil höher ist als hier, darfste gerne die Diskussion dorthin verlagern und ggf. hierauf verweisen. Bis zum Beweis des Gegenteils halte ich den hiesigen Idiotenanteil aber nicht für geringer als anderswo, Dummschwätzer gibt es überall.

  7. sternburg sternburg

    Ähm, probek, du hast natürlich völlig Recht. Ich war wohl gerade etwas frustriert von den Umgangsformen in einem ehemals von mir sehr geschätzten Vereinsforum, in der ich mir derzeit mehr von dem, was man hier liest, wünschen würde.
    Seit Gott das Kopieren und den Hyperlink erfunden hat, ist dies so natürlich Unfug.

    Nochmal zu damals (hast du den letzten Kommentar eigentlich gesehen?): Vorweg, _ich_ hatte das ganze längst vergessen und wurde nur durch dich daran erinnert. Habe mir dann von dir das ganze daraufhin gerade nochmal angesehen, und muss feststellen, das mein Kommentar damals tatsächlich blöde formuliert und wohl auch verletzend war.
    Er war aber nicht so gemeint (btw: eine der blödesten Formulierungen überhaupt). Das möchte ich doch nochmal klarstellen. Gemeint war auschließlich, dass es angesichts Kais sowieso enormen Outputs mich immer wieder baff erstaunt, was der sonst noch irgendwo verzapft. Dass es also die Geltungssucht wohl _auch_ nicht ist, die diesen Mann antreibt. mehr war da nicht.

    Wenn du meine damalige Bitte um Entschuldigung zu akzeptieren bereit wärst, fände ich das also schön.

  8. Felix K Felix K

    Volle Zustimmung; und das jetzt nicht nur, weil mich meine gesamte Jugend nur Fußballspielen interessiert hat, weil Sebastian Deisler irgendwann mein Vorbild war, weil ich dann wegen Knieverletzungen sechs Jahre darauf konzentriert war wieder spielen zu können und es dann doch aufgeben musste, weil ich unter anderem im Zuge dieser Situation dann irgendwann depressiv geworden bin. Auch, aber nicht nur, deswegen und weil ich deswegen das Buch natürlich sehr spannend finde. Aber vor allem, weil so wahnsinnig viele Leute nach wie vor nichts mit Depressionen anfangen und damit umgehen können und es einfach gut tut, wenn sich mal eine öffentliche Person traut, das zu thematisieren, so wie Deisler das getan hat. Nun beschäftigt sich das Buch nicht wirklich explizit mit der Krankheit und versucht sie zu erklären, aber es wird durchaus stellenweise eine ganz gute Beschreibung dessen gegeben, wie man das Leben empfindet wenn man so anders auf alles schaut.

  9. Sternburg, no hard feelings, oder wie das auf Deutsch heißt. Nichts für ungut? Dein heutiger Kommentar hat mich nur an den damaligen erinnert, mehr nicht. Eine Entschuldigung für die damalige Geschichte wäre eigentlich nicht nötig, so empfindlich bin ich nicht. Anders gesagt: selbstverständlich nehme ich die Entschuldigung an, halte das Procedere aber fast für übertrieben. Ich kann das schon ab. Und wo bliebe sonst der Spaß an der argumentativen Konfrontation?

  10. Ein Frage habe ich aber nun auch (nach all der Suggestiv-Fragerei) … Warum bringt er denn dieses Buch raus? Die Motivation muss mir mal einer erklären.

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