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Schlagwort: Choreographie

Österrichs – Gary Linekers Freunde 1:2

„… und schon gar nicht von Österreich!“ — hatte zwar niemand gesagt, erst Recht nicht wie einst durch die Kabine gebrüllt. Offensichtlich dachte aber die Mehrzahl der deutschen Spieler so. Als ob gegen Österreich ohnehin nichts anbrennen könne.

Anders wäre nicht zu erklären, warum die deutsche Mannschaft dann doch wieder ein Phänomen von den Toten auferstehen lassen musste, welches man schon lange beerdigt glaubte. Und welches nebenbei erwähnt ebenso lange dafür verantwortlich war, wieso man im europäischen Fußball den Deutschen jeden erdenklichen Misserfolg gönnte. Nach langer Zeit musste mal wieder ein „tyskmål“ her, wie die Norweger ein Tor nennen, das nach 90 Minuten einen unverdienten Sieg beschert, weil man plötzlich wie aus dem Nichts ein Tor erzielt. Und nichts, das war es, was die deutsche Mannschaft insbesondere in der zweiten Halbzeit aufs Feld zu werfen hatte.

Sie konnten einem dann fast schon leid tun, die Österreicher, wie sie Angriff um Angriff aufs deutsche Tor rollen ließen, und man dennoch ahnte, dass heute einer dieser Tage sein würde, die man früher noch jedes Mal benötigt hatte, als die Achse Jeremies-Nowotny sich von unverdientem Sieg zum unverdientem Sieg rumpelte und die eigenen Tore einem gewissen sehr jungen Miroslav Klose zu verdanken hatte.

Begeistert hatten sie in ihrem EM-Final-Stadion, von diesem Trauma sprach übrigens komischerweise niemand, alle Augen auf Gomez‘ Geschichte, die Fahnen geschwenkt, rot-weiß-rot, wie man es heute gar nicht mehr anders kennt. Die Fahnenindustrie muss den Ultras sehr dankbar sein, dass man heutzutage schon zu jedem Popels-Qualifikationsspiel Fahnen in 50.000-facher Ausführung bestellt, nur um zwei Minuten damit rumzuwedeln und sie dann in den Orkus zu werfen. Nachhaltig ist das nicht gerade.

Wie auch das Strohfeuer der österreichischen Angriffsbemühungen wenig nachhaltig war. Sie pusteten und pusteten, doch das deutsche Haus war aus Stein gebaut und am Ende kam Schweinchen Schlau in Person von Mario Gomez und zeigte den österreichischen Teilzweitwölfen die lange Nase. 2:1, alle Flüche und Traumata ausradiert, so gut wie für Polen qualifiziert und die Österreicher noch dazu aus dem Rennen geschossen. Einen Verlierer aus deutscher Sicht gab’s allerdings doch noch: Werder Bremen. Muss tatenlos zusehen, wie nach Carlos Alberto der nächste vermeintliche Topeinkauf alles daran setzt, seinen Marktwert zu vernichten.

Ein Wort zu Mehmet Scholl, das böse klingt und gar nicht so gemeint ist. Mehmet Scholl ist der Mario Barth der Fußballexperten: Alle finden ihn lustig, aber er ist es gar nicht. Man darf nicht übersehen, dass Scholl vor allem deshalb so positiv heraussticht, weil die übrigen Experten und solche, die es vorgeben zu sein, noch viel, viel schlimmer sind. Leider gilt auch für Scholl, das, was man den anderen unterstellt: Auf korrekt sitzende Pointen wartet man vergeblich. Einzig, dass Scholl meist recht lässig — für einen älteren Herrn — gekleidet ist und er flapsig, viel zu flapsig für einen älteren Herrn, formuliert, macht ihn ein wenig erträglicher als die übrigen.

Bliebe noch Arne Friedrich zu erwähnen: Wo Arne Friedrich ist, ist unten. Sein Tor gegen Argentinien bei der WM war offensichtlich das berühmte Korn, das ein Huhn auch mal findet. Davor führte er Hertha BSC in die 2. Liga und ist mit Wolfsburg am selben Ziel wohl nur gescheitert, weil er die komplette Hinrunde lang verletzt war. Nun also das zweite Eigentor in der Nationalmannschaft. Sicher erinnert sich jeder an sein erstes, das er gegen eine ähnliche Fußballmacht wie Österreich erzielte. Kein Wunder, dass Reinhold Beckmann sich da dessen Namen partout nicht merken möchte und ihn beharrlich ein knappes Dutzend Mal Arne Friedrichs nennt.

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Neues aus dem Elfenbeinturm

Der schlaue Kulturforscher Klaus Theweleit irrt im Interview mit der FR an zwei Stellen. Er irrt übrigens nicht das erste Mal. Er sagt zum Thema der Choreographien bzw. der Nutzung von farbiger Kleidung zur Identifikation mit einem Team:

„Diesen Event kann man ja niemals [als Zuschauer im Stadion, Anm. von mir] selbst erleben, der einzelne Fan sieht ja nur seine direkten Nachbarn, die Wirkung der Masse ist nur fürs Fernsehen.“

Das ist falsch, denn man muss nur wenige Meter entfernt von einer aus einzelnen Zuschauer bestehenden „Farbenmasse“ sein, um sie wahrnehmen zu können. Ich weiß nicht, auf welchen Sitzen im Stadion der Kulturforscher normalerweise sitzt. Vielleicht hinter einer Säule, so dass er tatsächlich gerade mal seinen Nebenmann sehen kann. Aber wenn man in einem Stadion sitzt/steht, hat man Blick auf ca. 90% der übrigen Zuschauer. Natürlich sieht man dann auch, wie die Zuschauer ein solches Farbenmeer darstellen.

Zweitens sagt er zu der Frage, warum man ins Stadion geht, obwohl doch:

„Schließlich sieht man das Spiel im Fernsehen für gewöhnlich besser. Man geht trotzdem hin…“

Das ist natürlich der größte Unsinn, den ich je zu diesem Thema gehört habe. Im Fernsehen sähe man das Spiel besser, wenn dieses eine Halbtotale vom Spielfeld anböte. In Wirklichkeit ist es aber deutlich weniger als ein Drittel des Spielfeldes, welches die Kamera einfängt. Und selbstredend sieht man deshalb ein Spiel im Stadion besser als im Fernsehen, weil man alle Spieler sehen kann. Wer noch nicht mal weiß, dass es zum Verstehen des Spiels wichtig ist, dass man alle Spieler sehen kann, sollte sich gerne Kulturforscher nennen, dann aber zum Spiel „Fußball“ seinen Mund halten.

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