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Schlagwort: Heysel

Das Drama von Furiani

Meist denkt man beim Gebrauch des Wortes „Drama“ im Zusammenhang mit Fußball an Spiele wie die Mutter aller Niederlagen oder an Uerdingen — Dresden. Bei der Nennung von Orten wie Hillsborough und Heysel wird aus dem sportlichen Drama jedoch sofort ein wahrhaftiges. Hillsborough und Heysel sind in dieser Kategorie die bekanntesten Fälle, doch es gibt noch weitere. Das „Drama von Furiani“ ist eines dieser kaum erwähnten Dramen, obwohl es sich genauso wie die zuvor genannten Desaster in der Prä-Internetzeit ereignete.

Am 5. Mai 1992 sollte das Halbfinale des französischen Pokals auf der Insel Korsika zwischen dem heimischen SC Bastia und Olympique Marseille ausgetragen werden. Der ausrichtende Klub witterte das Geschäft seiner Existenz und die Präsidentschaft des Klubs ließ ohne die erforderlichen Genehmigungen und in Windeseile eine Stahlrohrtribüne errichten, so dass das Stadion wesentlich mehr Zuschauer fasste als vor dieser Erweiterung. Trotz enormer Zeitnot genehmigte der französische Verband schließlich die Austragung, wenn auch nur mit einer einwöchigen Verschiebung der Partie.

Eigentlich erforderliche Gründungsarbeiten im Boden, auf dem die Tribüne errichtet wurde, fanden nicht statt und so nahm das Unheil seinen Lauf: Noch vor Anpfiff der Partie brach die weder durch Beton- noch durch sonstige Stützen gesicherte, mit 9.000 Menschen besetzte Tribüne zusammen, 17 Menschen verloren ihr Leben, es gab über 2.000 Verletzte.

Zu einem Prozess gegen den mutmaßlichen Hauptverantwortlichen, den Präsidenten von SC Bastia, kam es nicht mehr. Er wurde wenige Tage vor Beginn der Verhandlung vor seinem Haus erschossen. Ob diese Tat in Zusammenhang mit dem Tribünenunfall stand, konnte nicht geklärt werden, die mutmaßlichen Täter starben wenig später ebenfalls durch ein Attentat.

13 weitere für den Tribünenbau und seine Genehmigung Verantwortliche wurden angeklagt und zum Teil auch verurteilt. Der SC Bastia trat von einer Wiederholung des Halbfinals zurück, woraufhin der französische Verband im Jahr 1992 überhaupt keinen Pokalsieger ermittelte.

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Die Stimmen werden weniger

Kein Nachruf: Jochen Hageleit ist tot, wie es Zechbauer gestern hier mitteilte.

Selten passte die Vokabel „sonor“ besser zu einer Stimme als zu jener von Jochen Hageleit, die wohl allen noch im Ohr ist. Selbst wer ihn nicht kannte, wird ihn hier im Video sofort an der Stimme erkennen (diese Aussage darf allerdings nicht nach Kriterien der Logik bewertet werden). Da über ihn seltsamerweise nicht mal ein Wikipedia-Eintrag existiert, enden leider auch die hiesigen ausschweifenden Darstellungen dazu, an welchen WM und welchen legendären Bundesliga-Spielen er als Reporter teilgenommen hat.

Die Diskussionen, die in den letzten Tagen geführt werden, ob ein Journalist Stadionsprecher sein oder eine Buchvorstellung moderieren darf, oder — so wie hier Hageleit — die Saison-Eröffnung von Rot-Weiß Oberhausen leiten darf, sollte man nicht ausgerechnet angesichts des Ablebens von Hageleit neu beflammen, jedenfalls nicht an dieser Stelle.

Das hier eingebettete Video zeigt ihn bei eben jener Saisoneröffnung des fabulösen Fußballclubs Rot-Weiß Oberhausen vor der Saison 1983/84, bei der die Spieler alle brav in ihren Trikots und in kurzen Hosen vor den (erstaunlich vielen) Oberhausener Fans aufmarschieren und ebenso erstaunlich eloquent wirken — die meisten jedenfalls.

Das Outfit von Jochen Hageleit in diesem Video wäre mal wieder ein Fall für eine Doppelseite bei den 11 Freunden, darum soll es aber ebenso wenig gehen. Im weiter unten verlinkten Video von der Saisoneröffnung nur ein Jahr später sieht er dann übrigens auch wieder aus wie ein Mensch.

Erklingt seine Stimme, hat man doch — falls man es hat — sofort die späten Nachmittage bei Oma und leckerem Kuchen, bei Borussia Mönchengladbach gegen Waldhof Mannheim, heruntergelassene Stutzen ohne Schienbeinschoner und vor allem die schlecht animierten Männchen im Vorspann zur Auswahl des Tor des Monats vor dem geistigen Auge und Ohr. Dies stellt allerdings eine äußerst egozentrische Erinnerung dar, denn was er geleistet hat, wird damit nicht gewürdigt. Bei welchen WM und EM er dabei war, ist hier wie gesagt nicht bekannt, ganz sicher aber war er bei der Tragödie im Heysel-Stadion anwesend.

Das Video zur Saisoneröffnung in Oberhausen:



Ein wesentlich besseres Video, hauptsächlich im Dialog mit dem gerade dann in die 2. Liga zu Rot-Weiß Oberhausen gewechselten Manni Burgsmüller gibt es ebenfalls, ist aber nicht zur Einbettung freigegeben.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Stimmen, die man heutzutage bei sky, Sat1 und den Öffentlich-Rechtlichen vernimmt, alle nicht jene Erinnerungswerte besitzen werden, wie man sie bei Rolf Kramer, Manni Breuckmann und eben jenem Jochen Hageleit hat, was aber nach sehr kurzem Nachdenken auch logisch ist, da sie nun mal jetzt sprechen und nicht in den eigenen Jugendtagen.

Leider ist hier auch kaum etwas darüber bekannt, ob Hageleit eigentlich ein „Guter“ war, im Sinne seiner fachlichen Qualitäten, oder ob er wie Werner Hansch zwar wundervolle Bilder in den Übertragungshimmel malen konnte, aber taktisch-strategisch überhaupt nichts vom Spiel zu vermitteln wusste. Was wiederum, falls es so war, daran gelegen haben könnte, dass es früher auch kaum Taktik gab. De mortuis nihil nisi bene.

Au revoir, sonorer Jochen Hageleit.

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