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Schlagwort: Ohrfeige

„Lauf selber, du Arschloch!“

Dieser Beitrag hier kommt natürlich auf Jahre hinaus zu spät, doch wäre es ein unentschuldbares Vergehen, ihn zurückzuhalten. Schließlich hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf, zu erfahren, was sich wirklich abspielte bei wichtigen und brisanten Szenen der Nationalmannschaft. Noch heute warten wir darauf, dass das Schweigen rund um die Revoltenbestrebungen bei der EM 2000 endlich bröckelt, auch wenn es der Andeutungen genug gibt. Andeutungen, aber keine klaren Worte, keine klare Ansage.

Genau eine solche hatte Michael Ballack dem Prinzen vor gar nicht allzu langer Zeit wohl gemacht, woraufhin dieser explodierte, allerdings nicht im Strafraum, wie es seine Aufgabe wäre, sondern in der Nähe des Mittelkreises. Zunächst also Ballacks klare Ansage, vielleicht mit einigen wenigen Worten zu viel für deren Empfänger gewürzt:

Konzentrier dich endlich mal, beweg dich, denk an die Laufwege, reiß dich zusammen, spiel nicht so schlecht!

Von wegen, Ballack sei kein Führungstier gewesen. Klare Anweisungen, fast im vorweggenommenen Rhythmus späterer Löw’scher Lobpreisungen diverser Pflegeprodukte. Fünf klare Anweisungen — und genau fünf Informationen kann sich ein menschliches Gehirn durchschnittlich in kurzer Zeit merken. Ausreißer nach unten gibt es aber ebenso, anderenfalls wäre es ja kein Durchschnittswert.

Wie man sieht reißt es beim Prinzen dann auch schon nach der dritten dieser Anweisungen ab, das bescheidene Reservoir an Slots ist gefüllt und jede der nachgeschobenen Informationen verdeutlicht dem Empfänger nur noch stärker, dass er an seine Grenzen gestoßen ist und sie nicht mehr aufnehmen kann. Das Resultat solcher Überforderung ist, das kennt man selbst, Frustration. Und die bahnt sich zwangsläufig ihren Weg. So sammelte der eigentlich klar Angewiesene ein paar Wörter, die ihm besonders nah liegen und antwortete auf die letzte von jenen fünf Anweisungen, an die er sich noch erinnern konnte:

Halt’s Maul! Lauf selber, du Arschloch!

Unter Fußballern eine normale Ansprache, nur die folgende Ohrfeige gehört nicht in allen Teams zum guten Ton. Auf Bergheimer Bolzplätzen ging es wohl etwas rauer zu als rund um die Altpapiercontainer in Görlitz.

Jedenfalls wäre zumindest diese historische Szene der deutschen Fußballgeschichte nun auch im exakten Wortlaut geklärt. Bekanntlich werden weder überhaupt Anweisungen des Capitanos an irgendjemanden noch besonders viele Gelegenheiten für den Prinzen hinzukommen, jemanden zu ohrfeigen.

Spät entdeckt beim Blick.

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Das öffentliche Desinteresse an meiner Person

Man mag es kaum glauben, aber es steht zumindest so in der Zeitung.

Weil die Ohrfeige gegen Manuel Neuer öffentliches Interesse berührt, ermittelt nun die Polizei wegen einfacher Körperverletzung.

Dass man hier bitte niemanden missversteht: Eine Ohrfeige ist mehr als eine physische Verletzung, es ist ja nun mal vor allem eine Handlung, die das Gegenüber demütigen soll. Und während der physische Schmerz meist recht schnell abklingt und auch keine weiteren Folgen hinterlässt, währt der psychische Schmerz etwas länger. Deshalb, und weil eine Ohrfeige eine Körperverletzung ist, ist es gut, dass die Polizei nun ermittelt, denn jeder Promi sollte nicht weniger Schutz durch die Gesetze genießen als Jan und Mann.

Dass hier aber wegen einer vergleichsweisen Lappalie ermittelt wird, ernsthaft Manpower von anderen Fällen abgezogen wird, und über eine Strafverfolgung und Strafe nachgedacht wird, wenn ein Mensch bei den Feierlichkeiten zu einem Fußballpokalgewinn eine gewischt bekommt, während an anderer Stelle ernsthafte Körperverletzungen zu Bagatellen erklärt werden, das anzuprangern ist nicht populistisch, sondern erste Bloggerpflicht.

Sollte die Taktik dahinter sein, eben wegen der öffentlichen Aufmerksamkeit den Eindruck zu schinden, dass die Polizei sich schon kümmere, auch von selbst, und überhaupt, dann vernichtet sich dieser Beitrag hier von selbst noch während des Lesens.

Sollte es keine Taktik sein, wird man bei den nächsten notwendigen Anrufen bei der Polizei am besten ein Bundesliga-Profi-Alias wählen. Vielleicht muss man sich dann keine blöden Sprüche mehr anhören, weil die Täter schon geflüchtet sind, woraufhin die Verfolgung — obwohl sie gerade mal um die nächsten beiden Ecken getürmt sind — eingestellt wird. Eine Ohrfeige gilt den Polizisten im Einsatz in solchen Fällen als leicht verunglückter Gruß unter Männern; wenn man nicht mindestens ins Krankenhaus muss, reicht auch keine verbeulte Nase, um weiteren Einsatz zu bewirken. Es sei denn, an der Nase und dem dazugehörigen Menschen besteht „öffentliches Interesse“.

Heute Abend also schon mal mit Trockenanrufen vom Handy üben. „Hallo, Julian Draxler hier.“ „Bitte kommen Sie schnell, es geht um meine Frau und mich, Raúl.“ „Mein Name ist Metzelder und ich rufe vom Burgplatz aus an.“

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