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Schlagwort: Tiki-Taka

Halb Finale

… und heute folgt die andere half.

Die erste half, Portugal — Spanien, ist bereits gespielt. Und Menschen fragen mich auf offener Straße (das ist in diesen Tagen Twitter), ob ich ernst meine, dass ich mich von dieser Partie gut unterhalten fühlte. Ich tappe nicht in die Falle, die Qualität eines Spiels mit dem Verweis auf statistische Zahlen wie Ballbesitz oder Zahl der Schüsse Richtung Tor zu unterfüttern. Und es würde mein Urteil auch schwächen, wenn ich darauf verwiese, dass noch keines der Spiele bei der EM mit spanischer Beteiligung derart unterhaltsam gewesen sei — was ohnehin nicht ganz zuträfe, denn das Aufeinandertreffen mit Italien war tatsächlich noch besser.

Ich fühlte mich jedenfalls eines Halbfinals eines großen Turniers würdig unterhalten. Viele andere nicht. Statt nun zu überlegen, warum Cristiano Ronaldo so teilweise merkwürdige Laufwege hatte, ob er wirklich der allerallereinzige im gesamten portugiesischen Team ist, der ungefähr 1 von 12 dieser Vollspannfreistöße im Tor unterzubringen in der Lage wäre (was wiederum ohnehin etwas blöd ist, wenn man nur 11 davon erhält), gehe ich lieber der Frage nach, wieso diese große Langeweile bei großen Teilen des TV-Publikums aufkam.

Gleichwohl es ein schmaler Grat ist, von dem man zur einen Seite hin schnell in Richtung Attitüde und Posertum heruntergleiten kann, wenn man ein Spiel für „sehenswert und spannend“ erklärt, dass die Mehrheit der Menschen schlicht einschläfernd fand, will ich diesen Grat mal beschreiten, und hoffe, ich rutsche nicht zur Seite ab.

Annahme 1 – Mangelnde emotionale Involviertheit

Spanien hasst man hierzulande noch immer nicht so, wie man es mit Italien zu tun pflegt. Auch Portugal läuft, abgesehen von „CR7″, eher unter „egal“, ob sie etwas gewinnen oder nicht. Ergo war den meisten egal, welches von zwei schönspielenden südländischen Teams weiterkam. Und daraus resultierte wiederum die eigene mangelnde Beteiligung. Welche aber die Grundzutat dabei ist, eine Partie spannend zu finden oder besser: überhaupt Kontakt mit ihr aufzunehmen.

Annahme 2 – Mangelnde Kenntnis von möglichen Passwegen

Ich weiß, das wird jetzt hier sehr arrogant, aber wenn man keine Gassen auf dem Spielfeld sieht, sieht man evtl. nur kurz nach Abgeben geblockte Pässe, und nicht die beinahe-100-prozentige Torchance, die dann eben nicht stattfand, aber kurz davor war, zu passieren. Wer auf die Partie gestern schaute und von „Langeweile“ sprach, litt entweder unter Annahme 1 oder unter dem Problem aller Eventies: Dass nur Torschüsse als gute Spielszenen durchgehen. Weil nur dann auch der letzte Depp erkennt, dass „es jetzt gefährlich vor dem Tor“ wird. Im tatsächlichen Spiel hingegen gab es massenweise schicke Szenen, die zu mehr hätten führen können, und somit das Spiel als äußerst lebendig erscheinen ließen.

Annahme 3 – Wo Tikitaka draufgeschrieben wird, ist auch Tikitaka drin

Was dann aber eben nicht der Realität entspricht. Denn weil Portugal gestern zumindest so lange, bis die Puste ausging, ganz anders störte als die spanischen Gegner zuvor, waren ungewöhnlich viele lange Bälle Spaniens zu sehen und sogar mehrfach, man höre und staune: Fehlpässe ins Aus. Nicht einer, sondern mindestens mehrere. In der Verlängerung war es dann wieder Tikitaka und auch mit besonderem Zug zum gegnerischen Tor. Vorher aber eben nicht. Merke: Nur weil ständig überall behauptet wird, dass Spanien stets nur Tikitaka und langweilig spiele, muss das nicht in jeder Partie auch tatsächlich so geschehen.

Annahme 4 – Der Bundesliga-Quervergleich

Man darf davon ausgehen, dass die meisten Zuseher Fan einer bestimmten Mannschaft in einer der diversen Bundesligen sind. Dort ist Herzblut und somit emotionale Beteiligung und somit das Empfinden von Spannung per se gegeben. Gleichzeitig ist es in keinem einzigen Pflichtspiel jemals (außer bei Goldene-Ananas-Spielen) egal, ob die eigene Mannschaft gewinnt. Ergo empfindet man Spiele vom eigenen Team niemals als langweilig, selbst wenn sie das objektiv sind. Denn man könnte ja verlieren, oder aber man verwaltet eben gerade seine Führung — aber was gibt es Schöneres in einem Fußballspiel, als zu führen? Weshalb auch ein objektiv langweiliges Spiel der eigenen Mannschaft immer genossen wird. Für Portugal — Spanien gilt das nicht. Der gemeine Zuschauer möchte unterhalten werden, die Spieler und Teams aber suchen den Erfolg. Das sind zwei gänzlich unterschiedliche Ziele. Eine Krux, welche man während 90 oder 120 Minuten nicht auflösen kann.

Soweit also die 4 Grundannahmen, wieso das Spiel so ein verbreitet schlechtes Zeugnis erhielt, welches es aus hiesiger Sicht nicht verdient hatte. Abschließend hinzugefügt, dass es fern liegt, irgendjemanden davon überzeugen zu wollen, ebenso zu empfinden wie der Autor. Wer das Spiel langweilig fand, hat ein Recht auf gesunden Schlaf. So ähnlich eben, wie es hier bei den allermeisten CL-Gruppenspielen geht, siehe Annahme 1.

Es muss zudem noch angefügt werden, dass der in diesem Fall englische Kommentar der BBC die Qualität der Partie von selbst und automatisch um gefühlte 20% anhob. Kann man nur empfehlen, dann werden selbst nicht so extrem hochklassige EM-Half Finals mehr als erträglich, wie gestern geschehen.

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