In einem Hotel zu wohnen kann man einem strohverwitweten Trainer doch nicht ernsthaft vorwerfen. Er liegt schließlich völlig richtig damit, wenn er sich rechtfertigt, dass er sich als Hotelgast um nichts kümmern müsse und so die volle Konzentration auf die Arbeit ermöglicht ist.
Wer kann schon zu Hause über den Aufstellungen fürs kommende Spiel brüten, wenn die Waschmaschine dröhnt, die Kinder schreien und auch den ehelichen Pflichten nachgekommen werden muss?
Selbst die kolportierten häufigen abendlichen Vergnügungsfahrten durchs Berliner Nachtleben tragen doch nur zur Burnout-Propyhlaxe bei, ganz im Sinne des Erfolgs, ganz im Sinne des Vereins also. Wer nichts im Leben hat außer seinem Hobby, das er zum Beruf gemacht hat, nie abschalten kann, der navigiert halt etwas näher am Kollaps als jener, der weiß, wie man sich eine Zigarre, äh, anzünden lässt.
Was man dem Bayer in Charlottenburg-Wilmersdorf allerdings vorwerfen kann, ist dass er es in einer echten Großstadt nicht allzu lange aushält. Es war schließlich seine erste. Seine Heimatstadt München beschreibt sich selbst nur als ein Dorf, wenn auch ein Millionendorf. Die übrigen Stationen seiner Karriere, Blackburn mit schlappen 100.000 Einwohnern, Liverpool mit 440.000 und Stuttgart auch gerade mal 600.000, kommen nicht mal auf eine solche Million. Da hat allein Charlottenburg-Wilmersdorf schon fast so viele wie Einwohner wie Liverpool, ganz Berlin mehr als drei Mal Millionendorf München.
Kaum wird es einmal etwas unübersichtlicher, verliert er genau diese, die Übersicht. Im Nachtleben versteht sich, bei den Terminen, die vielen Bars, wo soll man nur hingehen, wen hat man letztens noch mal angerufen und bei wessen Nummer im Display geht man am besten nicht mehr dran?
Auf dem Fußballplatz konnte er ja nicht die Übersicht verlieren, da gab es keine Strategie, die die Spieler hätten umsetzen sollen. Was bleibt, ist ein Aufstieg aus der 2. Liga mit einem Erstligakader, der Vergleich ist platt, aber zutreffend: Als würde man mit dem FC Bayern Meister werden, was dieser zumindest früher auch ohne Trainer geschafft hätte. Plus eine mediokre Hinrunde in der 1. Liga, an deren Ende sich schon das Ausbleiben dessen ankündigte, was man als Trainer ohne eigene Strategie vor allem braucht: Glück.
Als Fußballtrainer ist es zwar relativ unerheblich, ob man bei den Berliner Einwohnern verbrannte Erde hinterlässt, dem Hörensagen nach sind die allermeisten Zugezogene, die ihren Lieblingsclub aus der Heimat im Herzen behalten haben, und zur Hertha wird er ohnehin nicht zurückkehren.
Für seine Reputation als Trainer aber könnte das Eigentor kaum größer sein. Erst in Stuttgart als solcher wegen zu großer Kumpelhaftigkeit gescheitert, jetzt, weil er mit dem Leben in einer Großstadt nicht klarkam, obwohl doch das Hotelpersonal ihm die Alltagsverrichtungen abnahm.
Das bisschen Bashing der Berliner wäre da zu vernachlässigen. In Berlin sei man groß mit dem Mund, tue aber letztlich wenig. Wäre da nicht der Bumerang, den er wird annehmen und erst einmal selbst beweisen müssen, was er denn überhaupt tut, für so eine Mannschaft. Sofern er sich in der jeweiligen Stadt wohlfühlt, versteht sich, und nicht zu schnell altert, das Leben so stressig. Als Fußballtrainer. Im Hotel. So viele verschiedene Zeitungen, so viele Bars und die vielen Straßennamen erst.
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