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Schlagwort: Marco Materazzi

He broke the rules

Die rules sagen nämlich, dass x Prozent des eigentlich schon pervers anmutenden Gehalts als Fußballprofi der oberen Kategorie Schmerzensgeld dafür sind, dass man eine Person des öffentlichen Interesses ist. Also y Prozent des Gehalts werden für die fußballerischen Fähigkeiten bezahlt (übrigens immer, auch dann, wenn derjenige sie nicht einbringt), x Prozent sind Schmerzensgeld. Dafür, dass man Interviews geben muss, Radio-, Fernseh-, Blog-Interviews, dass man eine Webseite betreiben sollte, auf der man private Nichtigkeiten und vermeintlich eigene Meinungen zum Besten gibt, auf dass die Fans („Werde ein Fan!“) das Gästebuch stürmen und auch dafür, dass man seine Visage in Fotos halten muss, die im kicker-Sonderheft oder bei Panini, in Zeitungen und auch im Internet erscheinen.

Teil des Deals ist es dann auch, als öffentliche Person, damit zu leben, dass man beschimpft wird, wenn der Erfolg ausbleibt. Diesen Deal hat Paulo Guerrero gestern verletzt.

Man mag es als neutraler Mensch, der nicht vom Fußballvirus infiziert ist, äußerst merkwürdig finden, dass Trash Talk Teil des Spiels ist, dass Marco Materazzi auf Zinedine Zidanes Schwester herumhacken oder sie sexuell begehrlich finden kann oder eben auch nicht, aber genau das vorgibt, und genau das Zinedine Zidane mitteilt, weil doch jeder wusste, dass Zizou im Grunde seines Herzens bei Tottenham hätte unter Vertrag sein sollen: ein Heißsporn, den man leicht mit solchen Mitteln aus der Konserve locken kann. Gelungen. Titel für Italien. Herzlichen Glückwunsch. Unlautere Mittel? Aber wieso denn, auf dem Platz ist alles erlaubt, oder nicht?

Wenn sich dann schlichtere Gesellen finden, die ernsthaft annehmen, dass sie mit dem Eintritts-Geld auch das Recht auf Beschimpfungen erkauft haben – wenn man diese ausschlösse, dürfte ein nicht geringer Teil der Zuschauer eigentlich gar nie mehr ins Stadion. Denn natürlich gehört es zur Folklore, die Gegner zu beschimpfen, ihnen alles Schlechte und Unglück der Welt zu wünschen, aus der Anonymität der Tribüne (ob nun Steh- oder Sitz- spielt dabei keine Rolle) und nachher befriedigt nach Hause zu gehen, weil man endlich mal wieder die eigenen dunklen Triebe rauslassen konnte und noch dazu dem Verein des Herzens etwas vermeintlich Gutes getan hat.

Wenn es sich dann gegen die eigenen Leute richtet, wird plötzlich aufgeheult: Au weia! Wie kann er nur. Den eigenen Spieler beschimpfen, und dann auch noch unter der Gürtel- oder pc-Linie.

Erstaunlich ist daran eigentlich nur, dass solche Vorfälle so selten passieren.

Bei 20-30-40.000 Zuschauern im Stadion muss der Idioten-Anteil empirisch gesehen ohnehin schon höher sein als es die geringe Zahl der Vorfälle dieser Art suggeriert.

Ein Idiot hat also das getan, was er sonst immer mit den Gegnern tut: er hat einen Spieler seines eigenen Klubs beschimpft.

Guerrero ist selbstredend auch nur ein Mensch, und Beleidigungen dieser Art sind zwar eigentlich mit dem Gehalt abgegolten, dass jemand dann mal zufällig doch ernsthaft zuhört und die Inhalte, die der Idiot ihm an den Kopf wirft, ernst nimmt, ist bedauerlich.

Denn Guerrero war schon bezahlt dafür, diese Äußerungen hinzunehmen. Wie er auch jegliche negativen Schlagzeilen in Zeitungen und Blogs hinnehmen muss, weil es Teil des Deals ist, dass er das hinnimmt. Ein Arbeitnehmer verkauft natürlich weder seine Menschenrechte noch seine Würde mit einer Unterschrift unter einen Profifußballvertrag, aber: erwartet wird es von ihm.

Weshalb der Hase dort im Pfeffer liegt, wenn man solche „Fans“ ins Stadion lässt. Und hinnimmt, dass die eigenen Fans weiterhin die Gegner aufs Übelste beleidigen. So etwas gibt es nicht im Volleyball, nicht im Handball und nur zu geringen Teilen im Eishockey. Im Fußball aber soll es aus nicht nachvollziehbaren Gründen zur Folklore gehören, den Gegner zu verunglimpfen. Wenn dann dieses schlichte Gemüt sich gegen die eigenen Spieler wendet, ist man plötzlich vollkommen aufgebracht. Dabei könnte man an jedem Spieltag Tausende Leute wegen Beleidigung (des Gegners) aussortieren.

Wenn man denn wollte.

(Frank Rost jedenfalls will offensichtlich nicht. („Das ist normal, das gehört zum Fußball dazu.“) Aber wir waren hier ja auch beim Thema „schlicht“.)



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Audiobeweis?

Die Ohrenoptiker kommen doch immer wieder auf neue Ideen. Jetzt — sofern man den vergangenen Sommer noch als „jetzt“ durchgehen lässt — mischen sie sich schon in die Regelauslegung beim Fußball ein. Einen „Audiobeweis“ fordern sie anlässlich Materazzis verbaler Provokationen in ihrem Forum.

Bald gibt es auch noch den olfaktorischen Beweis. Schöne neue Welt.

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Bicicletta, Materazzi und wie heißt eigentlich der italienische Herr Strigel?

Heute wenden wir unseren Blick gen Italien. Den alten Kalauer als Einstieg kann ich mir nicht verkneifen. Dort hat der alte Materazzi — den meisten eher als Autor denn als Fußballer bekannt — erneut etwas für seine Reputation getan, die zuletzt arg gelitten hatte, weil er doch mit Worten so gut umgehen kann und das auch beim Fußball Spielen einfach nicht verbergen kann.

Er nahm an dem italienischen Pendant zu Eugen Strigels Regelkunde aktiv teil, indem er bei einem Lehrvideo den nicht einfach zu bewerkstelligenden Part eines Spieler übernahm, der gegen Regel 12 verstößt: Gefährliches Spiel. Zu sehen ist das Ganze bei youtube. Einen Link zur anschließenden Diskussion mit dem italienischen Herrn Strigel spare ich mir, schließlich verstehen die wenigsten meiner Leser Italienisch und außerdem liegt der Fall auf der Hand. Immerhin werden nun alle Fußball begeisterten Jugendlichen in Italien wissen, wie man den Bicicletta nicht ansetzen darf. Für mehr Fairness auf unseren Plätzen, Danke, Materazzi.

Mal wieder via.

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Intime Stellen

Abgesehen davon, dass ich nicht mehr weiß, wo ich diese Information herhabe und abgesehen davon, dass der Autor dieses Zitats offensichtlich „kein Bock“ mehr auf den Akkusativ hat (wo andere Leute immerhin „keinen Bock“ mehr hätten) bzw. der Teil (im Sinne von „der vierte Teil der Trilogie“, „der Teil der Bevölkerung mit niedrigem Einkommen“) mit das Teil (im Sinne von „das Ersatzteil“, „das fünfte Teil in dieser Reihe“) verwechselt und ich mich gerade über die Verwahrlosung, namentlich die Verakkusativlosung der deutschen Sprache beim Gebrauch derselben durch Ignoranten in Rage schreiben könnte, ist die Information an sich eher irrelevant:

In dem Interview gab Materazzi auch ein Teil eines Geheimnisses preis. `Ich habe mir ein Abbild des WM-Pokals an einer intimen Stelle eintätowieren lassen´, sagte der Profi von Italiens Meister Inter Mailand.

Mitleid mit den armen Gespielinnen Materazzis überfällt mich. Nun werden sie selbst beim Sex nicht vom Thema Fußball verschont, dabei freuten sich viele Fans doch nach der WM darauf, endlich mehr Zeit für Sex zu haben — und nicht für Fußballgedöhns.

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Mopp auf‘m Kopp

Aus dem WM-Finale, vor allem aber von diesem Eintrag kennen wir Marco Materazzi. Er hat gar nicht Zidanes Mutter beleidigt, ist auch kein Bösewicht, jedenfalls keiner, der Leute erschießt oder um ihre Vermögen prellt; ist Fußball-Weltmeister mit Italien geworden. Deshalb lässt er sich beim Einzelfoto für die internationale Presse so fotografieren:

[photopress:materazzi_1.jpg,full,centered]

Dieser komische Mopp ist mir letztens im Live-Ticker des Herrn kicker bei der Champions League aufgefallen. Das Ganze kann man auch inklusive Materazzis Statistik selbst nachschauen.

Tät mir irgendwie in schwarz-rot-gold besser gefallen, so ein Mopp auf dem Kopp des Herrn Frings oder des Herrn Lehmann.

Materazzi war übrigens mal beim FC Everton unter Vertrag. Für einen italienischen Fußballprofi ist es immer noch äußerst selten, ins Ausland zu gehen. Und wie man weiß, wird ja in den britischen Ligen jede Form von Unfairness sofort von den Zuschauern durch Buhrufe und Pfiffe auch gegen die Spieler der eigenen Mannschaft wegkonditioniert. Da war Materazzi wohl nicht lange genug in England.

Achja, und wenn Sie Materazzis Bilanz anklicken sollten: Achten Sie auf die „Bandenwerbung“ und verpassen Sie nicht den Start der Bundesliga!

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Man sieht sich immer zwei Mal

Italien hat Frankreich im Finale der WM geschlagen und ist nun Weltmeister. Ein Franzose hat zwar auch einen Italiener geschlagen und wenn es ganz dicke kommt, wird Italien der Titel wieder aberkannt. Das ist allerdings äußerst unwahrscheinlich und eher der Problematik geschuldet, dass Zeitungen ja irgendetwas schreiben müssen.

Für die Franzosen bietet sich nun ganz schnell die gleich zweifache Gelegenheit zur Revanche, weil Frankreich und Italien gemeinsam in einer Qualifikationsgruppe zur Europameisterschaft sind. Wie schön für Materazzi, dass er nicht mehr auf Zidane treffen kann — so Materazzis Sperre da überhaupt schon abgelaufen sein sollte.

Am 6. September 2006, also in gerade mal acht Wochen, findet das Hinspiel in Frankreich statt. Ziemlich genau ein Jahr später, am 8. September 2007 steigt dann das Rückspiel. Es wird interessant, zu sehen, ob es den Franzosen in nur 8 Wochen gelingt, eine neue Mannschaft zu formen und ob dieser dann die Revanche gelingt.

Trainer Raymond Domenech bleibt jedenfalls im Amt. Und ob das nun so eine gute Entscheidung ist angesichts der Tatsache, dass er schon 2004 mit dem Neuaufbau der Mannschaft nicht zurecht kam, bleibt abzuwarten.

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Hau den Materazzi

Materazzi macht sich selbst klein, um einer möglicherweise gerechten Strafe für seine Provokationen gegen Zidane im gestrigen Finale zu entgehen. Wie die Tagesschau berichtet, soll Materazzi Zidane einen

“dreckigen Terroristen”

genannt haben. Und obwohl Materazzi sich dazu mit den Worten

“Ich bin ein Ignorant. Ich weiß nicht mal, was das Wort bedeutet.”

verteidigt, ist es so unwahrscheinlich nicht, dass Materazzi zumindest irgendeine Beleidigung gegenüber Zidane losgelassen hat. Im notorisch Fremdsprachen-phoben Italien spricht kaum jemand französisch und 99% aller italienischen Fußballprofis haben es nie nötig gehabt, im Ausland zu spielen. Zidane aber versteht italienisch, da er selbst einige Jahre in Turin unter Vertrag war.

Abgesehen davon ist es mit Spanischkenntnissen — die Zidane hat, weil er nun einige Jahre in Madrid spielt und weil seine Frau je nach Quelle Spanierin oder Halb-Spanierin ist — ein Leichtes, Italienisch zu verstehen.

Derweil also Materazzi den dummen Jungen in einem bösen Stück mimt, können wir es Zidane nachmachen und Materazzi aus dem Weg räumen, wozu uns dieses kleine Spielchen einlädt. [Link leider tot]

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