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Schlagwort: Stig Töfting

Mein erster zweiter Lieblingsspieler

Dieser Beitrag ist Teil der von Sidan auf seinem früheren Blog „El fútbol“ initiierten Reihe „Mein Lieblingsspieler“. Mittlerweile sieben Ausgaben verschiedener Autoren hat Sidan dort versammelt. Und kommend.

Gibt es jemanden, der über Fußball bloggt, oder der in Fußball-Blogs kommentiert, der nicht Nick Hornbys „Fever Pitch“ gelesen hat? Mag sein. Stefan von blog-g.de traue ich das zu, weil er nicht zur „Fußballkultur“ gehört, sondern zu Fußball. Was ihn ehrt.

Die meisten heutigen Fußballschreiber aber dürften Nick Hornby gelesen haben. Hoffentlich gelesen, denn der Film mit dem selben Titel wie das Buch ist eine Farce.

Die Szene, die Hornby beschreibt, als er sich in Arsenal und ein bisschen auch in Fußball allgemein verliebt, ist im Buch Fantastrillionen besser als im Film. Was allerdings eher daran liegt, dass der Film so schlecht ist.

Nichtsdestotrotz erlebte ich in den 1990er Jahren, schon lange aus der Pubertät und erst recht lange aus der Zeit davor herausgewachsen, ein ähnliches Erlebnis, sogar physisch recht ähnlich.

Es muss wohl um 1996 gewesen sein, als mein damals bester Freund C. einwarf, an einem Abend doch mal zum Spiel MSV — 1. FC Kaiserslautern hinzufahren, wenn ich doch immer noch so viel selbst Fußball spiele. Okay, also fuhren wir hin. Er am Steuer, ich am Bier. Letzteres hatte aber nichts mit dem folgenden Ereignis zu tun. Es war glücklicherweise ein Spiel unter der Woche, Flutlicht also an, Anstoß 20h, oder vielleicht auch 19h. Wahrscheinlich 20h.

Es gab im alten Wedaustadion drei Möglichkeiten, auf der Gegengerade ins Stadion zu kommen: Mitte, links und rechts. Wir wählten zufällig links und liefen ein paar Minuten zu spät ins Stadion ein. Das erste, was ich neben dem Torgestänge vom Spielfeld sah, noch im Stadiontunnel befindlich, aber war er. Wie er gülden leuchtete im Flutlicht-Licht und wie er gleichzeitig trotz seiner kompakten Statur zwei Gegner austanzte, um danach einen Schuss, leider über das Tor des FCK, abzulassen.

Stig Tøfting.

(Das G im Vornamen ist stumm, er heißt also, ausgesprochen: „Sti“, was weder alle deutschen Reporter noch den Rest meiner Fußballmannschaft davon abhielt, den Namen stets falsch auszusprechen respektive mich auf Jahre hinaus als „Stig“ mit gesprochenem „g“ zu bezeichnen.)

Es war ein Moment, den man nicht künstlich erzeugen kann: Ich stand bzw. lief noch ganz langsam durch den Stadiontunnel, und auf dem Platz machte gerade Stig Tøfting zwei Gegner nass und schloss danach ab. Wobei für seine weitere Karriere Tor-Abschlüsse eher untypisch waren. Meistens legte er Torschüsse auf. In dem Moment aber, als bester Freund C. mich mit dem Auto ins Stadion verfrachtet hatte und ich gerade anfing, zuzuschauen, schoss Stig Tøfting aufs Tor.

Ich war fasziniert und vom ersten Moment an gebannt. Er spielte ein, zwei grandiose Saisons für den MSV, er war einer der besten, die je im Wedau-Stadion zu meinen Lebzeiten spielten und vor allem war er nicht nur nominell (dänischer Nationalspieler samt WM-Teilnahmen) gut, sondern tatsächlich auf dem Platz.

Extrem zweikampfstark, aber auch extrem spielintelligent, vor allem, aber nicht nur, im defensiven Bereich, war die Zeit mit Tøfting die beste Zeit, die der MSV in den letzten 25 Jahren erlebte. Darum ging es mir aber nicht, weil ich anfänglich gar kein MSV-Sympathisant war, sondern einfach nur Bundesliga-Fußball sehen wollte. Welcher mich dann vom ersten Moment an verzauberte, in Person dieses kleinen, kräftigen Dänen.

Klar, verzaubern, diese Vokabel passt zu Stig Tøfting wie Plätzchen backen zu den Bandidos, aber Verzauberung fragt nicht danach, ob es gerade in den situativen Rahmen passt, sie passiert, selten genug, eben oder nicht. Hier war es so.

Ich darf anmerken, dass ich von seiner Spielweise so verrückt wurde, mir ein gelb-rotes (von den zebrastreifen-weiß-blauen) Auswärtstrikot mit dem Schriftzug „Tøfting“ zu kaufen, obwohl das, was der spielintelligente und zweikampfstarke Kampfgnom da aufs Parkett legte, eigentlich überhaupt gar nix mit meiner eigenen Spielweise (ich kann nicht mal grätschen) zu tun hatte, er mir aber doch äußerlich — nicht besonders groß, blond und kompakt — relativ ähnlich sah und zudem immer mal wieder für gefährliche und auch zu Toren führende Freistöße gut war.

Irgendwann am Ende seiner Duisburger Karriere verarschte er noch den Verein, dass er zurück zur Familie nach Dänemark wolle, woraufhin ihn die herzensgute und naive Führung des MSV für kleines Geld aus dem Vertrag ließ, Tøfting aber nur wenige Tage später von seinem eigentlichen Heimatverein wieder zum HSV wechselte. Im Jahr des Meisters der Herzen war er übrigens derjenige, der bei Anderssons Freistoß doof bzw. falsch in der Mauer rumsprang, und so Bayerns Titel und Schalkes weiteres Martyrium bewirkte. Da war mir aber schon lange egal, was Tøfting, der HSV-Spieler, machte. Ich hatte mich in den mit eigenen Augen zu sehenden, so nur scheinbar hart arbeitenden, in Wirklichkeit aber elegant das Spiel verstehenden und zelebrierenden Stig Tøfting verliebt, manuel-neueresk hatte ich ihm liebend gerne bei den Aufwärmspielchen zugeschaut, mit welchem Talent er trotz seiner äußeren Erscheinung so ungemein virtuos mit dem Ball umzugehen wusste, mit seinen raumöffnenden Pässen, mit seiner am Fuß klebenden Ballbehandlung und mit seinen fantastischen Freistößen, für die er kaum je gewürdigt wurde, mir aber immer mehr ins Herz wuchs.

Ja, später hat er in diversen dänischen Fastfoods andere Menschen verhauen und ging dafür sogar in den Knast, ja, er ist übermäßig tätowiert, was mir an sich überhaupt nicht gefällt, aber Verzauberung kann man sich eben nicht aussuchen.

[Hier Foto von meiner Badezimmerschrankinnenseite mit einem Kicker-Ausschnitt von Stig Tøfting einfügen.]

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Das Ende zweier keiner Ären

SPON schreibt über Werder Bremen: Das Ende einer Ära. Das mag sein, ganz so sicher kann man sich bei lediglich einer versauten Champions-League-Saison nicht sein. Wer 8x in 4,5 Jahren in der Champions League vertreten ist, muss sich doch nicht schämen, wenn er einmal in der ersten Runde ausscheidet, oder? Alleine die dauerhafte Qualifikation für die Champions League kann kein Indiz für eine schlechte Situation sein. Man könnte, so man den HSV der frühen 1980er annimmt, auch davon ausgehen, dass eine zweite Mannschaft der deutschen Bundesliga sich per se ins Halbfinale vorkämpft. Man muss es aber heutzutage nicht. Die regelmäßige Qualifikation und Befähigung, die Gruppenphase zu überstehen, ist sicher mehr als man erwarten darf. Wegen der geringen TV-Einnahmen. Wegen des gering ausgeprägten Zustands des deutschen Fußballs. Der wiederum nur am Geld liegt und nicht-niemals an den beteiligten Personen. Die Kohle, sofern vorhanden, brennt natürlich in unseren Händen. Aua.

Beim FC Schalke 04 hingegen muss man sagen: Welche Ära? Die Ära Assauer vielleicht? Die ist allerdings schon länger zu Ende. Es kann eigentlich nur Charly Neumann gemeint sein, das immerhin, war eine Ära, wenn auch nicht auf, sondern neben dem Platz.

Fußballerisch hingegen wird vom FC Schalke 04 der 00er-Jahr nur eins hängen bleiben: die vielen verpassten Gelegenheiten, Meister zu werden, welche man entweder Patrik Andersson sowie Stig Töftings Beiseite-Springen oder der eigenen, fehlenden Courage verdankt, indem man Spiele wie in Bochum oder in Stuttgart verlor, mit zitternden Knien und wahrlich wachsweichen Beinen auf den Platz lief, im Hinterkopf schon das mögliche Scheitern. Wenn man so will, ist das natürlich auch eine Ära, eine Ära des Scheiterns. Dann hatte Bayer Leverkusen wohl unter Daum und Toppmöller ebenfalls eine ganz besondere Ära. Nur war man da immerhin im Finale der Champions League, etwas, wovon man auf Schalke nur träumen kann.

Sollte diese Ära des Scheiterns nun endlich (aus Schalker Sicht) zu Ende sein, dann gäbe es genug Anlass für alle Schalker, sich entspannt zurückzulehnen und dem Pflänzchen positive Erwartungshaltung ab und zu ein wenig Wasser geben, auf dass es wachsen und gedeihen kann, denn schlimmeren Fußball als Schalke zur Zeit zeigt, kann es mit einem solchen Etat eigentlich nicht mehr geben.

Und wenn man dann noch bedenkt, dass es für Schalke immer auch wichtig ist, vor dem BVB zu stehen und diesen in den Derbies zu schlagen, dann muss man die Saison bereits abhaken, während genau das in Bremen noch nicht der Fall ist. Man darf durchaus einmal, zweimal gegen Mannschaften scheitern, deren Namen der gemeine Fan noch nie gelesen noch gehört hat. Was aber an der mangelnden Bildung des Fans liegt, und nicht an der Klasse oder Güte des Gegners.

Sich auspfeifen und sich selbst dem Sarlak überantworten darf man erst dann, wenn man wirklich keinen Ausweg mehr weiß: „Müller raus!“.

Ich halte das für eine richtige Maßnahme, jedoch erst nach dem Feuern der übrigen Beteiligten. Schalke ist im aktuellen Zustand ein Moloch, eine horrible Zukunftsvision, bei der man bei genauem Hingucken schon Angst bekommt. Man muss nicht mal hingucken, man muss nur hinhören: Bordon, Kuranyi, Rakitic, Altıntop, Jermaine Jones usw.

Man mag nicht mehr hingucken. Als Nicht-Schalker wird einem ohnehin schlecht dabei, wenn man sieht, wer sich da als Schalker ausverkauft.

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Knastgeschichten

Stig Tøfting war kurz nach der WM 2002 bekanntlich im Gefängnis. Über die Zeit hinter Gittern wollte er zunächst nichts erzählen. Das gab er dann aber doch preis:

„Ich habe es nicht als große Strafe angesehen, im Gefängnis zu sitzen. Es war ein bisschen wie im Trainingslager mit einer Fußballmannschaft.“

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