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Abstieg vs Finalniederlage — Ein Experte meldet sich zu Wort

Die Diskussion schwelt ja allezeit weiter, möglicherweise auch deshalb, weil man sie nie abschließend bewerten kann. Wie das so ist mit subjektiven Empfindungen, für die man zwar behelfsmäßig Zahlenwerte angeben kann, welche aber, wenn überhaupt angemessen, dann nur über die Intensität einer Empfindung berichten, nicht aber über deren Qualität.

Die zentrale Frage dieser Diskussion dreht sich darum, was schlimmer ist: Ein Finale zu verlieren, wenn man schon mehrere seiner Hände „am Pott“ hatte — oder abzusteigen?

Der Laie würde natürlich sagen: Der Abstieg ist schlimmer. Womit klar sein dürfte, dass auch Trainer Baade ein Laie ist.

Doch es gibt auch andere Stimmen, welche behaupten, dass eine solche Finalniederlage mindestens genauso schlimm sei wie ein Abstieg, womöglich aber schlimmer. Einen Abstieg könne man zum Beispiel reparieren, ein verlorenes Finale sei unwiederbringlich verloren. Außerdem könne man in einem Pokalwettbewerb viel weniger berechenbar und vorausplanbar Ergebnisse bringen und somit auch einen Finaleinzug nur schwerlich wiederholen. Etc. pp., es mag da noch viele weitere Argumente geben, die dennoch nichts darüber aussagen können, wie jeder einzelne es empfindet. Das kann nur jeder einzelne selbst.

Weshalb es immer wieder angenehm ist im Verlauf des Weiterschwelens dieser Diskussion, wenn sich mal einer der selbst Betroffenen zu Wort meldet. Als Fan hat man ja nicht selbst das Spiel verloren, sondern nur den Spielern beim Verlieren zugesehen. Wer auf dem Platz stand, sollte diese Frage also noch ein bisschen besser beurteilen können*.

So berichtet Markus Bark aus dem Trainingslager in Tourettes (hier muss man an jedem Witz mit Namen vorbeigehen), wie sich Lukas Podolski zur Frage äußert, ob die Champions-League-Finalniederlage des FC Bayern München einen Einfluss auf die Leistung jener Spieler im Nationaltrikot haben könnte:

„Ich [Link leider tot] bin auch** abgestiegen“, sagt Podolski, „das ist noch viel dramatischer.“ Ein Abstieg gefährde Arbeitsplätze im Klub, „das kann einen Verein in den Ruin treiben“.

Das ist doch mal eine klare, eindeutige Positionierung in dieser Diskussion.

Was er selbst oder der Fan jetzt beim Umgang mit dem Abstieg mit den Arbeitsplätzen zu tun hat, wird allerdings nicht so ganz deutlich. Die Gefahr, dass Podolski hier einfach nur wiederkäut, was Vereinsoffizielle zu einer solchen Angelegenheit verlautbaren, ist groß. Andererseits kann dieser Umstand, das Wiederkäuen, auch nicht bewiesen werden. Weshalb man Podolski also getrost auch der Trainer-Baade-Fraktion zurechnen darf, die da behauptet, dass ein Abstieg immer schlimmer ist als ein nicht gewonnener Titel.

Und wie unheimlich schwer so ein Abtieg für einen betroffenen Spieler wiegt, das macht Podolski dann auch gleich mal eindrucksvoll klar.

Zwei Tage habe er gebraucht, dann sei das schlimme Erlebnis bei seinem Herzensklub 1. FC Köln weggesteckt gewesen.

48h lang hat der arme Kerl gelitten, das ist so unfassbar lang, das man in dieser Zeit 115,2 Folgen der Sesamstraße am Stück sehen oder auch 96x mit dem Zug von Bergheim nach Köln Hauptbahnhof (ohne umsteigen) fahren könnte. Kaum vorstellbar, welche Dimensionen der Schmerz gehabt haben muss, wenn er nach ganz langen 24h mit einem Mal Drüberschlafen noch gar nicht verarbeitet war.

Andererseits ist damit auch klar, wie lange ein Vollprofi an einer Finalniederlage zu kauen hätte. Denn Podolski sagt ja vorher klipp und klar, dass ein Abstieg schlimmer sei als eine Finalniederlage. Zwei Tage braucht man für die Verarbeitung des Abstiegs, somit einen Tag, maximal anderthalb Tage für die Verarbeitung einer Finalniederlage.

Doch Halt, natürlich gelten diese Werte nur für Podolski allein. Dass viele Fans deutlich längere Spannen benötigen, um einen Abstieg/eine Finalniederlage zu verarbeiten, darf man getrost mit einem kölschen Sprichwort beschreiben:

Jeder Jeck ist anders.

* Was natürlich Unfug ist, denn der Fan wechselt bei Abstieg nicht den Verein, während — siehe zufällig dieses hier genannte Beispiel — der Spieler statt in Ingolstadt nächstes Jahr in London und in der Champions League gegen Real Madrid (das richtige, nicht das des Westens) spielt.

** Niemand weiß, auf wen sich Podolski mit seinem „auch“ bezieht.

9 Kommentare

  1. Um mal eine ganz andere Dimension einzuführen: Zeit.

    Bei einem Abstieg, sofern es einer ist, der sich schon seit dem ersten Drittel der Saison andeutet: Man hat mehr Zeit, sich innerlich darauf vorzubereiten und ist bei Feststehen des Abstiegs auch nicht mehr unbedingt ganz hart getroffen, da es ein langsamer, schleichender Prozess ist.

    Bei einem Abstieg, der bis zum letzten Spieltag hätte verhindert werden können oder einer Finalniederlage sehe ich das so: Das momentane Ausmaß ist bei beiden etwa gleich schlimm, die Enttäuschung gleich groß. Der einzige qualitative Unterschied: Bei einem Abstieg hat der Verein noch eine ganze Saison lang mit den Folgen zu kämpfen, er will ja wieder hoch. Bei einem verlorenen Pokalfinale hat man, zumindest meistens, in der Folgesaison wieder eine Chance auf den Titel.

  2. Manfred Manfred

    Podolskis ‚auch‘ dürfte sich auf die Finalniederlage bei der EM 2008 beziehen, vermute ich jedenfalls.

  3. netzberg netzberg

    Abstieg ist eine Summe, Niederlage ein immer finaler Einzelfall.

  4. McP McP

    Ich denke, bei Absteigern gibt es auch verschiedene Kategorien, z.B. echte Schmerzen und Phantomschmerzen. Als Fan der besseren Mannschaften aus Köln, Frankfurt, Nürnberg, Berlin sollte der Abstieg doch (nach 48h) eher was Schönes sein. Letztlich weiß man doch, dass der Verein doppelt so viel Kohle raushaut wie die kleinstädtische Konkurrenz und man eine Saison mit vielen Siegen und finalem Aufstiegsplatzsturm vor sich hat. Eine entspannte Wohlfühlsaison mit Luxusproblemen also. Einmal (bis auf Weiteres) Bayern München sein, zumindest in der Zweiten. Wo ist da das Problem?

  5. Tom Tom

    Genau darüber hatte ich unlängst auch im Blog nachgedacht, als die Eintracht den Aufstieg klar gemacht hat. Hatte mich nämlich dabei erwischt, die Zweitliga-Saison eigentlich ganz nett zu finden. Aber eingeordnet ins große Ganze ist Absteigen doch Murks. Entgangene Kohle, Panikkäufe etc…

  6. Sebastian [Werbelink entfernt] Sebastian [Werbelink entfernt]

    Das, was meine Hertha diese Saison und vor allem in den Relegationsspielen mitmachen musste, ist in meinen Augen noch schlimmer, als was Bayern passiert ist…

  7. Dominik Dominik

    Ich bin ganz bei Sebastian. Woche für Woche beschissene Spiele abzuliefern und die Einsicht, vollkommen zu Recht aus der Liga abzusteigen ist doch viel ätzender als mal ein popeliges Spiel, und sei es auch unverdient, zu verlieren. Eigentlich.

  8. netzberg netzberg

    McP: es ist ein großes problem. und der fahrstuhl ist die ewige lüge des ‚es geht nur aufwärts‘.
    es gibt keinen fcb außer dem fcb. (extra: kleinschreibung)

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