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Eine Art Berliner

Man sollte skeptisch werden, wenn es im Vorfeld einer Bundesliga-Übertragung Absagen hagelt. Absagen an das Anliegen, die Samstagabend-Paarung in einer Kneipe gemeinsam zu schauen. Man sollte skeptisch werden, wenn schon die eigene Motivation bei der Paarung Hoffenheim-Hamburg ungeahnte Tiefen erreicht, und man sollte erst recht skeptisch werden, wenn bei den Begründungen für die Absage, ein Fußballspiel im Fernsehen zu schauen, tatsächlich solche Prachtexemplare dabei sind, wie dass man die hart arbeitende Freundin nach ihrem samstäglichen Einsatz „mal wieder ein wenig umsorgen“ wolle. Lieber die Freundin umsorgen als Bundesligaschauen? Man hätte auf das Schwarmbauchgefühl vertrauen sollen, dass sich da eine große Langeweile abzeichnet.

Selbst Schuld ist, wer dann trotzdem hingeht, in der Erwartung, wenigstens die sonst üblichen bekannten Gesichter von unbekannten Menschen zu treffen, Fußballatmosphäre werde sich schon einstellen. Wenn man dann aber auf genau niemanden in dieser ausgesprochen fußballlastigen Kneipe trifft, in Zahlen sind das 0, dann ist wirklich alles verloren.

Fast, denn es geht ja immer noch schlimmer. „Unterdurchschnittlich“, „mäßiges Niveau“ und „wenig unterhaltsam“ heißen die Euphemismen, die professionell schreibende Menschen für Partien bereithalten, wie sie gestern die TSG und der HSV aufführten. Und diese Vokabeln täuschen, sie betrügen und sie verzerren, denn es war nicht unterdurchschnittlich, was die 22 plus ein paar Gewechselte schließlich auf dem Rasen zeigten, es war unterirdisch, es war grausam und es war schlicht nicht zum Ansehen.

Weshalb es sich ganz gut traf, dass die Kneipe Reiseführer auslegt, auf der Fensterbank, in denen man sich darüber informieren kann, wo man am besten ein Bier trinken geht, in Mexiko, in Australien oder eben in Neuengland. Und wie man welche Spezialität bestellt, wenn man schon mal dort ist:

brill ist der Meerbutt.
cod bedeutet Kabeljau.
Brussels sprouts ist Rosenkohl.
braised ist geschmort.

Die Universität in Boston ist die älteste in den USA; es gibt interessante Fahrradtouren durch Neuengland zu machen und das Klima ist die meiste Zeit des Jahres vergleichbar mit mitteleuropäischem.

Dass der Reiseführer schon länger dort auslag, erkannte man daran, dass sich der Autor genötigt sah, in dem kurzen Bereich mit Übersetzungen von Ausdrücken aus dem kulinarischen Metier auch zu erläutern, was denn ein „Donut“ sei.

Eine Art Berliner.

Wenn man zwei dieser „Art Berliner“ nebeneinander legt, zeigen diese übrigens das Ergebnis der gestrigen Partie.

2 Kommentare

  1. PeterG PeterG

    „Es war unterirdisch, es war grausam und es war schlicht nicht zum Ansehen.“

    Das hat rhetorisch gesehen Beckenbauer-Niveau.

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