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Fortuna Sittard und der musische Maler

Es gab zwei Konzerte in meinem Leben, die mich besonders enttäuscht zurückließen. Das eine war jenes von Tocotronic in Dortmund, wo die Menschen auf der Bühne nichts Besseres zu liefern hatten als Publikumsbeschimpfung und Verächtlichmachen des Ruhrgebiets. Gnadenlos peinlich und schlecht, auch wenn es musikalisch gut war. Aber Tocotronic ist so etwas wie der „Soundtrack of my life“, und da hätte ich dann doch irgendwie mehr als nur an jenem Abend schlechtgelaunte Fuzzis erhofft.

Das andere war jenes von Funny van Dannen. Ich hatte kein besonderes Faible für ihn, auch wenn ich viele Songs von ihm kannte. Irgendjemand war mit Zahnschmerzen ausgefallen, sodass ich mehr oder weniger zufällig in den Genuss seines Konzertes im Ringlokschuppen in Mülheim kam. Natürlich mag man seine Texte, sie sind hintersinnig und amüsant. Auf Liedermacher stehe ich eigentlich nicht so, weshalb er vielleicht von vorneherein schlechte Karten bei mir hatte, aber ich hätte mich gerne positiv begeistern lassen.

Leider spielte er die Songs 1:1 so, wie man sie von seinen Alben kennt, was, wie ich erst kürzlich erfuhr, daran liegen könnte, dass alle seine Songs live aufgenommen werden, also eben bei Konzerten. Es gibt keine Variationen, keine Arbeit im Studio, er singt und spielt einfach und das ist dann auch das, was man auf einem Konzert hört.

Allerdings war es so, dass er zwischen den Songs genau so viele Worte für sein Publikum bereithielt:

Gar keines. Er redete nicht ein Jota, keine Einleitung zum nächsten Song, kein Hallo Mülheim, keine Erklärung, was er wie bei welchem Song gemeint oder gedacht hat. Die Songs an sich kamen gut an, es herrschte gute Stimmung, allein ich fühlte mich ein wenig nicht abgeholt.

Mundfaul, etwas, oder auch davon überzeugt, dass seine Songs schon für sich sprechen würden. Mag sein, ich war ein wenig beleidigt, jetzt geh ich schon extra hier hin, um Funny van Dannen am Mikro zu sehen und hören, und er redet kein einziges Wort.

Eigentlich war er damit bei mir in Ungnade gefallen, was ihn natürlich herzlich wenig kümmern sollte, doch dann trat er letzte Woche beim „Montalk“ auf, einer einstündigen Talksendung auf WDR2 mit wechselnd unterhaltsamen Gästen.

Dort, und jetzt kommt erst der Teil, der hier fürs Blog relevant wird, verriet er, dass er das Abi drei Monate vor Erreichen geschmissen habe. Vornehmlich, weil er Stress mit fast allen Lehrern hatte, weil er sie korrigierte und ihnen erzählte, was sie falsch machen. Und von Fortuna Sittard gekauft hätte werden sollen. Aufgewachsen in Selfkant, bis 1963 nach dem Krieg den Niederlanden zugehörig, waren es von seiner Heimat bis nach Sittard nur wenige Meter. Fortuna Sittard war damals Zweitligist in Holland, wolle Funny van Dannen für 3.000 Gulden kaufen, doch der Heimatverein van Dannens verlangte 11.000 Mark.

Er trainierte längere Zeit dort mit, durfte aber wegen des noch nicht abgeschlossenen Wechsels nicht spielen. Er war wohl Libero, und er sagt noch heute, dass das eigentlich etwas gewesen wäre, was er gerne gemacht hätte, Profifußballer sein. Wenn er heute den grünen Rasen und das Flutlicht sieht, bekommt er immer noch dieses Sichangezogenfühlen von diesem Ambiente.

Was man hier nur allzu gut nachempfinden kann.

Was machte Funny van Dannen aber, nachdem sich die beiden Vereine nicht über diese aus heutiger Warte lächerlich niedrige Ablösesumme einigen konnten? Er gab das Fußballspielen auf. Unfassbar, einfach so. Er zog nach Berlin, wurde eben jener Funny van Dannen, der er damals noch nicht war, wurde Maler und nicht zuletzt Lyriker und Musiker. Rocko Schamoni vermittelte ihm dann irgendwann den Kontakt zu Campino, welcher mehrere seiner Texte für seine Songs verwendete. Am bekanntesten sicher „Niemals zu den Bayern gehen“ und Funny van Dannen erklärt auch in Interviews, dass es darin nicht um Bayern-Hass ginge, sondern darum, dass junge Spieler ihre vielleicht hoffnungsvolle Karriere nicht mit einem unbedachten Wechsel wegwerfen mögen. So wie er selbst es quasi, ungefähr, getan hat.

In vielen Interviews liest man dann immer wieder von seiner immer noch existierenden Liebe zum Fußball und ja, damit hat er dann seinen maulfaulen Auftritt im Ringlokschuppen wieder wettgemacht. Ein Musiker, Maler, der Fußball liebt und fast Profi geworden wäre. Wo gibt es sowas sonst noch? Ein Hoch auf Funny van Dannen und aufs Flutlicht generell.

Einige Interviews mit viel Fußballbezug gibt es hier:

„Muss mich für den FC schämen“ (Welt)
„Das Dunkle des Dschungels“ (11Freunde)
„Ich war nie so ein Brecher“ (Frederik Jötten)

Aus letzterem Link stammt dann auch diese Antwort:

„Funny van Dannen, in einigen Ihrer Lieder outen Sie sich als Fußball-Fan. Träumten Sie selbst einmal von einer Fußball-Karriere?

Würde ich immer noch jeder Karriere vorziehen, sofort.“

Applaus!

5 Kommentare

  1. netzberg netzberg

    Jetzt weiß ich endlich, was es mit den „ClubSongs“ wirklich auf sich hat; und daß sich van Dannens Hymne auf „Rote Schuhe“ als Prognostik für den Fußballrasen hören läßt! – Danke.

  2. Habe den Podcast zur Sendung auch unter der Woche im Auto gehört. Sehr interessante Sendung über und mit Funny van Dannen war das.

  3. „Ein Musiker, Maler, der Fußball liebt und fast Profi geworden wäre. Wo gibt es sowas sonst noch?“

    Peter Schilling („Major Tom / Völlig losgelöst“) soll als 15-jähriger ein Angebot vom VfB Stuttgart gehabt haben, entschied sich dann aber doch für die Musik.

  4. Interessanter Beitrag, aber mit der Musik ist es oft genau wie beim Fußball: jeder glaubt, er kanns ;)

  5. FelixK FelixK

    Vermutlich vielen bekannt, aber der recht erfolgreiche Rapper Marteria hat in der Jugend bei Hansa Rostock gespielt und wurde auch mal in die U17 Nationalmannschaft berufen, war also auch nicht ganz so weit von einer Karriere im Fußball entfernt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Marteria

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