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Schlagwort: MLS

Hail Mary!

Oder auch: Jessesherrgottmaria! Was war das?

Der Zufall führte letztens in einer schlaflosen Nacht zum TV-Sender Eurosport. Das geschieht sonst nie, weil man hier nicht über Eurosport verfügt. Auf diesem Sender begann jedenfalls gerade eine Übertragung aus der Großen Liga Fußball, oder wie man es vor Ort nennt Major League Soccer. Die Portland Timbers empfingen in ihrem zum 102. Mal in Folge ausverkauften (Rekord in der Großen Liga Fußball) Providence Park ihren Gegner, die Colorado Rapids.

Kommentator der Partie war Marco Hagemann, bekannt und als sympathisch befunden vor allem von seinen Auftritten bei sportradio360, aber zuletzt auch bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft als angenehm dezenter und ebenso nah am Spiel Kommentierender empfunden. Das war in dieser Partie anders, doch dazu später mehr.

Die Portland Timbers sind amtierender Meister in den USA. Etwas, was nur aufgrund des Playoff-Systems nach der regulären Saison möglich wurde. Nach dem normalen Ligabetrieb waren sie in ihrer einen von zwei Conferences nämlich nur Dritter, insgesamt also fünft- oder sechstbestes Team des höchsten amerikanischen Fußballs gewesen.

Sinnhaftigkeit solcher Playoffs soll hier auch gar nicht das Thema sein. Es steht nirgendwo in Stein gemeißelt, dass man sein Ligensystem nicht zusammenklöppeln kann, wie man gerade lustig ist. Der kurze Blick über die Grenze nach Belgien sei da empfohlen. Der Hinweis, dass hier mit den Portland Timbers der amtierende Meister der USA antrat, soll auch nur verdeutlichen, dass damit das sportlich-nominell beste Team dieser Liga an den Start ging. In jedem Fall eines der Topteams.

Gegner waren wie erwähnt die Colorado Rapids, deren Position innerhalb der Liga keine weitere Rolle spielt. Ansehnlich gestaltete Vorspänne wurden geschaltet, alles sehr amerikanisch. Vorfreude weckend auf einen schönen Fußballabend, gelungen dies. Ohnehin ist man hier ja Liebhaber dieser so auffallend anders gestalteten Wappen und auch Trikots der Clubs in den USA.

Was dann nach Anpfiff folgte, verschlug aber beinahe den Atem.

Allerdings nicht vor Anmut vor der Kunst der Kicker auf dem Platz. Da ging es 90 Minuten lang rauf und runter, wie man es in jeder Hobbyliga noch nicht planloser gesehen hat. Ständige Einzelaktionen und technische Schwächen führten dazu, dass der Ball beinahe wie auf dem Schulhof alle paar Sekunden seinen Besitzer wechselte. Was dann erstaunlicherweise doch wiederum zu regelmäßigen, aber ebenso wenig planvollen Torabschlüssen führte.

Einerseits jubilierte das Fußballherz: Es fehlte nur noch ein wenig Regen, der für Matsch auf dem Rasen im Providence Park sorgen würde, und man hätte eine jener Partien, wie man sie selber etliche Male auf den nur notdürftig als Sportplätze verkleideten Sümpfen des Niederrheins geschlagen hatte. Wunderbares Hin- und Her-Gerenne, jeder darf mal an den Ball, mit dem er dann ein bisschen vor sich hinspielt oder kopflos in Zweikämpfe stürmt, bis ihm der Ball wieder abgenommen wird, woraufhin der Gegner sich in ähnlichem Gestochere versucht. Die Pässe kommen über 10 Meter nicht an und falls doch, springen sie dem Empfänger so hoch vom Fuß, dass man den Ball mit bloßem Auge vom Ruhrgebiet aus über dem Himmel von Portland schweben sehen kann. Kurzum: ein echtes Fußballfest urtümlicher Brauart.

Andererseits bleib einem fast das Herz stehen angesichts der dargebotenen Spielweise. Wie konnte das eine der besten Mannschaften des Profifußballs in den USA sein – und nicht eine Stadtauswahl, die gegen ihre Nachbarstadt antritt, etwa auf Landesliga-Niveau oder gar nur aus Spaß, ein alter Brauch, ein solches Duell auszutragen? Konnte diese ständige Enge und der geringe Raum daran liegen, dass das Spielfeld ungewöhnlich klein wirkte? (Das war erst später aufzuklären: ja, der Providence Park besitzt nur ein Spielfeld von 101×64m.) Selbst dann hätte man bei einer Partie zweier Teams auf dem höchsten Niveau eines Landes mit über 300 Millionen Einwohnern etwas anderes erwartet, als das im vorigen Absatz Beschriebene. Um nicht das berüchtigte Bild vom Unfall zu zitieren, bei dem man nicht wegsehen kann: Es war mehr als nur ein wenig Grusel dabei, dass die armen, treuen 20.000 Fans in Portland keine Wahl hatten als diesen Fußball anzusehen – er ist ja schon das Beste, was die USA zu bieten haben.

Zunächst war man noch von einer dieser typisch stürmischen Anfangsphasen ausgegangen, in der ein Team das andere überrumpeln oder auch -rollen will, bis sich die Partie auf normalen fußballerischen Level einpegelt. Doch die ersten 10 Minuten mit vier bis fünf Torabschlüssen waren keine Ausnahme, sondern die Regel. Es ging 90 Minuten lang hin und her – ohne jegliche Form von Tempodrosselung oder auch nur einer erahnten Kontrolle über das Spiel von einem der beiden Teams. So wie alle im Hobbyfußball eben immer dem Ball hinterherhecheln, bis es wieder in die andere Richtung geht. Bis der nächste Stockfehler oder Fehlpass folgt, woraufhin es wieder in die andere Richtung geht. Bis der nächste Stockfehler oder Fehlpass folgt, woraufhin es wieder in die andere Richtung geht ad lib.

Was für ein shock, ladies and gentlemen!

Wenn das der höchstklassige Fußball in den USA ist, grenzt es an ein Wunder, dass die USA jemals die Vorrunde bei einer WM überstanden haben, wenn man es arg mit ihnen meint, könnte man behaupten, sie würden sich mit diesem Niveau in Europa überhaupt niemals qualifizieren. Verständlich, dass sich Jürgen Klinsmann ständig nach in Europa sozialisierten, aber für die USA spielberechtigten Kickern umsieht. Mit diesen Kraut und Rüben, Verzeihung, mit diesen Timbers und Rapids wäre jedenfalls kein Weltpokal zu gewinnen.

Nun gibt es auch in der Bundesliga, in jeder Liga der Welt immer wieder grauenhafte Spiele. Diese sind es aber oft, weil die Teams sich neutralisieren und nichts passiert, keine Torchancen entstehen (wobei solche Partien natürlich auch besonders sehenswert sein können). Ihr grundsätzliches technisches Vermögen können aber die wenigsten Spieler über 90 Minuten verbergen. Und so wird dann auch bei schlechten Partien sichtbar, auf welchem technischen Niveau sich diese Teams bewegen. Jenes in dieser Partie zwischen den Portland Timbers und den Colorado Rapids ließ irgendeine Form von Niveau nur in äußerst geringen Dosen erahnen, sagt jemand, dessen Auge vom an sich schon schlimmen Fußball in Deutschlands 3. Liga geschult ist.

Mag auch einiges zur Entlastung vorzubringen zu sein – der Platz war eben deutlich spürbar kleiner als die Standardmaße und es ging wohl laut Marco Hagemann um ziemlich viel, also ein eventuelles Nichterreichen der Playoffs zu verhindern, eine lange Saison, müde Spieler – das war kein Niveau, mit dem man in der 2. deutschen Liga längerfristig würde mitspielen können.

Umso mehr überraschte es, dass erwähnter Marco Hagemann unablässig damit beschäftigt war, all seine Karteikarten herunterzuleiern. Und zwar ohne Pause. Auf dem Platz ging in den ersten 10 Minuten – und wie erwähnt allen weiteren – ein Feuerwerk an Torraumszenen ab. Und nach diesen ersten 10 Minuten hatte Hagemann kaum einmal Bezug zum wahnwitzig anmutenden Geschehen auf dem Rasen genommen, sondern erläuterte, welcher Spieler wo vor 3 Wochen 2 Tore erzielt hatte und was nicht alles zum ersten oder letzten Mal (Rekord! Rekord!) in der MLS geschehen sei, 3 Tore an einem Freitag bei Flutlicht von einem aus Idaho stammenden Spieler etc. Allerdings dämmerte später, dass Hagemann wohl schon einige Partien mehr aus der MLS verfolgt hatte und dieses Trommelfeuer aus Stockfehlern und Torchancen gewohnt war. Er wusste wohl: Es lohnt sich nicht, bei Ballverlust Dramatik in die Stimme zu legen – der nächste Ballverlust ist sowieso immer nur ein paar Sekunden entfernt.

Am Ende gewannen die Hausherren, die wohl über die europäischen Fanszenen ähnlichste Anhängerschaft in der MLS verfügen (“Timber Army”) durch einen Strafstoß mit 1:0. Die Fans und Spieler jubelten nach Abpfiff, einem selbst war aber immer noch ein wenig schwindelig von dieser Art Fußball, die man seit der Schulzeit so nicht mehr erlebt hatte. So ähnlich muss auch Kick and Rush in früheren Jahren in England abgelaufen sein, auch wenn es in Portland nicht allzu viele lange Bälle gab. Man fürchtete fast, weil die Spieler nicht in der Lage wären, überhaupt Pässe über 50 Meter zu schlagen.

Wie dem auch sei, wer urwüchsigen Fußball in Profi-Atmosphäre sehen will, dem seien die Übertragungen der MLS ans Herz gelegt. Hier wird man darauf jedenfalls ein Auge haben, wenn es einem wieder nach Hin und Her und planlosem Gekicke auf dem Großfeld dürstet. Und der Liebling in der MLS dürfte jetzt auch feststehen. Die Portland Timbers mit ihrem so anachronistischen Fußball erzwingenden viel zu engen Spielfeld im Stadion. Herrgo … äh Herrlich!

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On the road again

Einer der Gründe, warum Steven Gerrard darüber nachdenkt, von LA Galaxy zurück nach Liverpool zu wechseln, sind die enormen Reisestrapazen, die ein Spieler in der MLS ertragen muss. Was sich bei einem Club in LA noch mal verschärft, da es kaum nahe liegende Nachbarn in der MLS gibt. 44.000 Meilen muss er in einer normalen Saison fliegen, das sind etwa 70.000 Kilometer, also beinahe zwei mal um die Erde. Wobei in den USA natürlich noch der Stressor der unterschiedlichen Zeit- und Klimazonen bei den Auswärtsspielorten hinzukommt.

In einer früheren Version stand hier, dass es 22.000 Meilen wären, das war aber nur die einfache Strecke. Es sind also 44.000 Meilen, Danke an den Hinweisgeber Asgeirsson in den Kommentaren.

Das sah in England, insbesondere wenn man so wie Liverpool noch relativ mittig liegt, natürlich völlig anders aus.

Schwupps sind wir aber schon bei der Frage, wie viele Kilometer denn so ein Bundesligaspieler pro Saison reisen muss. Auch hier dürften die weitab der meisten anderen liegenden Clubs wohl die längsten Strecken zurückzulegen haben. Flugs mal eben die Entfernungen per www.luftlinie.org addiert, kommt man für den:

FC Bayern München

  • 56 – Augsburg
  • 70 – Ingolstadt
  • 190 – Stuttgart
  • 233 – Sinsheim
  • 287 – Darmstadt
  • 304 – Frankfurt
  • 317 – Mainz
  • 455 – Köln
  • 461 – Leverkusen
  • 477 – Dortmund
  • 479 – Wolfsburg
  • 488 – Hannover
  • 493 – Gelsenkirchen
  • 501 – Mönchengladbach
  • 504 – Berlin
  • 582 – Bremen
  • 612 – Hamburg

auf 6.509 Kilometer einfache Strecke und hin und zurück demgemäß auf 13.018 Kilometer, also etwa ein Sechstel (siehe Hinweis oben) der Entfernungen, die Steven Gerrard in einer Saison zurücklegen muss (allerdings immerhin auch noch ein Mal durch die Erde). Anders sieht das bei der sehr zentral positionierten

Eintracht Frankfurt

  • 26 – Darmstadt
  • 32 – Mainz
  • 96 – Sinsheim
  • 152 – Stuttgart
  • 152 – Köln
  • 157 – Leverkusen
  • 177 – Dortmund
  • 191 – Gelsenkirchen
  • 198 – Mönchengladbach
  • 248 – Ingolstadt
  • 252 – Augsburg
  • 262 – Hannover
  • 295 – Wolfsburg
  • 304 – München
  • 329 – Bremen
  • 393 – Hamburg
  • 424 – Berlin

aus, da sind es dann nur 3.688 Kilometer für die einfache Strecke, somit insgesamt 7.376 Kilometer – also nur etwas mehr als die Hälfte der Reisestrecke, die die Spieler des FC Bayern München zu bewältigen haben. Ein klarer Vorteil, der sich schon jetzt, nach einem Drittel der Saison bemerkbar machte: Logisch, dass die Bayern gegen derart ausgeruhte Gegner kaum eine Chance hatten und gerade eben noch ein glückliches 0:0 halten konnten.

Ebenfalls bemerkenswert: 9 der Reiseziele liegen für Eintracht Frankfurt weniger als 200 Kilometer (eine objektiv subjektiv empfundene Schmerzgrenze für Auswärtsfahrten*) entfernt. Somit kann man bei gleich 9 Auswärtsspielen mitfahren, ohne komplette Sams- oder Sonntage zu verbraten. Bei den Bayern sind es dagegen gerade mal 3 Auswärtsstationen unter 200 Kilometern, wobei Stuttgart mit 190 Kilometern Entfernung da schon wieder hart an der Grenze liegt.

Dieser Wert der Gesamtreisekilometer muss für jeden Club unbedingt in die Berechnung der Ausschüttung der TV-Gelder nach Zahl der mitreisenden Auswärtsfans einfließen, schließlich verbraucht man nicht nur Zeit pro Strecke, sondern vor allem Geld.

* Was nicht bedeutet, dass man hier keine Auswärtsfahrten über 200 Kilometer Entfernung absolvierte, nur ist dann definitiv vom Tag nichts mehr für andere Dinge zu gebrauchen.

PS: Sehr billig auch von Ralf Rangnick, die Zahl der von Fortuna Düsseldorf nach Leipzig (389 Kilometer) mitreisenden Zuschauer also mit jener der von Leipzig zum Spiel nach Union Berlin (149 Kilometer) zu vergleichen. Wahrscheinlich kann man sich als Millionär einfach nicht mehr vorstellen, dass die Entfernung bei einer Reise neben einem zeitlichen auch ein finanzieller Faktor ist. Aber das (Ralf Rangnick) ist ein anderes Thema, wie es ja ohnehin um die Strapazen der Spieler nicht der Fans ging.

PPS: Man sehe mir nach, dass ich das jetzt nicht für jeden Verein einzeln aufgedröselt habe, wer mag, kann das ja für seinen Herzensclub (oder den, der am nächsten liegt) mal ausrechnen und hier nachtragen. Muss aber nicht. Die Größenordnungen werden hoffentlich auch so deutlich.

Club Gesamtstrecke
Hertha BSC 14.112
FC Bayern München 13.018
Hamburger SV 12.480
Eintracht Frankfurt 7.376
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Neues aus der Rubrik „Mindestens ein Viertel“

Wozu gibt es eigentlich Wikipediaseiten? Quizspiele? Ranglisten von Stadtgrößen? Wozu das alles, wenn Torsten Frings sie nie benutzt?

Ich habe ein Apartment in einem der vielen Wolkenkratzer bezogen. Toronto ist eine Weltstadt mit rund fünf Millionen Einwohnern, also nicht so klein wie Bremen, wo ich jahrelang einer von vielleicht 100.000 Menschen gewesen bin.

Vielleicht auch einer von 2.000? Einer von 7 Miliarden? Eulersche Zahl? Wer weiß das schon so genau?

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Landon Donovan — Durchbruch oder Hattrick des Scheiterns?

Ein Spieler aus den USA wechselt nach Deutschland.

Das ist heutzutage nicht mehr ganz so selten wie noch zur WM 1950, als die USA England mit 1:0 schlugen und britische Zeitungen das Ergebnis für einen Übermittlungsfehler hielten und deshalb mit dem Ergebnis 10:1 für England aufmachten. Dass aber ein amerikanischer Fußballer als würdig erachtet wird, beim hiesigen Meisterschalenmagneten anzuheuern, ist dann doch noch mal etwas Besonderes: Landon Donovan, zuvor schon zwei Mal bei Bayer Leverkusen gescheitert, wechselt zu Bayern München, wobei die Vokabel gescheitert hier noch untertrieben klingt. Bei seinem zweiten Versuch in der Saison 2004/2005 absolvierte er gerade mal 7 Spiele für Bayer Leverkusen mit dem Resultat einer Torvorlage. Noch ernüchternder wurder er 6x dabei nur eingewechselt und 1x ausgewechselt; somit stand er nur ein einziges Mal überhaupt von Beginn an auf dem Platz. Nicht besser erging es ihm bei seinen zwei Einsätzen in der Champions League im Achtelfinale gegen den FC Liverpool: Beide Male wurde er nur eingewechselt und schied mit Bayer durch zwei 1:3-Niederlagen aus.

Endergebnis dieser kurzen Eskapade war die Flucht zurück in die MLS, wo er — zuvor von San Jose Earthquakes kommend — bei LA Galaxy anheuerte, dort allerdings immer mehr zu einem der prägenden Gesichter der MLS wurde.

Wie sind Donovans Chancen bei seinem dritten Versuch in der Bundesliga, und auf welcher Position wird er überhaupt spielen?

Dass Donovans Chancen auf einen Durchbruch in der Bundesliga in seiner Heimat nicht allzu rosig gesehen werden, zeigt das Interview in Jürgen Kalwas Beitrag vom November zu diesem Thema. Gleichzeitig sehen wir dort nicht nur einen absolut vom Gegenteil überzeugten Jürgen Klinsmann, sondern lesen auch ein Interview mit Joshua Meyers von The Beautiful Game, der Donovans Chancen wesentlich besser einschätzt als die vermeintlichen Experten vom TV.

So haben auch wir heute ein paar Fragen an einen hiesigen Experten für Landon Donovan, auch wenn dieser angesichts der Kürze von Donovans Aufenthalten in Deutschland nur ein kleiner Experte sein kann. Jens Peters von Catenaccio beantwortet uns einige Fragen zu diesem trotz seines geringen Alters (Jahrgang 1982) schon mit recht hoher Stirn geplagten potenziellen neuen Liebling Jürgen Klinsmanns:

Jens, wie sind Deine Erinnerungen an die beiden Versuche Donovans, sich bei Bayer Leverkusen durchzusetzen und hast Du überhaupt noch eine Erinnerung an dessen ersten Versuch?

Tatsächlich ist es schwierig, sich an die erste Zeit von Landon Donovan zu erinnern. Es hieß, man habe ein Jahrhunderttalent verpflichtet, aber gesehen hat ihn keiner. „Zu weit vom Kader weg,“ waren Berti Vogts‘ Worte damals. Dass dies wohl in doppelter Hinsicht gemeint war, ahnten die wenigsten. Der junge Mann kam wohl überhaupt nicht mit Europa klar, worunter dann auch das spielerische Leistungsvermögen litt und dann war er auch schon wieder weg.

Für den Fan an sich war das nicht so wild, denn einem 18-jährigen Talent kann man ruhig etwas Entwicklungszeit gönnen und schließlich war Donovan ja auch nur in die Staaten ausgeliehen. Kritischer wurde das Ganze, als er dann drüben für die US-Nationalmannschaft und in der Liga immer besser wurde und wirklich gute Leistungen abrief. 2002, nach einer tollen WM mit den USA, sollte er dann wieder in die Bundesliga, aber so richtig wollte er nicht. Das stieß übel auf. 2005 kam er dann ins Rheinland zurück, rutschte aber in ein Team, das zwar Potenzial hatte, aber irgendwie nicht zusammenpasste. Donovan kam erneut nicht zurecht und verabschiedete sich mit einem erbärmlichen Spiel gegen Liverpool, in dem ihm die komplette Verunsicherung anzusehen war.

Wurde damals in irgendeiner Form publik, dass Donovan so gut deutsch spricht, wie Jürgen Kalwa es in seinem Beitrag erwähnt? Gab es Bayer-interne Interviews oder mal sonst einen Kontakt mit den Fans?

Ehrlich gesagt kann ich mich da an nichts erinnern, aber das soll auch nicht unbedingt etwas heißen. Es wundert mich im Nachhinein allerdings schon, denn Sprache begünstigt ja bekanntlich Integration und die hat ja sonst gar nicht bei ihm geklappt. Weder auf dem Platz, noch daneben.

Woran, glaubst Du, ist er damals gescheitert und wer waren seine Hauptkonkurrenten im Team? Würdest Du diese aus heutiger Sicht auch noch als stärker als Donovan damals einschätzen?

Schwer zu sagen. Zum einen gab es da den Fußballer, der ein unglaubliches Talent hatte und in seinem Land sehr gefördert wurde. Auf der anderen Seite gab es den Menschen, der wiederum ein intaktes und heimeliges Umfeld benötigte, um gut spielen zu können. Ich glaube beim Umfeld hat es dann gehapert, obwohl man in Leverkusen ja alles probiert, um ausländische Spieler zu integrieren. Vielleicht hätte man dafür aber seine Frau bzw. seine Familie mit nach Deutschland holen müssen. Hinzu kamen dann die Erwartungen der Amerikaner, die ihn als Botschafter des US-Fußballs gesehen haben, sowie die Ansprüche der Trainer und Fans in Leverkusen, denen Donovan nie gerecht werden konnte. Ebenfalls ungünstig war, dass das Leverkusener Team 2004/2005 zwar ungeheures Potenzial hatte, aber nicht wirklich ein Team war. Schwer für einen Spieler, dann mitten in der Saison dazu zu stoßen. Ponte, Freier, Schneider, Krzynowek, Babic, Bierofka, Ramelow spielten damals um die Plätze im Mittelfeld. Von denen spielt im Moment eigentlich kaum mehr einer auf Bundesliga-Niveau, von daher hat sich Donovan vielleicht zum Positiven verbessert.

Und wie schätzt Du die aktuellen Chancen für Donovan ein, gerade unter der Prämisse, dass Podolski nun ohnehin ein Dead Man Walking ist?

Gut. Wie schon aller Orten beschrieben wurde, scheint er wesentlich gefestigter zu sein als vor ein paar Jahren. Niemand erwartet den ganz großen Wurf von ihm. Als die Bayern ihn zum Probetraining bestellten, haben erstmal alle gelacht, aber Klinsmann ist ja US-Kenner und ein großer Fürsprecher von ihm, so dass ich glaube, dass er mehr Spiele machen wird als bei Bayer damals. Die Testspiele waren ja schon sehr vielversprechend.

Wo waren damals die Stärken und wo, vermutest Du, wird er diese heute bei Bayern einsetzen können?

Donovan spielt Fußball. Das ist seine größte Stärke. Er kann dribbeln, den Ball behaupten, er ist schnell und schussstark, wenn er nicht groß darüber nachdenkt, was er da macht. Leider hat er das damals nicht wirklich zeigen können. Vielleicht ja dieses Mal bei den Bayern.

Mich würde noch interessieren, ob Du tatsächlich Parallelen zwischen Podolski und Donovan siehst, wie es in Deiner Frage vielleicht anklingt.

Nein. Ich denke, unterschiedlicher können Typen kaum sein, was aber auch daran liegt, dass Podolski nun mal ein ausgemachter Stiesel ist. Könnte man sich vorstellen, dass er nach Spanien oder Italien geht und dann nach ein paar Monaten die Sprache spricht? Spielerisch mögen die beiden sich näher sein als sie das mit Klose oder Toni sind, auch Podolski steht nicht gerne mit dem Rücken zum Tor, sondern kommt von etwas tiefer und hat auch durchaus seine Stärken im Dribbling. An ein Kopfballtor kann ich mich von Podolski aber nicht erinnern, während Donovan schon in der Vorbereitung häufiger per Kopf traf. Und dass Podolski trotz aller Instinktfußballerei mancher Begriff von Taktik abgeht, sah man immer wieder, etwas, was ich mir beim gereiften Donovan nicht mehr vorstellen kann. Aber da die Bundesliga deutlich schneller ist als die MLS, bin ich wirklich gespannt.

Vielen Dank für Deine Einschätzung, Jens.

Soweit die Antworten von Jens Peters. Die tatsächliche Antwort auf alle Fragen liegt natürlich — 5 Euro ins Finanzfond-Schwein — auf dem Platz. Bislang hat Donovan sich bei Bayern München aber offensichtlich schon ordentlich eingefügt, wie diese 1, 2, 3, insgesamt somit 4 Tore aus Vorbereitungsspielen der Bayern zeigen.

Und auch auf seiner Webseite (die selbstredend immer offene und ehrliche Texte fernab jedes reingewaschenen Marketinggedöhns veröffentlicht, so wie eigentlich alle Spielerseiten) klingt es so, als gefiele es ihm in München. Ausgerechnet Natürlich in Miroskloff Klose fand Donovan einen redegewandten, weltoffenen und stets am Schicksal anderer interessierten Mitspieler, der noch dazu Etliches über die Stadt München zu berichten weiß, weil er so gesellig ist und Jan und Mann dort kennt:

Question: Welcome to Bayern! We hope you enjoy your time here and stick on for years! Is there anyone on the team that is helping you adjust to Germany?

Answer: Miro is the main one of the three or four players on the team who has welcomed me with open arms. He helps me constantly, when we are really competitors for places in the line-up. He’s always asking me how I‘m doing in Munich, which is really nice to hear. Miro is an absolute top professional.

Warten wir ab, wie Donovan schließlich einschlagen wird, vielleicht wechselt er ja demnächst für 10 Millionen Euro zum 1. FC Köln.

(Den Text gibt es auch mit rosa Schleifen auf Catenaccio.)

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Ich bin eine Bank

Und Wikipedia schreibt zu „the“ L. A. Galaxy:

Los Angeles Galaxy ist ein US-amerikanischer Fußballverein aus Los Angeles.

Kursivstellung von mir.

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Dem Sitzkissen sein Wetter

Viel Zeit bleibt nimmermehr, die vierte Auslosung ist nun schon vorbei. Es folgen nur noch 6 offizielle Termine, zu denen wir den Herrn Notar in die Redaktion einladen. Die 10 Gewinner unserer Sitzkissen sind für diese Woche:

Christian Oettel, Berlin

Sabine Berndt, Bad Driburg

Jörn Wittenberg, Leverkusen

Paul Günter, Calau

Ute Weller, Brombachtal

Sven Kalinka, Dießen

Detlev Frühauf, Göppingen

Jürgen Otterbein, Großenlüder

Claudia Maas, Ahrensburg

Iris Bulic, Rüsselsheim

[photopress:kissen5_1.jpg,full,centered]

Den Kalauer mit dem Gewinner aus Calau erspare ich uns, möchte aber kurz erzählen, dass ich in meiner Jugend mich immer dann in Calau aufhielt, wenn wir mit meinen Eltern im „Osten“ waren und uns dort in der nächsten Kreisstadt anmelden mussten. So war mir im Gegensatz zu den meisten Mitglieder meiner Peergroup schon früh klar, dass es die Stadt Calau wirklich gibt, während sich vielen dies erst beim Lesen dieser Zeilen erschließt. Immerhin, es ist nie zu spät. Klar ist damit auch: Das Bundesland Brandenburg hat sich in die Gewinnerliste eingereiht. Das ist toll.

Aus sportlicher Sicht möchte ich anmerken, dass wir tatsächlich einen Gewinner aus der Geburtsstadt von Jürgen Clinsfornia haben: Göppingen. Viele wissen nicht, dass Jürgen Klinsmann nach dem offiziellen Ende seiner Karriere noch unter dem Pseudonym „Jay Goppingen“ in der MLS in den USA gespielt hat (und dabei sogar ca. 5 Tore in 11 Spielen erzielte). Amis haben schon ja bekanntlich Probleme mit Umlauten, deshalb wurde aus Göppingen kurzerhand Goppingen. Als Pseudonym seinen Herkunftsort zu wählen, hat übrigens schon E. O. Plauen vorgemacht, bei dem man demgemäß nicht lange überlegen muss, wo er herstammt.

Ansonsten fordere ich die Einwohner des Saarlandes auf, endlich vermehrt am Sitzkissengewinnspiel teilzunehmen, sonst kriegen wir die 16 Bundesländer nie bis zum Beginn der WM voll.

Und: Wo bleiben die Fotos von anderen Gewinnern, nachdem Anja oder Petra oder so schon vorgemacht haben, wie es geht?

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