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Keiner ist unnütz, er kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen

Der Zusammenhang ist ein ganz anderer, schrecklicher, doch dieser kleine Schlenker Jürgen Kaubes darf gerne Eingang in die im Blogosquarium geführten Fußballdiskussionen finden.

Wir kennen das so aus dem Sport, dass also der Sportjournalist im Fernsehen eigentlich doch eher ein Moderator ist, die Sache toll findet und an der Begeisterung teil hat und das irgendwie auch rüberbringen will, sozusagen. Und dieses Rüberbringen ist eigentlich keine originäre Aufgabe des Journalismus. Das ist die originäre Aufgabe von Reklame und PR.

Ich hatte letztens getwittert, dass die 100-Jahr-Feier des BVB im Jahr 2009 von Gerhard Delling moderiert wurde. Katrin Müller-Hohenstein hatte Louis van Gaals Buchpräsentation moderiert und derlei Beispiele gibt es viele weitere, nicht zuletzt der mit Fußballrechten handelnde, das Produkt dann aber selbst öffentlich bewertende Günter Netzer.

Eigentlich sollte hier der folgende Satz stehen: Es ist erstaunlich, wie wenig sich diese Menschen, die Fußball berichterstatten, überhaupt als Journalisten verstehen, und wie gemein sie sich mit der Sache machen. Doch diese Aussage wäre falsch, erstaunlich wäre es vielmehr, wenn jemand heute noch nicht wüsste, dass es so ist.

Ein Pils noch, und unterschreiben Sie doch für meinen Sohn hier unten links, ja, Danke?

Jürgen Kaube diskutiert darüber, inwieweit Journalisten und Medien selbst Politik machen dürfen. Dass die Präsentation von Fußball nichts mehr mit neutralem Journalismus zu tun hat, weiß man nicht erst seit Steffen Simon bei jeder Torchance tausend kleine Tode stirbt, als hinge die nächste warme Mahlzeit der von ihm zu ernährenden Familie davon ab. Wir ahnen: In gewisser Weise ist dem sogar so. Vielleicht keine Mahlzeit, dann eben der nächste Porsche.

Es ist allerdings zu kurz gedacht, wenn man echten Journalismus rund um Sport nicht für nötig hält, da dessen Resultate ja nichts Anderes als einen Zeitvertreib zur Unterhaltung darstellen. Denn ab dem Moment, in dem dort Gelder verdient werden, Arbeitsplätze (in der Region, do!) geschaffen und Steuern gezahlt oder eben nicht gezahlt werden, ist all dies sehr wohl eine Frage für ernsthafte, unabhängige Journalisten. Selbst die Resultate auf dem Spielfeld sind schließlich das Ergebnis von Politik — Finanz- und Personal- — und gehören deshalb beleuchtet.

Mich wundert immer wieder, wie viel Fanboy-Geblogge es gibt, aber wie wenig Platz die fragwürdigen Rahmenbedingungen erhalten. Damit will ich niemandem unterstellen, dass er diese Dinge nicht auf dem Schirm hätte, vielleicht ist er oder sie etwas genervt, auch noch in seinem Hobby, das der Entspannung dienen soll, sich mit der Schlechtigkeit des Menschen an sich auseinandersetzen zu sollen. Nun ist zwar nicht jeder ein Jens Weinreich, kann es auch nicht sein, doch dass das ganze Business nicht allein wegen seiner besonderen Attraktivität für Institutionen und Einzelpersonen wie Teppichhändler, die ihre Gelder irgendwo auf sympathische unters Volk bringen wollen, besonderer Aufmerksamkeit bedarf, liegt auf der Hand.

Insbesondere in die schattigen Eckchen sollte man etwas genauer hinsehen. Das aber kann ein korrumpierter Biografie-Vorsteller oder -Vorstellerin nicht mehr glaubhaft leisten. Er oder sie ist Teil der Show, und auch wenn das alles ein alter Hut ist, dass Sportjournalisten wohl fast immer zuerst Fans und dann Journalisten wurden: Die Problematik wird durch ihr hohes Lebensalter nicht geringer wiegend.

Siehe den kurzen Schlenker, den Kaube weg vom ernsthaften Journalismus hin zu einem abschreckenden Beispiel macht: Den Sportjournalisten.

11 Kommentare

  1. Klasse Beitrag. Das Delling-Beispiel ist kein Einzelfall, sondern System. Vereinsveranstaltungen werden oft von den Moderatoren des Pay-TV moderiert.

    Ein massiver Interessenskonflikt, würde man denken. Doch wer nie zu Doping und Korruption recherchiert, sondern nur PR für den Sport macht, wird nie zwischen die Stühle geraten – er sitzt ja fett mit drauf.

  2. Wawerka Wawerka

    Hervorragender Beitrag. Gestern, als ich mir mal wieder das „aktuelle sportstudio“ zu Gemüte führte, hatte ich beim seitens des jugendlichen Moderators devot geführten Interviews mit Uli Hoeneß eine solche Sehnsucht nach dem viel zu früh verstorbenen Michael Palme und dachte mir: Wo sind eigentlich die kritischen Sportjournalisten hin?

    Neben Jens Weinreich in meinen Augen sehr zu loben: Oliver Fritsch von der „Zeit“. Aber ansonsten….

    Die Jungs von „11 Freunde“ bemühen sich ziemlich, aber auch hier kommt meines Erachtens doch zu oft der Fan durch, der sich im Zweifel die wirklich kritischen Fragen lieber verkneift.

    Vielleicht ist es heutzutage bei der im Vergleich zu früher gigantischen Anzahl an „Öffentlichkeitsmöglichkeiten“ für „die Interviewten“ aber auch zu leicht, die kritischen Journalisten einfach zu ignorieren und sich die nächste Sendung/Zeitung/Zeitschrift zu suchen, wo man „respektvoller“ behandelt wird. Vereinfacht gesagt: Wenns bei der „Sportschau“ zu kritisch wird, geht man eben zum „Doppelpass“, nervt die „SZ“ gibt es ja noch die „BILD“.

    Auf der anderen Seite ist der Hautgout, dass Journalismus und Werbung sich eigentlich ausschließen sollten den meisten Leuten nicht mehr so im Bewusstsein.

    Johannes B. „Bonaqua, Airberlin, Wiesenhof“ Kerner hält sich wohl genauso für einen „unabhängigen“ Journalisten wie Günter „NKL, Krombacher“ Jauch, wobei hier schon die Tatsache, dass diese beiden sich überhaupt für Journalisten halten zum Lachen reizt.

    In einer Zeit, in der Politiker direkt nach ihrer Abwahl in die Aufsichtsräte der Konzerne einziehen, denen sie zuvor die Gesetze maßgeschneidert haben, braucht man sich über eine „K.M-H“ oder einen Gehard Delling wohl nicht zu wundern…

  3. Marcus Bark Marcus Bark

    Ja, es ist richtig, dass es zuviele Sportjournalisten gibt, die zu wenig Kritik üben, obwohl es viel zu kritisieren gibt. Es wäre eine Diskussion wert (vielleicht können wir das mal in einem schönen Rahmen, ich schlage eine Kneipe im Ruhrgebiet vor, organisieren), was es alles zu kritisieren gibt und wie es im Sportjournalismus aussieht. Ich will hier auch nicht nur argumentieren, dass die anderen nicht besser sind (diejenigen, die Pressemitteilungen eines Unternehmens 1:1 abdrucken, die sich vom MdB ihres Vertrauens briefen und instrumentalisieren lassen), aber eine Gegenüberstellung von „hier der ernsthafte Journalist, dort der Sportjournalist“ wird den Tatsachen nicht gerecht. Es gibt außer den genannten Jens Weinreich und Oliver Fritsch viele weitere Kollegen, die sich kritisch mit dem Sport auseinandersetzen. Ich zähle mal schnell Hajo Seppelt, Thomas Kistner, Thomas Hahn, Ronny Blaschke, Jonathan Sachse, Stefan Osterhaus, Michael Ashelm auf und werde damit vielen ungerecht, weil ich sie nicht erwähne. Ich zähle mich auch zu den kritischen Journalisten, scheue mich aber nicht davor – wie am Wochenende geschehen – über tollen Fußball von Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund zu schreiben. Mit entsprechenden Begründungen, warum es toller Fußball war (ob die Analyse gelungen ist, sei dahingestellt), halte ich das nicht nur für legitim, sondern auch für geboten. Dass die vom Steuerzahler finanzierte Polizei in Dortmund vorher kurz den Parkplatz vor dem unter anderem durch öffentliche Mittel mitfanzierten Stadion sperrte, weil sich Schalker und Dortmunder sonst noch mehr auf die Fresse gehauen hätten, habe ich in dem Text nicht erwähnt. Dass der BVB aus Marketinggründen ein Derby-Trikot trug, obwohl ihr Boss ein paar Tage vorher populistisch gegen Marketing-Strategien der Schalker ätzte, habe ich auch nicht erwähnt. Das hat Gründe, unter anderem den, dass ich als freier Journalist zusehen muss, dass mein Text abgedruckt wird. Ist das redlich? Würde gerne darüber diskutieren, wie über viele andere Aspekte auch, die hier jetzt nicht erwähnt wurden.

  4. FF FF

    Genau auf den Punkt! Es gibt wohl zwei miteinander verwobene Gründe für den Verfall des unabhängigen Journalismus:
    1) die Ablösung jeglichen Berufsethos durch die Allmacht der „Quote“, neben der alles andere verblaßt;
    2) wenn das Ethos zugunsten der Quote wegfällt, ist die Bahn frei für die Geldgeilheit, Selbstbesoffenheit und Größenwahn von Einzelpersonen.

    In diesem Sumpf wuchsen doch alle aktuellen „Sportjournalisten“ heran. Der Pionier dieses neuen Typus des geschäftstüchtigen Speichelleckers war meines Erachtens Waldemar Hartmann. Kernerbeckmannsteinbrecherwontorrareifdellingmüllerhohenstein – das Grauen hat durchaus einen Namen.

  5. Emmi Emmi

    Ein (abschreckendes?) Beispiel für einen Hofberichterstatter ist der zum Sport-“Journalisten“ mutierte Ex-Fußballer Guido Schäfer, der in der Leipziger Volkszeitung täglich (!) eine halbe Seite im Sportteil (und zwar auf dessen Vorderseite) mit – natürlich absolut wohlwollenden bis lobpreisenden – „Berichten“ über den von Red Bull in Leipzig installierten „Verein“ Rasenballsport Leipzig“ füllt, um dem sportinteressierten Leser – also dem, der den Sportteil nicht gleich in der blauen Tonne entsorgt – ständig unter die Nase zu reiben, wie toll es doch ist, dass dieser österreichische Konzern – natürlich völlig selbstlos – Leipzig dieses Geschenk gemacht hat und wie dankbar man doch dafür sein müsse. Ekelhaft!

  6. […] Journalisten, dem Beruf, den Steffen Simon auf seiner Steuererklärung angeben dürfte? Aber wie Trainer Baade heute richtig bemerkt: „Dass die Präsentation von Fußball nichts mehr mit neutralem […]

  7. netzberg netzberg

    Es wird immer von Sportjournalisten geschrieben. Vielleicht ist im Bestimmungswort schon der Fehler. Dann auch Autojournalisten, Adelsjournalisten, Boulevardjournalisten, Wissenschaftsjournalisten, Modejournalisten. – Überall zuhause ist entweder der Journalist, oder auf der Schmalspur der interessegeleitete ‚Journalist‘, der sich mehr für Autos, Adel, Wissenschaftlerinnen, Mode als für den grundsätzlichen Beruf interessiert.
    Für Emmi ein anschließendes Zitat aus einem kürzlich erschienenen Buch: „… der als Fußballer immer mächtig Durst und viele Frauen hatte und der seine regelmäßigen Verspätungen beim Training …“ – will sagen, der vielleicht schon aich seinen Beruf als Profifußballer nicht am Grundwort ausrichtete.

  8. tafelrunde tafelrunde

    Die Krux mit dem Journalismus, jaja. Guckst du hier:

    http://www.youtube.com/watch?v=k25wI_TiYuU

    Letztlich läuft das doch immer irgendwie so, wie es der Generaldirektor will: „Und drunter schreiben wir dann: Im Kreise seiner Freunde amüsierte schisch…“

  9. @Emmi: Erwähnenswert vielleicht, dass der höchstklassige Leipziger Fußballclub in der Leipziger Lokalpostille schon immer auf Seite 1 des Sportteils (der sich vorwiegend dem Fußball widmet) recht großflächig abgehandelt wurde. Erwähnenswert vielleicht auch, dass G.Schäfer in eher BILDeskem Ausmaße Entwicklungen bejubelt und später wieder zerschreibt (siehe früher beim FC Sachsen). Erwähnenswert vielleicht auch, dass es G.Schäfer war, der die nicht genauer spezifizierten Probleme zwischen RB und DFB und deren möglichen Inhalt öffentlich machte, sehr zum Unwillen des Vereins. Und eines Hofberichterstatters insgesamt eher unwürdig..

  10. Max Max

    Je kritischer ihr bleibt, desto mehr müssen jene Journalisten es werden, die es nicht von vornherein sind. Das sind aber beileibe nicht alle.

  11. netzberg netzberg

    Auch kritische Menschen betreiben gerne mal Idolatrie. – Ich finde das normal, vor allem, wenn eine/r kritische Menschen zum Idol nimmt. Und eben nicht die Idole der anderen.

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