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Eine Lichtaufgabe

Ah, ein schönes Beispiel dafür, wie man sich selbst vermeintliche Realitäten herbeischreibt, die man hernach noch bedauern oder beklatschen kann. Mario Gomez hat seit ein paar Spielen das Tor nicht mehr getroffen. Diese Aussage ist falsch. Er trifft regelmäßig, für den Club.

Für die Nationalmannschaft hat er eine beschissene EM gespielt und danach im Club wieder zu bekannter Qualität gefunden. Wobei man eben ohnehin nicht davon ausgehen kann, dass ein Spieler, nur weil er 3x oder 5x nicht trifft, gleich seine ganze Qualität verloren hat.

Das wird aber nicht gewürdigt, gesehen, eingeschätzt. Stattdessen wird eine Rechnung aufgemacht, die man wirklich nur mit viel bösem Willem oder aber eben dem Wunsch danach, sich ein Ereignis im Sinne einer Krise herbeizuschreiben, wo keine ist, aufmachen kann.

Das Volk, das von alleine doch niemals darauf gekommen wäre, wie lange der Gomez jetzt schon nicht mehr getroffen hat, liest diese gequirlte, an den Haaren herbeigeschriebene Krise und ist selbstredend nicht dazu in der Lage, seinen eigenen, in Grenzen im Kopfe jedes einzelnen sicher vorhandenen Fußballsachverstand walten zu lassen. Dass nämlich diese Auswahl an Spielen, in denen er nicht getroffen hat, vollkommen willkürlich ist. 23 Pflichtspieltore hat er bislang erzielt, zu müde, es nachzurechnen.

23 Pflichtspieltore hat wahrscheinlich kein anderer der Kandidaten vorzuweisen, und falls doch, dann beweist das doch nur, dass Gomez keinesfalls schlechter als seine mannschaftsinterne Konkurrenz ist.

Da schreibt man also eine vollkommen konstruierte Krise herbei, die einzig einem statistischen Zufall geschuldet ist. Und das Volk ist so blöd, darauf hereinzufallen. Und Bela Rethy redet ab Minute 60 von nichts anderem mehr. Und der Interviewer nach dem Spiel redet von nichts anderem mehr. Und JBK fragt („Ich muss das so fragen“) nach dem Spiel sogar Jogi Löw, was er denn jetzt mit Mario Gomez zu tun gedenke.

All die normalen Aufgaben, die die Berichterstatter hier zu erledigen hätten, das gesamte Spiel zu beleuchten, nachzufragen, warum dies und jenes passierte, wie sich Beck präsentierte und warum Lahm so überraschend uninspiriert spielte, ob Podolski nicht irgendwie überfordert sei damit, dies und jenes und blablabla, das fällt alles unter den Tisch.

Weil irgendein Schlaumeier ein paar Tage vor dem Spiel seine von anderen zurecht gelegte Broschüre gelesen hat und sich dann geifernd über diese Non-Serie hermacht. Und weil die Jungs im Fernsehen auch auf diesen Zug wieder mit Begeisterung aufspringen. Weil es so einfach ist, sich nicht mit dem Spiel zu beschäftigen, weil es so herrlich einfach ist auch für alle potenziellen Empfänger dieser Botschaft: Held oder Arsch. Ex oder hopp. Keine Grautöne, kein Hinterfragen, kein Infragestellen dieser konstruierten Kacke, wie es eigentlich ein Leichtes wäre, wenn man sich oder wenigstens den Zuschauer ernst nähme.

Und das Publikum fällt drauf rein, pfeift den zur Zeit besten deutschen Stürmer aus, weil er mal dreieinhalb Chancen vergibt. Vergisst, wie viel im Fußball vom Zufall abhängt und vergisst, welche Aufgabe ein Heimpublikum eigentlich hat. Möglicherweise, zugegebenermaßen, würde dieser Text anders ausgehen, wenn es der Unaussprechliche gewesen wäre, der so rumgefuhrwerkt hätte. Bei Gomez in seiner aktuellen Form (das ist positiv gemeint) und bei seinen aktuellen Zahlen verbietet sich eigentlich die Frage danach, wo die vermeintliche Krise herkommt und wie sie sich begründen lässt.

Sie lässt sich dadurch begründen, dass irgendjemand ein Interesse daran hat, aus statistischen Artefakten irgendeine Kacke zu zaubern, auf der man dann rumreiten kann. Weil man ja sonst nicht wüsste, was man dort überhaupt soll. Vielleicht einfach mal von einem Vierzunull berichten, wie ein Vierzunull auch gegen einen Gruppenletzten eben mal nicht so megaspannend sein kann. Keine Emotionen, keine herausragende Action, einfach nur ein schnödes Vierzunull.

Dass Mario Gomez im Anschluss an dieses Spiel zu etwas befragt wird, was gar nicht existiert, wäre das Hanebüchenste an der Sache, wenn es nicht noch viel schlimmerermaßen so wäre, dass — wenn die Bilder nicht trügen — Gomez selbst diesen Plumperquatsch von einer Misserfolgs-Serie oder gar einem „Fluch“ glaubte.

Der Boulevard scheint allgegenwärtig. Und was allgegenwärtig, selbstverständlich ist, nimmt man nicht mehr wahr.

15 Kommentare

  1. heinzkamke heinzkamke

    Danke, Trainer.

    (Wobei ich nicht den Eindruck hatte, dass Herr Réthy tatsächlich bis zur 60. gewartet hat. Und wenn der Herr Gomez tatsächlich mal was Anständiges zustande brachte, wie die Ablage mit der Hacke in Halbzeit 1, die irgendein Mitspieler versemmelte oder auch die, zugegebenermaßen glückliche, Hereingabe vor dem 4:0, dann konnte man sicher sein, dass diese Situationen zu den ganz wenigen zählen würden, in denen Réthy den Spielernamen verschweigen würde. Er hatte ja eine Story aufzubauen.)

  2. Ich hätte mir auch andere Fragen an den Bundestrainer gewünscht. Warum und wieso und vor allem weshalb und ob der Schlendrian nicht… Ich hätte Bastian Schweinsteiger gefragt wie es sich anfühlt wenn man der einzige auf dem Platz ist usw usf. Ich kann mich an eine ähnliche Situation mit Klinsmann erinnern, damals in Dortmund gegen Aserbaidshan oder so ähnlich. 50 oder 60 Minuten Klinsmann raus Gebrülle von der Südtribüne, als er dann irgendwann doch traf feierten ihn die gleichen Deppen voller Inbrunst. Fußballsachverstand ist auf den Rängen nur selten zu finden, das war noch nie anders. Ob es mal im Fernsehen zu finden war, daran kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern. Mein Vater meint nein.

  3. Jonas Jonas

    Apropos Realitäten herbeischreiben… Mario Gomez trifft weder für den Club noch fand er dort zu bekannter Qualität, sondern lässt regelmäßig seinen Verein VfB Stuttgart und dessen Anhänger jubeln.

    /Klugscheissmode: Off

  4. Udo Udo

    Vielleicht sind die Pfiffe für Herrn Gomez auch auf seine zuletzt geäußerten völlig unsachlichen Kommentare gegenüber der sportlichen Konkurrenz (Hoffenheim, Mönchengladbach) zurückzuführen. Mit diesen Aussagen hat er sich nicht nur sehr weit aus dem Fenster gelehnt, sondern sich beim einen oder anderen auch unbeliebt gemacht. Insoweit war eine solche Reaktion des Publikums nicht unbedingt überraschend.

  5. nedfuller nedfuller

    ich ich hatte gehofft, dass wir nun mit dem Gomez-bashing beginnen.

    Warum sollte man in Leipzig über Gomez Aussagen bzgl. Gladbach und Hoffenheim nachdenken?

    Ich vergleiche das Publikum der Nationalmannschaft mit dem der Hoffenheimer:
    Alles nur Eventfans! Ach das ist auch kein Grauton? ‚tschuldigung.

  6. Wenn es denn nur der Boulevard wäre…

    Mal kurz aus dem indirekten Freistoß zusammengetragen:

    „Es ist keine neue Erkenntnis, dass viele Stürmer gespaltene Seelen mit sich führen, aber so einen verzwickten Fall hat Deutschland noch nie erlebt.“ – SZ

    „Gegen Liechtenstein wurde Gomez ein selbst für einen Stürmer in seiner Verfassung aussichtsreicher Angriff fälschlich wegen Abseits abgepfiffen.“ – FTD (Hervorhebung von mir)

    „Bleifuß Gomez“ – FAZ

    „Nominierung auf Ebay gewonnen“ – Berliner Zeitung

    Und von den Öffentlich-Rechtlichen, die einem Sätze wie „Es haben nicht nur linke Gruppen zu der Demonstration aufgerufen, es waren auch zahlreiche normale Menschen darunter.“ (Tagesschau) als unabhängigen Qualitätsjournalismus verkaufen wollen, erwarte ich gar nichts mehr.

  7. ondo kajukalikagonu- schmitz-völkenstein ondo kajukalikagonu- schmitz-völkenstein

    Wer ist eigentlich dieser Trainer Baade? Gibts den wirklich? Und wen trainiert der?

    zitat: O.Fritsch

  8. heffer heffer

    Bin genau deiner Meinung, Tobias.

    Den Pressespiegel empfinde ich aber ehrlichgesagt nicht so schlimm gegen Gomez, die BZ ist halt auch ein anderes Kaliber.

    Es wird ja immer gerne vom Boulevard gesprochen, wenn die Berichterstattung so auf Schlagzeile aus ist, wie beim Gomez zur Zeit.
    Wenn die Bild das so macht, dann wundert es ja kaum einen, darüber muss man ja kein Wort mehr verlieren.

    Aber die Öffentlich-Rechtlichen sind ja genauso niveaulos wie die Bild, das DSF und Premiere.
    Und bei den Öfftenlichen gehts ja wohl kaum um die Schlagzeile, mit der sie am nächsten Tag die Leute zum kaufen animieren müssen und trotzdem dreht sich einem der Magen um, wenn der Kerner und Konsorten ihre Fragen stellen.

    Der Kahn ist ja ein wahrer Lichtblick dagegen, der versucht zumindest den Leuten was zu erklären.

    Zum Schluss fällt mir noch eine Szene aus dem Doppelpass nach dem letzten Ligaspiel ein, wo der Wontorra den Reporter im vorraus gelobt hat und nachher sieht man den Typen dem Hoeneß 5 mal hintereinander die gleiche Frage stellen, weil er ihm keinen Satz vorsagt, den man gleich als Überschrift für nen Artikel nehmen kann.

    nur so nebenbei…

  9. Kann mal einer sagen, ob die DFB-Auswahl die Spiele, in denen Gomez witgewirkt und nicht getroffen hat, verloren hat? Nur mal so. Um die Frage anzuschieben: Muss ein Stürmer Tore schießen, um sich nützlich zu machen? Oder gibt es da vielleicht auch noch andere Facetten am Angriffsspiel im Fußball?

  10. Anonymous Anonymous

    ja ja, Gomez ist toll, aber kurany, den dürfen die wahren Experten in hier Grund und Boden reden.

    (womit ich über zwei Dinge nichts gesagt habe: wie gut oder schlecht Gomez ist [eher sehr gut] und ob Kurany genauso gut spielt wie Gomez [sicher nicht, aber so schlecht wie die Beschimpfungen in diesem Blog waren seine Leistungen trefferquotenmäßig auch nicht] )

  11. Schöner Eintrag, Trainer, der durch Jürgen Kalwas Kommentar abgerundet wird.

    Mario Gomez ist ein Stürmer, den ich bei meinem Verein gerne sehen würde. Seine besten Jahre dürften erst noch kommen, vermutlich auch in der Nationalmannschaft.

    Gomez´ „unsachliche“ Kommentare machen ihn für mich übrigens auch abseits des Platzes interessant. Für den einen ist es unsachlich, für den anderen eine Meinung, die von Gefühlen geleitet wird. Ansichtssache.
    Ich muss nicht einmal seiner Meinung sein, um mit ihr mehr anfangen zu können als mit glattgebügelten Kommentaren, die einer aus dem diplomatischen Dienst nicht besser formulieren könnte.

  12. Danke. Danke. Und Danke.

    Habe am Wochenende schon daran gesessen, einen Eintrag darüber zu schreiben. Aber es wäre doch nur ein pures Auskotzen gewesen und letztlich wäre es dann doch nur der Aufschrei eines VfB-Fans gewesen.

    Zur Einordnung vielleicht noch ein paar Zahlen:
    Insgesamt hat Gomez die meisten Pflichtspieltore (25) aller deutschen Stürmer erzielt und zudem die zweitmeisten Torvorlagen gegeben (8 – Nummer 1 ist Klose mit satten 12 Assists).
    Lediglich in Sachen Effektivität liegt er etwas hinter Klose und -je nach Rechnung- Helmes, da er mittlerweile auf 41 Pflichtspieleinsätze kommt.

    Mal ganz davon abgesehen, dass er in diesem Kalenderjahr (neben Grafite) der erfolgreichste Stürmer überhaupt war.

  13. Sehr guter Beitrag, Coach! Der „Fall“ Gomez ist mal wieder ein herausragendes Beispiel an konstruierter Massenverdummung. Das Land der Lemminge folgt seiner Bestimmung, es ist zum Kotzen. Warum sich Gomez selbst daran beteiligt hat, hat mich auch sehr überrascht. Ist wohl auf das zarte Alter zurückzuführen.

    Auch ich würde Gomez sehr gern bei meinem Verein sehen. Ich hoffe die Verantwortlichen bei uns sehen das auch immer noch genauso. Ob es 25 Millionen sein müssen ist eine andere Frage. Aber seine Qualität und sein Alter lassen zumindest nicht viel weniger zu.

    Und vom bereits angesprochenen Charakter her würd er auch fantastisch zu uns passen. Eine gewisse Arroganz kann in München alles andere als schaden. :D

  14. heinzkamke heinzkamke

    was mir nicht so gefällt:
    dass hier verschiedene Kommentatoren den Herrn Gomez gern bei ihren Vereinen sehen würden.

    Ich finde, er könnte durchaus noch ein wenig beim jetzigen Verein bleiben… ;-)

  15. jetzt geb ich doch noch mal meinen senf dazu:

    der herr gomez darf sich mal nicht so beklagen. generell ist es natürlich richtig, dass es albern ist, dass nun alle (die medien) nur noch über die torflaute von mario gomez sprechen (die noch nicht mal eine richtige ist), allerdings wissen wir auch alle, dass wenn er mittwoch drei mal gegen wales trifft (wie einst klose gegen wales) die medien ihn in den himmel loben werden. so ist nun mal das geschäft. dass haben schon diverse stürmer erfahren, wie klose bspws. oder auch kuranyi.
    jemand der in einem em-spiel aus zwanzig zentimetern über das tor schießt, ist solange der depp, bis er etwas größeres vollbringt und diesen nachweis hat gomez in der nationalelf noch nicht erbracht. die em war mau, der bundesligastart ok, erst in der rückrunde rockt gomez wieder, also vielleicht auch demnächst für den dfb. abwarten…

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