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Kategorie: Joachim Löwenherz

Erichs, Rudis und Jürgens Nachfolger heißt Joachim

Zaunpfahl Marke „Gespräch“

Endlich ist es soweit. Jogi Löw hat angekündigt, einen Pferdekopf ins Bett von sich mit Stefan Kießling zum Gespräch zu verabreden. Das hatte ja beim letzten Mal, als sich Jogi Löw zu so etwas aufraffen konnte, vor ungefähr fünf Jahren, auch schon sehr gut funktioniert. Danach wurde Torsten Frings nicht nur nie wieder nominiert, die Diskussionen um eine solche Option waren im Anschluss auch deutlich leiser geworden. Nichts ist schließlich nerviger und stört die Vorbereitung auf ein großes Turnier unnötiger, als ständig zu diesem elendigen Martin Max Stefan Kießling befragt zu werden, obwohl er doch ohnehin schon lange keine Chance mehr besitzt, es nur noch nicht alle Schreiberlinge verstanden haben. Nun also die nächste Stufe des Winkens mit dem Zaunpfahl, ein „Gespräch“ mit Stefan Kießling, wobei das Wort „Gespräch“ im Löwschen Kosmos eine etwas andere Bedeutung besitzt als im allgemeinen Sprachgebrauch.

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Was bisher geschah (I): Deutschland – Schweden 4:4

Die mehr oder weniger „daily soap“ namens „Trainer Baade“ wird natürlich auch dann fortgeschrieben, wenn gerade keine neuen Folgen veröffentlicht werden, in den letzten Tagen grippal bedingt. Ereignet hat sich dennoch eine Menge im Intriganten- und Mimosenstadl namens Profifußball, was jetzt aufgearbeitet werden muss.

Deutschland führt nach berauschender Gala im Berliner Olympiastadion gegen den vermeintlich stärksten Konkurrenten in der Qualifikation für die WM in Brasilien mit 4:0 und gibt historisch einmalig eine Führung mit vier Toren noch aus der Hand. Schwierig macht die Bewertung dieses auch hier als „Desaster“ titulierten Ereignisses die Hinterher-ist-man-immer-klüger-Problematik. Denn wer hätte schon groß nach den zwei Gegentoren gekräht, wenn es beim 4:2 geblieben oder gar noch zu einem 5:2 oder 6:2, wie sonst gerne vornehmlich gegen Österreich erzielt, angewachsen wäre?

Hinterher weiß man natürlich, dass es falsch war, nicht die Defensive zu stärken. Aber hat man das Fehlen eines solchen Schrittes nach den zwei Gegentoren durch Griechenland bei der EM bemängelt? Oder nach jenen zwei durch eben genanntes Österreich in einem der vorigen Spiele? Hat man Löw vorgeworfen, dass er nach dem Anschluss durch die Niederlande bei der EM nicht anders gewechselt hat, als er es tat?

Insofern ist es wichtig zu wissen, ob alle, die nun nörgeln oder sich überhaupt äußern, wenigstens nach dem 3. Gegentor sicher waren, dass auch noch ein viertes folgen würde. Was retrospektiv schwierig in ehrlicher Weise zu beurteilen ist, gerade da diese Partie nun auch schon 7 Tage her ist. Dennoch einmal die Bitte an alle, die diese Frage für sich innerlich beantworten, dies so ehrlich wie möglich zu beantworten (mit dem Wissen im Hinterkopf, dass Zeugenaussagen vor Gericht mit höchster Vorsicht zu genießen sind, das gilt dann natürlich auch hier):

War nach dem Tor zum 3:4 wirklich so glasklar, dass auch ein viertes folgen würde, dass man anders hätte wechseln müssen?

Die Folgen dieses verheerenden Remis‘ sind insbesondere angesichts der noch nicht verarbeiteten (geschweige denn verziehenen) Halbfinalniederlage gegen Italien sowie den beiden sehr schwachen Partien gegen Argentinien und Österreich nicht einzuschätzen. Immerhin hätte Löw, so er nicht ebenfalls grippal erkrankt wäre, diesmal die Eier gehabt, nicht wochenlang in der Versenkung zu verschwinden, um sich hernach in einer etwas obskuren Pressekonferenz ohne Anlass gegen alle aufgelaufenen Vorwürfe, sinnvoll (schlechtes Coaching) oder nicht (Hymne, etc.) zu erwehren.

Sondern wäre direkt ins Sportstudio des ZDF marschiert und hätte sich dort verteidigt. Eloquenter sicher als direkt im Anschluss ans Spiel, als ihm nicht nur das Gesicht aus selbigem, sondern auch jeglicher Lebensgeist aus den Gliedern gefahren war. Das darf man merkwürdig finden, gleichzeitig darf man auch darauf hinweisen, dass derlei in nun 104 Jahren Länderspielgeschichte tatsächlich noch nie vorgekommen ist.

Weshalb man auch hier zur Einordnung dieses Ereignisses wissen sollte, sofern man im Fußball etwas „wissen“ kann, ob es schlicht ein ganz besonderes, aber einmaliges Ereignis war, oder ob es sehr wohl etwas mit der aktuellen Konstellation an Spielertypen und deren Auftreten in Länderspielen zu tun hat. Und ja, die Fragestellung ist, alter Martkforschungstrick, zugespitzt, damit man sich entscheiden muss. Wer meint, dass man diese Frage nicht entscheiden kann, der stimme eben nicht ab. Allen anderen allerdings Dank im Voraus.

Das neue Design hier finde ich

Ergebnisse zeigen

Was sich auf jeden Fall enorm verändert hat, ist die öffentliche Sicht auf Löw. Schon wieder ein Fehler, wenn nicht gleich mehrere, jedenfalls hat er falsch und zu wenig (die dritte!) Auswechslungen getätigt, zumindest Letzteres ist unabhängig von allen hellseherischen Fähigkeiten zutreffend.

Womöglich ist Löw es angesichts der vielen positiven Ergebnisse in den letzten Monaten nicht mehr gewöhnt, überhaupt in solchen Partien in hektische Situationen zu geraten. Möglicherweise war er es aber auch noch nie. Und vielleicht war Urs Siegenthaler an jenem Abend in Berlin beim Stand von 4:0 auch schon nach Hause gegangen, in ein Hotel am Alexanderplatz, mit extradicken Betonwänden aus der Zeit des Kalten Krieges und ergo keinem Handynetz. Wenn aber ein Trainer derart von anderen Geistern abhängig ist, darf die Frage gestellt werden, wieso Siegenthaler eigentlich nicht mit auf der Bank sitzt.

Löws Image jedenfalls hat, ob nun durch ihn verschuldet oder durch einen hanebüchenen Schwenk des Fußballgotts, enorme Kratzer erhalten. Und angesichts der vier Gegentore mit allen Schwächen der jeweils beteiligten deutschen Spieler ist noch dazu völlig in den Hintergrund gerückt, dass weiterhin keine Standards trainiert werden, ob defensiv oder offensiv.

Ebenso weiterhin darf man das hier nicht falsch verstehen: Löw soll nicht abgelöst werden. Die verfügbaren und willigen Alternativen wären kaum besser. Nur soll er endlich an seinen eigenen Schwächen arbeiten. Insofern mag dieses 4:4 tatsächlich einmal als mittlerer Wendepunkt gesehen werden. Die Augen kann man jedenfalls nun endlich nicht mehr davor verschließen, dass „vorne hui und hinten pfui“ gegen Spanien oder Italien nicht reichen wird. Und dass die langjährige defensive Nachlässigkeit endlich wirksam bekämpft werden muss. Natürlich macht das einem wie Löw weniger Spaß, weil es da weniger zu feiern gibt. Aber: (auch) zo is voesbal.

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Sportschau-Hangout mit Trainer Baade: DFB-Elf in Unruhe

Seit den ominösen 2 Toren von Mario Balotelli gegen Manuel Neuer in diesem Sommer ist plötzlich alles anders. Die Nationalmannschaft verliert nicht nur Spiele, sondern auch an Reputation, allen voran Fahrensmann Joachim Löw.

Heute Abend kehrt allerdings Bastian Schweinsteiger (siehe Schweinsteiger’sche Zahl in der rechten Sidebar) in dessen Team zurück.

Die Sportschau lud ein, darüber und über einige weitere Themen zu parlieren. Neben meiner Wenigkeit ebenfalls in dieser Runde, die so vielleicht nie wieder zusammen spielen wird: Jens Peters (Catenaccio, Fokus Fussball) und Martin Rafelt (Spielverlagerung).

Eine angenehme Gesprächskonstellation, in adrette Häppchen geschnitten und ergo sehr gut verdaulich.

Zum Video vom Hangout „DFB-Elf in Unruhe“. [Link leider tot]

(Bevor jemand zurecht anmerkt, dass Irland zuletzt durchaus häufiger zu Hause mal verlor: Stimmt. Hab ich mich kolossal geirrt. Sollte man feuern, den Mann.)

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Einen neuen Tiefpunkt erwühlt

Es ist ja nichts Neues. Also, der Inhalt schon, die Vorgehensweise nicht. Der Inhalt ist (hier) neu, weil derlei Publikationen heutzutage gottseidank weiträumig gemieden werden können. Bewirkt dann aber doch eine leichte Spur von Ekel, wo man doch eigentlich nur noch mit den Schultern zucken sollte: Jeder eben so tief wie er kann.

Verärgert und tief enttäuscht sei Löw aber über andere Dinge, und diese Verärgerung könne durchaus nachhaltig sein. Die Verunglimpfung seiner Spieler als „Memmen“ in manchen Boulevard-Medien empfindet Löw als glatte Unverschämtheit, genauso wie die Tatsache, dass ihm nach dem Ausscheiden in seinem Hotelzimmer hinterhergeschnüffelt wurde und „Sport-Bild“ seinen blauen Pullover aus dem Papierkorb fingerte und als Symbol des Scheiterns und der Missachtung veröffentlichte. Tatsächlich soll das ehemals gute Stück in der Wäsche eingelaufen sein.

Wenn seine Verärgerung nachhaltig wäre, mit den richtigen Adressaten dieser Verärgerung, hätte dieses absurde Hinterherschnüffeln in der intimsten Privatsphäre des Bundestrainers wenigstens noch eine gute Seite. Schade, dass ausgerechnet jetzt Stenger abgesägt wurde, der für Gleichbehandlung der Medien sorgte, man denke zudem an das Stichwort Maulwurf vor dem Griechenlandspiel.

Man muss zwangsläufig so tief unten im Papierkorb wühlen, wenn man selbst nichts an Inhalten bezüglich des Sportlichen beizutragen hat. Das wiederum, siehe Eingang, ist nun mal nichts Neues.

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Löws Probleme mit dem System

Och, schade. Der olle Jogi. Es war ja leider nicht anders zu erwarten. Jogi Löw, der schicke, der moderne, der flotte und der weltoffene Jogi Löw. Ja, er ist Social-Media-Legastheniker.

Genauer gesagt ist er Social-Media-Skeptiker, obwohl er all den Kram noch nie benutzt hat. Kommt einem bekannt vor, oder? Es sind doch immer jene, die neuetechnischemöglichkeit23 verfluchen, die diese selbst noch nie benutzt haben.

Bei Einführung der Eisenbahn warfen die Eisenbahn-Skeptiker das damals sicher Gewicht habende Argument in den Raum, dass es gut möglich sei, dass der menschliche Körper für den Transport mit derartigen Geschwindigkeiten nicht ausgelegt sei. Und die Körper der Insassen wahrscheinlich bei Benutzung der Eisenbahn von den unglaublichen Urgewalten einfach zerfetzt würden. Wohlgemerkt erreichte die erste etwas schnellere Eisenbahn etwa 48km/h an Geschwindigkeit. Zerfetzt wurde also niemand, abgesehen von diesem von den Skeptikern eingeworfenen „Argument“.

Jogi Löw hält Social Media nicht einfach nur für falsch, sondern für gefährlich.

Ich respektiere, dass die Spieler das nutzen. Meine Art, zu kommunizieren, ist das aber nicht. Ich halte diese Form des Austausches eher für gefährlich.

Wir werden alle störben, würde man dazu twittern, wenn man denn twitterte, was Jogi Löw nicht tut, weshalb er es ohnehin nicht lesen würde, weshalb man es nicht twittert, sondern hier in den Beitrag reinschreibt. Vielleicht nicht physisch, äh biologisch störben, sondern als soziale Wesen. Jegliche Reputation wird den Bach runtergehen. Glaubt er.

Das ist schon alleine deshalb sehr merkwürdig, weil Jogi Löw doch als Co unter Jürgen Klinsmann bei der Nationalmannschaft tätig war. Und Klinsmann saß schließlich in den USA und fand es total hip, mit allen seinen Spielern per Email zu kommunizieren, wie er stets verkündete und betonte. Mit allen Spielern, aber nicht mit seinem eigenen Co? Nun gut, um Email ging es ja nicht, sondern um Twitter und Facebook.

Und trotzdem bleibt die Frage, wieso die Entwicklung der Technikbewertung durch Menschen immer exakt nach dem von Douglas Adams beschriebenen Gesetzen funktioniert und sich dort nie etwas ändert:

1) everything that’s already in the world when you’re born is just normal;

2) anything that gets invented between then and before you turn thirty is incredibly exciting and creative and with any luck you can make a career out of it;

3) anything that gets invented after you’re thirty is against the natural order of things and the beginning of the end of civilisation as we know it until it’s been around for about ten years when it gradually turns out to be alright really.

Dreht man nur ganz leicht an den hier erwähnten Altersdaten, dann ist es so, dass Email für Löw gerade noch rechtzeitig kam. Alles, was danach erschien, aber nur noch eine „Gefahr“ sein kann, bedrohlich ist.

Das Morgenland wird zeitgleich mit dem Abendland untergehen, großer Donnerhall wird alles sein, was von unserer Kultur übrig bleibt, und von unserem Planeten nur ein kleines Häuflein Asche. Weil jemand Facebook und Twitter benutzt hat!

Dass man beim persönlichen Altern nicht alles Neue mehr nachvollziehen kann, war sicher schon immer so. Das Problem ist nun eben die Geschwindigkeit der Änderungen. Gestern war Jogi Löw noch echt hip bei den Videokonferenzen mit dem in den USA sitzenden Jürgen Klinsmann. Einmal kurz umgedreht, schon ist die Welt der Kommunikation eine andere und er kann den Nutzen des Neuen nicht mehr erkennen.

Wieso aber selbst der eigentlich intelligente — vielleicht wirkt er auch nur so intelligent, weil er ständig mit nur 20- bis 30-Jährigen zu tun hat — Jogi Löw nun gleich alles in einen Topf wirft und verdammt, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Schade, Jogi.

Es ist für mich ganz und gar unverständlich, wie Menschen ihr Privatleben, bis hin zu wirklich vertraulichen, ja intimen Dingen, so wahllos mit Tausenden oder gar Millionen Menschen teilen. (…) Ich selbst habe gerade gehört, dass mein Anwalt wieder Seiten sperren lassen musste, die jemand unter meinem Namen betrieben hat. Dass jemand unter falschem Namen so was machen kann, ist schon bezeichnend für das ganze System.

Das ganze System „Telefonbuch“ war damals übrigens auch schon bezeichnend für das ganze System „Telefonbuch“. Ein einziger Druckfehler konnte aus einem Anton Schmidt einen Anton Schmid machen. Teufels Küche war da nicht weit.

Ansonsten aber ist sein komplettes Interview bei Zeit online högschd lesenswert, plaudert Löw darin doch ein wenig aus dem Nähkästchen und lässt sich in die Karten gucken, wie er mit seinen Spielern umgeht.

Statt Einzelgesprächen über den Schreibtisch hinweg inklusive Standpauke und Kloß im Hals des Delinquenten gibt es unter Jogi Löw bei wichtigen Gesprächen dann eher Lounge-Atmosphäre. Zeitgemäß. Was wohl Helmut Schön oder Sepp Herberger zu solch einem Vorgehen gesagt hätten?

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Löw und sein fußballhistorischer Lieblingsort

Von wegen „kein Fußballort“. Da will sich Jogi Löw bei der Frage nach seinem Lieblingsort elegant aus der Afffäre ziehen, indem er kein Fußballstadion als seinen Lieblingsort in Baden-Württemberg benennt. Und könnte mit seiner Antwort dann doch kaum näher am allgemeinen und die Welt bewegenden Fußballgeschehen sein.

Bei der StZ verrät Jogi Löw, dass er gerne dort rastet, wo zuvor schon ganz andere Mitglieder der Nationalmannschaft rosteten. Von Kindesbeinen an auf Nationalmannschaft geprägt, der Bundesjogi.

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Türkiye — Almanya 1:3

Sehr enttäuschend.

Sehr, sehr enttäuschend.

Das türkische Publikum. Das als so unglaublich frenetisch apostrophierte Publikum in der Türkei ist äußerst fußballfachunkundig. Denn wenn es wüsste, wie es tatsächlich um die deutsche Defensive bestellt ist, würde es nicht schon zu großen Teilen vor dem Abpfiff nach Hause stromern, bei einem so knappen Rückstand von gerade mal 0:2. Die deutsche Defensive ist nämlich immer für ein Gegentor gut, warum dann auch nicht mal 2 — aus dem Nichts, so wie der Anschlusstreffer zum 1:2.

6 Gegentore in 9 Spielen, darunter 2 (!) von Aserbaidschan, ebenfalls meist aus dem Nichts. Ich als Türke wäre noch ein bisschen sitzen geblieben. Gastfreundlich ist es auch nicht besonders, einem erst die Hölle heiß zu machen, und wenn man dann verloren hat, ist man gar nicht mehr anwesend. Aber nun gut, um seine Außenwirkung kümmert sich der einzelne Bezahlende ja nun mal selten. Da geht es eher darum, ob man gleich im Stau steht oder nicht.

Neuer mit den üblichen Schwächen bei Flanken, was nützen da Anspiele wie aus Netzers Füßen, wenn immer wieder diverse Wackler im Spiel sind — von wegen „weltbester Torwart“. Der stets schattige Badstuber mit einer mediokren Zweikampfgestaltung und bei Boateng — das mag auch im Auge des Betrachters liegen — läuft immer die Angst mit, ob er vielleicht nicht doch gerade abgeschaltet haben könnte. Zwei mal fünfundvierzig Minuten, ganz ehrlich: das kann man auch trainieren, sich so lange konzentrieren zu können, vor allem wenn man [Populismus on] den ganzen Tag nichts Anderes als Fußballspielen macht [/Populismus off].

Ein Hüne von einem Mann, und doch möchte man ihn immer wieder am Arm nehmen und zeigen, dass er gar keine Angst haben müsste vor dem Gegner, vor dem Spiel, dem Leben, der Welt. Es ist allerdings in der Tat beängstigend, dass Jerome Boateng nun schon seit 2007 Profi ist und dabei in dieser Frage Fortschritte gemacht zu haben scheint wie König Samba in den ersten sieben Jahren im Kampf gegen Isa Bere.

Schließlich entwickelt man gar noch ein wenig Verständnis für Lehrer, die ihre tagträumenden Schüler schon mal am Arm rütteln, um sie dazu zu bewegen, sich endlich ihrer Aufgabe zu widmen und nicht mehr aus dem Fenster, sieh!, ein Schmetterling!

Ein Mal allerdings stach Boatengs Auftreten heraus: Als er ein sehr langes Laufduell gewann und da blitzte das so selten Gewordene im Fußball mal wieder auf: der Kampf Mann gegen Mann, einfach nur die Frage, wer nun einen halben Meter schneller ist als der Gegenüber. Boateng blieb Sieger, doch auch hier erwachte das Gefühl, dass er erst die entscheidenden Km/h drauflegte, als er merkte, dass sein Gegner ebenfalls im Vollsprint befindlich ist.

Eine schöne Reminiszenz an alte Zeiten, als noch die Mannschaft mit den besseren 11 Einzelspielern gewann und ein bisschen konnte man auch wehmütig werden, so viel Energie und so viel Unvorhersehbarkeit, wie dort plötzlich versprüht wurde.

Enttäuschend auch, wie alt Mario Gomez geworden ist, seit manchmal Mario Götze neben ihm spielt. Da sieht man, dass Gomez zwar mehr als nur seinen Körper einsetzen kann, dass ihm aber gleichzeitig jeder Glanz im Spiel des Balles abgeht. Muss er auf seiner Position auch nicht besitzen. Doch auf diese Weise laufen so viele Ideen von Götze ins Leere.

Dieser verfügt über jenes Zidane-hafte, welches das Spiel verlangsamt, wenn er am Ball ist, alle Optionen stehen ihm mehr als sekundenlang offen. Wenn man dann aber wartet und wartet und wartet, dass z. B. Gomez sich in die richtige Richtung löst, jedoch nichts passiert, dann kann man selbst als Mario Götze schon mal den Ball verlieren.

Das sieht dann blöd aus, denn Mario Gomez würde in ähnlicher Lage wie auch am Freitag geschehen einfach unmotiviert auf, bzw. übers Tor schießen. Sieht fast so aus, als sollte Götze da noch ein wenig eigensinniger werden, auch wenn man das im Zuge der Schönheit des Spiels natürlich nicht wollen kann.

Bliebe Jogi Löw und die deutsche Bildregie. Letztere sollte das Stilmittel des rumpelstilzenden Löws seltener verwenden, denn sonst nutzt es sich allzu schnell ab — beim Zuschauer, aber auch bei den Spielern. Und fällt Löw ohnehin auf die Füße, wenn es trotz beeindruckender Gesamtleistung in Istanbul wie in der kompletten EM-Qualifikation dann doch wieder nicht zum Titel reichen sollte.

Partien mit ähnlicher Ausgangslage hätte man vor zwei, drei Jahren allerdings noch achtlos weggeworfen. Wie am Freitag bei der Türkei gewonnen wurde, obwohl man qualifiziert war, lässt der Bildregie vielleicht noch mehr als nur eine Gnadenfrist beim Spiel mit der Super Slow Emotion.

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Eine Krähe hackt der anderen einen Fußballplatz in die Provence

Ich weiß, dass Ihr wisst, und dass jeder gelesen hat. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass es irgendjemandem doch entgangen sein sollte, noch mal der kleine Hinweis, wie die Vorbereitung der Nationalmannschaft auf die ja schon sichere Teilnahme an der EM 2012 in Polen und der Ukraine ablaufen wird:

Damit keine Langeweile aufkommt, geht es dann gleich weiter nach Südfrankreich, in die Provence, wo der Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp eine Nobelherberge mit zwei angrenzenden Golfplätzen hat bauen lassen. Hopp sei „froh und stolz“, berichtet Bierhoff, den DFB-Tross in seinem Hotel zu beherbergen. Ein Fußballplatz wird deshalb eigens neu angelegt. Der Preis soll sich in einem für den DFB sehr akzeptablen Rahmen bewegen. „Herr Hopp hat sich da bei der Betreibergesellschaft für uns stark gemacht“, berichtet Reisechef Wolfgang Wirthmann.

Die Quartiersauswahl hat selbstredend nichts mit der Bewertung von unzulässigen Beschallungsmaßnahmen, Dopingprobenschlampereien, 50+1-Umgehungen oder Jobs von Söhnen von DFB-Präsidenten zu tun.

Es dient schlicht dazu, dass der Papa „stolz“ sein kann. Froh ist er auch ein bisschen, weil das doch die Beziehungen verbessert, die er ja immer wieder mit seinem Gebaren arg strapaziert.

Auf der anderen Seite geht es dem DFB einzig und allein darum, die paar Euro zu sparen, die sich ergeben, weil man eben den Besitzer oder so der Nobelherberge kennt. Wer würde es dem DFB verdenken, das nebenbei mitzunehmen?

Etwaige Interessensverquickungen sind dabei natürlich rein zufällig und beabsichtigt.

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Engliçe Woche

Heute beginnt die engliçe Woche, kaum Erholung, direkt weiter, näkstes Spiel.



Wäre zu hoffen, dass alle Beteiligten sie unbeschadet überstehen. Denn am Ende der engliçen Woche stünde dann ein deuчer Sommerurlaub.

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Alemania — Uruguay 2:1

Gestern fanden zwei wichtige Partien statt, die ein Merkmal teilten. Beiden fehlte die ansonsten üblich gewordene 90-minütige Dauerbeschallung durch Ultras. Im einen Fall, dem 8:0-Sieg der Sportfreunde Hamborn 07 gegen TuRa 88 Duisburg, wodurch Hamborn 07 aus der (Las)Landesliga in die NRW-Liga Niederrheinliga aufstieg, in Ermangelung von Menschen, die Ultras sein wollen. Im anderen Fall, dem 2:1-Sieg von Deutschland über Uruguay, in Ermangelung von Fußballfans.

Sehr angenehm waren deshalb auch beide Partien von der akustischen Seite her zu genießen. Sieht man mal von der Totenstille in Sinsheim ab, wenn nicht gerade eine Torchance zu erleben war. Ein altes Problem der Nationalmannschaftskulisse, das sich natürlich noch einmal potenziert, wenn man auch noch geographisch ins Zwanzigersche Niemandsland ausweicht.

Bedauerlich für den hier Zählenden: Der Ausfall von Bastian Schweinsteiger. Nicht dass diese 3 Partien in der Endabrechnung am Ende der Nationalmannschaftskarriere noch die entscheidenden sein werden, die fehlen. Zwar ist schon der nächste Kandidat für einen Rekordnationalspieler im Einsatz, Mario Götze nämlich, nur der selige Uwe Seeler war jünger oder so, doch weiß man ja, wie schnell Nationalmannschaftskarrieren zu Zeiten von Jogi Löw beendet werden. Und das sogar, ohne dass es der Betroffene je erfährt.

Schönste Einstellung des Spiels: Wie Lukas Podolski und Tim Wiese in der ersten Halbzeit auf der Bank nebeneinander Späßchen machen und danach die Grinsekatzen geben. Podolskis Haare sind zu kurz für eine Packung Gel, derer zwei Tim Wiese gleich täglich benötigt. Herrlich Kölsche Lebenslust, die so besonders typisch für die Stadt Köln ist, wenn sie von zwei Jungspunden aus den Vororten (Bergheim, Bergisch Gladbach) der großen Stadt zelebriert wird. Schön auch, dass Podolski sich so gut mit seiner Rolle als Reservist anfreunden kann. Da freut sich die Frau, wenn der Ehemann nicht so frustriert von der Arbeit kommt.

Oliver Kahn hingegen, keine Kölsche Lebensart, eher ein mittlerweile trauriges Kapitel. Bei der von KMH vollmundig als „Analyse“ angekündigten Besprechung des Tores von André Schürrle zum 2:0 fällt ihm nicht mehr ein, als dass dieser Schuss „so gewollt war“. Ein Profi, ein Bundesligaprofi wie Schürrle, der könne das, das sei kein Glücksschuss gewesen. Worin sich die „Analyse“ des Tores dann auch erschöpfte. Mit Erkenntnissen, zu denen jeder Kreisligazuschauer in der Liga ist, ist Oliver Kahn als Experte dann mit seinen paar Hunderttausend auch deutlich unterbezahlt.

Das Geld muss der Sender wohl in die aberwitzig teuren Ergebnisdarstellungen investieren. Besser gesagt, in den darum zu führenden Prozess gegen die anliefernde Partei. Denn bei der Übertragung endete das Spiel seltsamerweise mit 1. Nicht mit zwei zu eins oder zwei zu null, sondern mit 1. Denn wenn man 2-1 schreibt, dann ergibt das 1. Ein Fußballergebnis — in jedem Blogger wohnt ein sehr, sehr großer Klugscheißer — wird mit einem Doppelpunkt dargestellt. Deshalb spricht man auch zwei zu eins. Wenn alle beim Sender so große Fußball-Experten wie Oliver Kahn sind, erstaunt dieser Fehler allerdings nicht.

Achja, Fußball gespielt wurde auch. Beste Platzbedingungen, herrliches Wetter und dann auch noch eine schöne Partie. Das sah schon ziemlich durchdacht aus, mit reifer Spielanlage ausgestattet und vor allem mit gutem Zug zum Tor, was Hamborn 07 gestern zeigte.

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Nicht mal schwimmen kann er

Wir lesen wohl alle immer mal wieder Texte von Daniel Theweleit, und in den meisten Fällen sind wir damit zufrieden. Grundsätzlich scheint er ein netter Kerl zu sein, der weiß, wovon er schreibt, der sich selbst nicht zu wichtig nimmt und der vor allem — soweit beurteilbar — über einigermaßen ausreichende Hintergrundinformationen verfügt, um seine Beiträge näher an die Wahrheit rücken zu lassen als die von vielen anderen. Womit ausdrücklich auch festgehalten werden soll, dass für diese Empfindung ein gewisses Vertrauen in die Absichten des Schreibers nötig ist, welches hier immer noch vorhanden ist.

Gestern aber schrieb er etwas, was geradezu nach einer Krone verlangt, auch nach einer Krönungszeremonie, in der ihm diese Krone aufgepfropft werden darf. Denn Theweleit schafft es doch tatsächlich, in einem Beitrag über Roman Weidenfeller auf derart perfide Weise Jogi Löw einen mitzugeben, dass man ihm dafür die Krone der Perfidie aufsetzen müsste:

Denn Löw ist ein Mann, der sich gerne bei den Erfolgreichen bedient, das ist in dieser Woche wieder zu beobachten.

Womit er auf die Nominierungen so vieler aktuell äußerst erfolgreicher Dortmunder Spieler für den Kader gegen Schweden anspielt und genauso die damaligen Nomierungen von einigen Hoffenheimer Spielern anklingen lässt.

Nun hat man hier zu wenig Archivarenarbeit geleistet, um auflisten zu können, ob Theweleit je mit anderer, gespaltener Zunge zu diesem Thema schrieb. Unstrittig aber ist doch wohl, dass a) es grundsätzlich die Aufgabe eines Bundesjogis ist, die möglichst (zusammen) erfolgreichsten zu nominieren und b) er genau das bislang eben nicht tat, wie sehr irgendwelche Journalisten und der ob dieser Aussagen in Wallung geratene Pöbel ihm auch Kevin Kuranyi ins Südafrika-Heftchen schreiben und schreien wollten oder wie sehr auch an anderen Personalien gekrittelt wurde.

Oder hat irgendjemand schon das allgemeine ständige Wehklagen ob der Berufung von Klose und Podolski sowie das Zusammenrechnen der ach so wenigen Bundesligatore dieser beiden in der vorangegangenen Saison vor der WM 2010 vergessen?

Diesen Strömungen hat sich Löw strikt widersetzt, und wenn er nun Holtby, Schmelzer, Hummels und Co. für ein Testspiel nominiert, dann nutzt er doch lediglich diese angedachte Funktion des Spiels, darin Spieler testen zu können. Wie und wo sollte das sonst geschehen, wenn nicht in einem Testspiel? Stammspieler sind diese fünf bis acht Neulinge damit noch lange nicht und es ist auch geradezu wendehalsig, ihm diese Nominierungen jetzt vorzuwerfen. Schließlich ist dies ein Testspiel. Schließlich würde man ihm im Falle der Nichtnominierung erfolgversprechender Spieler das Gegenteil vorwerfen, -rechnen und -halten. Wie ja schon mehrfach geschehen.

Sollte er die selben Spieler später nicht mehr nominieren, wird man ihm dann die obige Titelzeile in den Schwarzwald werfen, genau wie Berti es einst bezüglich des Umgangs mit ihm selbst beklagte. Mit anderen Worten: Man wird Löw vorwerfen, dass er die selben Dortmunder Spieler, die plötzlich nicht mehr so erfolgreich sind, auch nicht mehr nominiert, und stattdessen auf Spieler mit 40-80 Länderspielen Erfahrung setzt. Was natürlich total unvernünftig wäre.

Man könnte ja untergehen.

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Der nette Herr Löw

Es ist bekannt, dass er gar nicht nett ist, sondern eher ein Cunctator, und das Attribut „nett“ ist bei einem Fußballtrainer ja ohnehin nur eine gar nicht mal so höfliche Umschreibung für angebliche Führungsschwäche. Den Oliver Bierhoff hatte er bislang aber eigentlich immer ganz gut im Griff, wenigstens den.

Auch diese Zeiten scheinen vorbei zu sein, denn in der Frage der Teilnahme an der Vergabe von ein paar wertlosen Broschen konnte er sich dann doch nicht gegen Atom-Olli durchsetzen:

„Ich hätte drei Tage vor dem Spiel gegen die Türkei natürlich lieber eine Trainingseinheit absolviert.“

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„Jogi Löw informierte seine Spieler per SMS“

Bliebe die Frage, ob die Zeitungen 1905 auch titelten, dass irgendein Trainer seine Spieler per Telegramm informiert habe, oder dass Helmut Schön 1966 seine Spieler per Telefon informiert habe. Als diese Techniken jeweils noch ziemlich neu nicht bei allen Nachrichtenschreibenden in Fleisch und Blut übergegangen waren.

Ist der Weg der Übermittlung einer Information jetzt schon eine Schlagzeile wert? Oder lässt es vielmehr darauf schließen, dass der oder die Verfasser oder -in einer solchen Sentenz es immer noch nicht glauben können, dass selbst Angestellte des DFB bereits im Jahr 2010 (oder sogar erst 1995) angekommen sind? Gar deshalb, weil sie selbst dort noch nicht so wirklich verweilen?

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