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Schlagwort: Biografie

Wunder Waldhof

Falls irgendjemand vergessen haben sollte, wo der Fußball (in Deutschland) herkommt und warum es eigentlich immer noch bemerkenswert ist, dass es geförderten Frauenfußball, Familien im Stadion und – ou weh – sogar Psychologen im Team um ein Fußballteam herum gibt, dem sei die Lektüre des Spiegels (nicht online) von 1986 („Die Provinz an die Macht“) über ein Buch des ehemaligen NPD-Kandidaten Klaus Schlappner ans Herz gelegt.

Bei der Gelegenheit sei auch noch mal auf Enno Aljets‘ Beitrag im Hertha-Blog zum Thema der Rhetorik so manches Trainers verwiesen, der eigentlich alles zusammenfasst, wofür Klaus Schlappner wohl über 200 Seiten brauchte.

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Unbekanntes aus … der Jugend Ottmar Hitzfelds

Als der kleine Ottmar mit 12 Jahren in ein schweizer Internat verpflichtet wurde, litt er unter ganz üblem Heimweh und drohte dem Direktor damit, einfach abzuhauen und per Anhalter zurück nach Lörrach zu fahren. Wenn ihm dabei etwas zustoßen würde, wäre der Direktor verantwortlich. Das wirkte und der kleine Ottmar durfte am Ende des Schuljahres wieder nach Hause (mit Bild des 12-jährigen Ottmars, der — man kann es sich kaum vorstellen — tatsächlich mal eine andere Frisur hatte als heute).

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Zahl der Woche — Folge XXV

Die Zahl der Woche ist streng genommen keine Zahl, eher eine grobe Schätzung. Diese Schätzung kommt auf:

600 bis 700.

Mit so vielen Frauen will Antonio Cassano bereits — gerade mal 26-jährig — geschlafen haben, wie er in seiner Biografie (auch das immer wieder erheiternd, wenn Menschen, die gerade so eben der Schulbank entfleucht sind, einen Rückblick auf ihr gesamtes Leben und Streben geben, allerdings, in diesem konkreten Fall …) verkündet.

Unsicher ist jedoch, ob es diese 600 bis 700 Frauen wirklich alle freiwillig, aus Liebe, Verliebtheit oder einfach um was zum Erzählen zu haben, gemacht haben. Schließlich ruft der aktuelle Präsident von Real Madrid, Calderón, Antonio Cassano hinterher: „[…] Spieler […], der aus Madrid vier Milliarden Pesetas mitnahm und der hier die Geburtenrate gesteigert und die Prostitution belebt hat.“

Ehemaliger Spieler von Real Madrid, in Kontakt mit Prostitution, gab’s so eine Geschichte nicht schon mal? Naja, hoffen wir (oder auch nicht, weil es uns ja egal ist), dass die 600 bis 700 Frauen wirklich alle Frauen waren, sofern Cassano sich das so vorgestellt hatte.

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Ja das „Buch“ is äh

Oliver Kahn hat ein Buch mit dem gewohnt bescheidenen Titel „Ich“ geschrieben. So weit, so bekannt. Was wahrscheinlich nicht bekannt ist, ist dass er immer noch auf Platz 23 der Sachbuch-Bestsellerliste in Deutschland liegt. Oliver Kahn! Sein Sachbuch!

Die Veröffentlichung ist schon Monate her und immer noch kaufen etliche Menschen dieses Buch. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass man dort irgendetwas erfährt, was man nicht viel besser, eloquenter und auf-den-Punkter und vor allem viel lieber von Bernhard Peters (polemik- und ironiefrei, nur falls jemand fragt) erführe.

Leider ist das Werbevideo nicht direkt einpflegbar, aber auf jeden Fall sehenswert: Wie Oliver Kahn zunächst inmitten von leeren Stadionsitzen gedankenverloren auf die Seiten seines Buches starrt (würde er lesen, würden sich ja seine Pupillen bewegen). Und dann von der Stimme aus dem Off gefragt wird, worum es in seinem Buch geht:

Das bekannte Schnaufen, gefolgt von

Ja das Buch is äh

Natürlich geht es um

Erfolg

Wenn man ein Buch über Erfolg schreibt, dann geht es natürlich auch um

Misserfolg

Sehenswert, wie er als ausgewiesener Experte für alles Mögliche schon vor dem Ende seiner Karriere übte, sich selbst glaubwürdig darzustellen, um für die späteren Auftritte auf der Showtreppe neben JBK gerüstet zu sein.

Und wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie schwul Kahn formulieren lässt in seinem sicher lesenswerten Wegweiser zum lebenslangen Erfolg, dann liefert es der Leseausschnitt auf der verlinkten Seite:

Woher kommt die Kraft, das, was man macht, so „aufzupowern“, damit das daraus wird, was man haben will? Ich will nicht lange fackeln — die Kraft kommt: von innen! Nehmen Sie den Dirigenten. […] Nehmen Sie den (bildenden) Künstler. […] Nehmen Sie den CEO eines Unternehmens: […] Nehmen wir den Torwart: Warum schafft er es, seine Mannschaft anzutreiben, wenn es keiner der (mindestens) zehn anderen auf dem Platz mehr hinbekommt?

Hat das einer für Doofe geschrieben? Ist die Fußballersprache („Ich will nicht lange fackeln“) hier bewusst gewählt oder weil keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung standen? Ein Torwart in einer Reihe mit einem Dirigenten oder einem (bildenden) Künstler. Es fehlt noch ein Bundeskanzler und ein Herztransplantatist. Besonders gefallen die falsch gesetzten Anführungszeichen, die keine ironische Verwendung eines Wortes anzeigen wollen, sondern lediglich Wörter anzeigen, die zwar in diesem Zusammenhang Kacke klingen, aber dennoch nichts anderes als das sagen, was sie sagen sollen. Dem Autor ist dann irgendwann aufgefallen, dass er das tatsächlich passende Wort nicht gefunden hat, weshalb er diese „verschleiernden“ Anführungszeichen setzen muss (das war jetzt ein Beispiel dafür).

Liest man weiter, erkennt man sofort, dass man eigentlich nicht weiter lesen müsste:

Ein Blick in Wikipedia zeigt …

Dann wählt Kahns Ghostwriter aber doch lieber noch eine andere Wikipedia-Definition des Begriffes „Authentizität“:

[…] Also keine Fälschung sein. Sein „Selbst“ gefunden haben. Wissen, wer man ist. Was man will. Wohin. Auf welchem Weg und welche Weise. Alles das schauen wir uns in diesem Buch an.

(Man beachte die Anführungszeichen bei „Selbst“.) Der Sport-Foto-Stil ist unerträglich und nach dieser kurzen Leseprobe. Will. Ich. Mir. Das Buch. Auch nicht mehr „kaufen“!

(Vollkommen falsch gesetzte Satzzeichen kosten 10 Cent pro Falschsetzen in die private Trainer-Baade-Mannschaftskasse, womit Oliver Kahn schon mal tief bei mir in der „Kreide“ stehen dürfte.)

Um dann endgültig auf FOTO-Niveau zu enden, lesen wir die letzten Zeilen der Leseprobe:

Wirtschaft funktioniert, so habe ich es verstanden, ungefähr so, dass es einerseits Waren gibt und auf der anderen Seite Zielgruppen. Zielgruppen, das sind Menschen, die etwas haben wollen, die Bedürfnisse haben. Waren hier, Zielgruppe da.

So sieht es aus. Menschen hier, Wölfe da. Sonne da, Sonnenmilch hier. Ball da, Torwart hier. Bedürfnis zu brechen hier, Olivers Buch da.

Zielgruppe hier, Ghostwriter da.

In diesem Falle sagt die Zielgruppe allerdings leider nein zum Bedürfnis, etwas haben zu wollen.

Um meine eigene Frage zu beantworten: Ja, er schreibt für Doofe, für Menschen ohne Gehirn, ohne Sprachempfinden, für Menschen, die eigentlich nur die FOTO lesen. Damit dann Platz 23 nach so langer Zeit zu halten, nicht schlecht, Oliver. Immer „weiter“. Eher ein Ssachbuch.

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Wo Victoria Beckham hinschlägt …

… fließt das Blut in Strömen.

Zum Glück sind die meisten komischen Weltanschauungen auf dem Rückmarsch, so glauben immer weniger Menschen, dass Homosexuelle sich nur „richtig anstrengen“ müssten, um heterosexuell zu werden. Zwar immer noch gerade mal 50% der irgendwo Befragten, aber damit weniger als vor ein paar Jahren.

Auch wer unter Depressionen leidet, kann auf immer mehr Verständnis und immer weniger auf gut gemeinte, aber schlecht wirksame Ratschläge wie „sich doch einfach mal zusammen zu reißen“ hoffen. Zumindest im deutschsprachigen Raum ist ein gewisser Sebastian Deisler daran nicht ganz unschuldig.

Dass Frauen, die vergewaltigt werden, ja ohnehin „selbst schuld“ seien, glauben wohl schon länger nicht mehr viele Leute und so bröckeln immer mehr dieser Wahnvorstellungen aus einer Welt der psychischen Unwissenheit, die nur den emotionalen Holzhammer und Binsenweisheiten von Annodazumal als Werkzeuge der Interaktion kennen.

Opfer einer ganz bestimmten Missbrauchskonstellation hingegen werden weiterhin vom Großteil der Gesellschaft belächelt: männliche Opfer weiblicher Gewalt.

„Kein richtiger Kerl“ sei so einer und wenn er sich schon von einer Frau schlagen lasse, habe er es ja auch nicht verdient. So ein „Weichei“ braucht keine Hilfe, sondern ein bisschen Muskeltraining oder: Vielleicht gefällt es ihm gar, geschlagen zu werden?

«Posh Spice» Victoria hat gestanden, ihren Ehemann David Beckham blutig geschlagen zu haben. Sie habe so feste gehauen, dass sie ihm den Mund innen aufgerissen habe. Aber selbst als das Blut über sein Kinn lief, sei sie noch wütend gewesen, schilderte Ex- Spice Girl in ihrer Autobiografie. Der Grund für ihren Wutausbruch waren Zeitungsberichte, wonach Beckham eine andere Frau geküsst hatte.

Es wird Zeit, dass auch diese Gruppe von Opfern keine Scham mehr empfinden muss, sich als Opfer weiblicher Gewalt zu outen und dementsprechend Unterstützung zu erfahren. Eine Ohrfeige ist im Falle von (tatsächlichem und nicht nur vermutetem) Betrügen vielleicht noch ein vertretbarer, eher symbolischer Akt, jemandem fast den Kiefer zu brechen hat damit aber nichts mehr zu tun. Mir war dieses Monster der Mode und des Schlankheitswahns ohnehin schon immer unsympathisch, jetzt erst recht.

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