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Schlagwort: Helmut Rahn

Filmkritik: „Das Wunder von Bern“

Ja, damit ist man sehr, sehr spät dran. Der Film erschien 2003 und hätte eigentlich schon längst mal konsumiert werden müssen. Allerdings gab es zwei Gründe, warum das bislang nicht erfolgte: Erstens kennt man den Ausgang des Turniers ohnehin und nachgestellte Fußballszenen sind nicht unbedingt allzu reizvoll. Zweitens ist es nun mal kein Fußballfilm. Trotzdem taucht er in Wikipedias Liste der Fußballfilme auf, also wurde er dann doch mal probiert.

Was nicht heißt, dass er nicht sehenswert sein könnte, doch die Art, wie hier das Schicksal eines nach über einem Jahrzehnt aus Kriegsgefangenschaft in Russland in einen stark veränderten Alltag zurückkehrenden Familienvaters eingeflochten wird, kratzt doch arg an der Oberfläche. Ein einziger längerer Vortrag seitens seiner Frau macht den zuvor prügelnden, verbitterten und überforderten Protagonisten plötzlich zu einem liebenswerten Vater. Echte Konflikte zeigt der Film ansonsten kaum, so dass manche Szenen wie beliebig aneinander gereiht wirken, ohne Veränderung voranzutreiben.

Da sich der Film nicht mal in den Details rund um die Nationalmannschaft an Fakten hält, sondern die Geschichte des kleinen Sohns jenes Protagonisten als lebendes Maskottchen von Helmut Rahn erfindet, kann man sich auch aus fußball-historischer Sicht das Ansehen sparen. Wieso für die wenigen Szenen, in denen Fußball gespielt wird, unbedingt Kicker mit Oberliga-Erfahrung her mussten, wird auch Wortmanns Geheimnis bleiben, denn diese Szenen tragen nichts Entscheidendes zur Qualität des Films bei.

Welcher an sich schon in unnötiger Hektik erzählt wird, wo ein schwaches Drehbuch die vielleicht nicht unfähigen, aber in hölzerne Dialoge gepressten Schauspieler in diesem Film wenig glänzen lässt. Dass er einige Preise gewann, zeigt wohl vor allem, wie schlecht es um den deutschen Film bestellt ist oder zu jener Zeit war.

Kaum Tiefe bei den Charakteren, so ist das ganze Produkt vielleicht ein nettes Puppenstübchen zum Reingucken, mit viel Liebe zum Detail in der Ausstattung des Jahres 1954, ansonsten aber weder ein Film über Fußball (oder auch nur die Entwicklungen und Dynamiken innerhalb eines Kaders), schon gar keine ernsthafte Beschäftigung mit dem Thema der späten Kriegsrückkehrer. Und nicht mal ein anrührender oder bewegender Streifen, was die Macher wohl selbst spürten, weshalb sie eine ordentliche Portion süßliche Musik an allen Ecken und Enden drüberschütteten.

Prädikat: Für wen ist so ein Film? Für Fußballfans definitiv nicht, aber auch Freunde der Ästhetik der 50er Jahre werden da sicher Besseres kennen. Wirkt eher wie ein Samstagsabends-Fernsehfilm, der es mit den Fakten nicht so genau nehmen will und nur irgendeine rührige Geschichte im „Damals“ zu Bewegtbildern erwecken möchte.

Ein in dieser Form völlig überflüssiger Film, der nicht mal zur reinen Unterhaltung geeignet ist.

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Filmkritik: Fürn Mettbrötchen und ne Tasse Kaffee – Meidericher Vizemeister

Filmkritik: „Meidericher Vizemeister“

Aus der Reihe: „Von Anfang bis Westende“


So sieht das aus, wenn ein Verein tatsächlich noch nie einen Titel im Profifußball errungen hat. Dann ist ein zweiter Platz, stolz zur VizeMEISTERSCHAFT erhoben, das, worauf man seinen Mythos stützen muss. Denn diese „Meidericher Vizemeister“ aus der Gründungssaison erreichten die beste Platzierung der Geschichte dieses Clubs vom Niederrhein.

Doch geht es in der kürzlich ehrenamtlich (!) auf professionellem Niveau erstellten Dokumentation über den Meidericher SV nicht allein um eine Mythosbildung, auf welche man dann gerne bei Diskussionen unter der so tiefliegenden Mütze der Tradition verweisen kann.

Es geht auch darum, diese besondere Geschichte festzuhalten, so lange die Protagonisten noch selbst davon berichten können, wie sie es in der Doku ausgiebig tun. Und das umfasst nicht in erster Linie den überraschenden sportlichen Erfolg, sondern auch viel Lebensgefühl (wer will, fügt: im Ruhrgebiet an) aus den Jahren 1962 bis 1964, als natürlich nicht nur im Fußball noch ein völlig anderes Klima herrschte. Angefangen von der lange fraglichen Qualifikation für einen der nur 16 Plätze in der neuen Bundesliga eben 1962 über allerlei aus dem Leben neben dem Platz, schließlich hatten alle — siehe Beitragstitel — noch einen Beruf, bis zum Ende, als es dann doch nicht zum Titel reichte, der 2. Platz aber als ebensolche Sensation gefeiert wurde.



Die schon in Ronald Rengs Buch „Spieltage“ erwähnte Besonderheit dieser Mannschaft, die größtenteils nicht nur aus dem selben Stadtteil, sondern von gerade mal zwei, drei nebeneinander liegenden Straßen stammte, findet hier auch kurz ihren Wiederklang und bildet gleichzeitig das Korsett für die ineinander verwobenen Originalkommentare der einzelnen Mannschaftsmitglieder. Wenn größere und kleinere rhetorische Talente auch im Wissen um die Existenz der Bühne, die der Film für sie baut, von früher erzählen, dann wird diese Zeit sehr anschaulich. (Und kratzige Stimmen manch älterer Herren bilden einen Teil dieser Anschaulichkeit.)

Spieler wie Günter Preuß, Lulu Nolden oder jener Hennes Sabath im Trailer unten erhalten ein zuvor in der Öffentlichkeit nicht existentes Gesicht. (Und man darf hinzufügen, dass Sabath im Film zum Glück nicht immer so überzeugt von sich und seinen Jungs ist, wie im Trailer unten.)

Sowie natürlich Riegel-Rudi Gutendorf, der sich mit seinen 87 Jahren und 55 Trainerstationen erstaunlich präzise an genau jene Saison beim Meidericher SV erinnert, um die es hier geht. Und diese prompt zur schönsten seiner Laufbahn erklärt. Was allgemein wenig überrascht, doch ist auch seine Auskunftsfreudigkeit ein Baustein zum Gelingen des Werks.

Und dann geht es tatsächlich auch darum, wie Rudi Gutendorf schon damals durch eine taktische Innovation mit in Deutschland völlig unbekannten Spielern, Ausnahme: 54er Weltmeister Helmut Rahn, dem Meidericher SV dazu verhalf, seinen Gegnern reihenweise die Punkte zu stehlen.

Als einziger Außenstehender wird übrigens Uwe Seeler in einigen Passagen zum damaligen Gegner Meidericher SV befragt, und wer den Grund dafür nicht kennt, sollte sich erst schämen, kann ihn ja dann aber im Film erfahren.

Dieser bietet mehr als nur Heimatfolklore, wenn auch zu nicht geringen Teilen: Vor allem ist er ein Stück Bundesligageschichte, das vielleicht auch wegen seines Charmes vom eigentlich unglaublichen Märchen der Freunde, die zusammen sportlich die Fußballplätze aufmischen, bis in die heutige Zeit im Fußball wirkt.

Zumindest heute Abend, 21.15h jedenfalls. Wenn der Film im Sommernachtskino im Landschaftspark Nord in Duisburg gezeigt wird. Wie ich berichten kann: höchst sehenswert, mit dem Fokus auf den Protagonisten und weniger auf dem Spiel.

Höchst sehenswert auch in diesem Theater, einem halb-offenen Kino, das in einen früheren Hochofen eingebettet ist. Passender könnte die Kulisse nur noch dann sein, wenn man ein paar Hundert Meter weiter wirklich in Meiderich aufführte.



Wer Zeit hat und Fußballfan, nicht nötigerweise des Meidericher SV, ist, der sollte sich den Streifen an diesem besonderen Aufführungsort nicht entgehen lassen. Aufführungsbeginn ist nach Sonnenuntergang.

Allen anderen sei der Film aber ebenso ans Herz gelegt. Wer „Spieltage“ von Reng mochte, kommt an „Meidericher Vizemeister“ kaum vorbei.

PS: Das Zebrastreifenblog hat ihn auch schon gesehen.

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Lesetext: Das Uhlenkrugstadion

Für alle, die nicht zur jetzt gerade stattfindenden Lesung kommen konnten, hier einer der fünf Texte aus dem Buch „111 Fußballorte im Ruhrgebiet, die man gesehen haben muss“, die ich auf der Lesung lesen werde, von mir höchstpersönlich vorgelesen.

Uhlenkrugstadion.

Auf der Lesung gibt es natürlich noch weitere Leckerbissen für alle Sinne dazu, was hier leider entfällt.

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Das schönste Tor aller Zeiten

Welches das war, will die FIFA auf ihrer Seite wissen. Und da es für „im Auge des Betrachters“ nun mal keine harten Kriterien gibt, kann man da wunderbar und stundenlang drüber sinnieren und doch zu keiner verbindlichen Entscheidung kommen. Sehr einfach zu erlangender Content. Ich frage jetzt nicht, welches Tor das schönste aller Zeiten war, denn ein humoriger User namens bembelboy hat die Antwort, der man nicht widersprechen kann, schon gegeben. Nicht Maradona, nicht Helmut Rahn, nicht Zinedine Zidane oder gar Oliver Bierhoff, sondern … lest selbst:

Ohne mich selbst großartig loben zu wollen bin ich der Meinung, dass mein Freistoß im Training des FC Ober-Roßbach im Jahr 1999 einer der schönsten Treffer überhaupt war. Der Ball schlug dermaßen im Winkel ein…das gab es seitdem nie wieder. Außerdem war es auch mein einziger Freistoßtreffer.

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Wie war dat damals?

Manchmal kann man Helmut Rahn nur dankbar sein, dass er irgendwann aufgehört hat, die Geschichte von diesem Tor von damals immer wieder zu erzählen und eigentlich gar keine Interviews mehr gegeben hat.

Oder was würden Sie Mathias Rust heute fragen?

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Hüte dich vor dem Tore

Jeder, der einigermaßen mit diesem Sport vertraut ist, der in knapp 4 Monaten alle Schlagzeilen und alle Medien beherrschen wird, weiß, wie man einen Torwart auswählt: der, der am schlechtesten am Ball ist, geht ins Tor. Sozusagen zur Strafe. Die Rolle eines Torhüters ist immer die des Outlaws, desjenigen, der eigentlich gar nicht mitspielen darf. Er darf lediglich seine Knochen hinhalten, sich anrempeln lassen, in Luftkämpfen Ellenbogen abkriegen und dann noch als besonderes i-Tüpfelchen dieser besonderen Tätigkeit den Ball aus dem Netz holen, wenn er gerade den spielentscheidenden Fehler gemacht hat, durch den sein Team die Partie, die Meisterschaft oder gar Schlimmeres verloren hat.

Mit anderen Worten: ins Tor geht der, der der schlechteste Fußballer ist. Und bestraft wird er dafür auch noch, indem er die verantwortungsvollste Position im Fußball innehat.

Dass Torwart-Sein aber nicht nur deshalb abzulehnen ist, sondern auch, weil es lebenslange Konsequenzen haben kann, einen entscheidenden Ball nicht zu halten, entnehmen wir folgendem Zitat, das über den Torwart der ungarischen WM-Final-Verlierermannschaft von 1954 grassiert:

„Über 50 Jahre nach dem Finale von Bern träumt Grosics immer noch von Helmut Rahns Siegtreffer!“

Was bin ich froh, dass ich nur Linksaußen bin bzw. war. Zwar somit auch bekloppt, aber nicht von Alpträumen wegen Fehlern geplagt. Wäre da nur nicht das verlorene Pokalfinale von 1986, als ich… naja… lassen wir das mit den Fehlern, die einen ein Leben lang verfolgen.

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