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Eine EM ohne Star

Das ist toll.

Endlich hat die hurende Zunft mal keinen Typen, den sie in den Himmel schreiben kann. Es bietet sich einfach niemand an, und selbst der bräsigste Event-Fan würde merken, dass das nicht ganz richtig sein kann, wenn man plötzlich Wayne Rooney zum Star dieses Turniers schreiben würde.

Es ist ja richtig, selbst die Fußballfans wissen es: Menschen sind Menschen sind Menschen und sie orientieren sich an Menschen. Deshalb hatte auch keiner etwas dagegen, Gerd Müller zum Star der WM 1970 zu schreiben, Oliver Bierhoff zum Star des Finales 1996 zu machen oder Miroskloff Klose eben WM-Torschützenkönig 2002 2006 werden zu lassen. Und auch wenn die Idee des „man of the match“ der Grundidee des Spiels zuwider läuft, weiß jeder, dass ein Mittelstürmer (oder ein Torhüter) nun mal eine andere Rolle spielt als der Außenverteidiger.

Dieses Jahr wird es aber schwieriger und Arschwieriger, einen echten Star der EM zu finden. Jene, die in der Champions League dominieren, sind meist früh ausgeschieden, die übrig gebliebenen Deutschen spielen zu unkonstant, der Russe ist ausgeschieden und Verlierer mag nun mal keiner so wirklich, während bei den Spaniern das alles so gesichtslos daherkommt, dass man gar nicht weiß, wie die Leute alle heißen, zumal „Wat Villa?“ jetzt auch noch verletzt ist. Casillas gewann ein Elfmeterschießen (wobei man an dieser Stelle mal sagen muss, dass Elfmeterhalten in aller Regel genauso viel Glück oder Pech ist, wie Elfmeterverschießen, und es daher reichlich albern anmutet, Torhüter nach gewonnenen Elfmeterschießen zum Helden zu schreiben), taugt aber sonst nicht zum Star.

Normalerweise kommt der ein Turnier überstrahlende Spieler aus dem schließlichen Siegerteam, sollte es Deutschland sein, wüsste ich nicht, wen man nach diesen teilweise schauderhaften Leistungen zum „Star des Turniers“ ausrufen könnte. Sollte es Spanien werden, sind die Gesichter so nichtssagend, so ohne Kanten und irgendwas, dass es wehtäte, finalement einen dieser glattrasierten und -gestriegelten U21-Jahrgänge Europameister zu werden haben sehen: Man züchtet sich offensichtlich, was man braucht. Und auch wenn Arschawin mal zum Friseur müsste: Ihn hätte man sich immerhin als Star des Turniers vorstellen können, jemand, der Fußball spielen kann, sich ansonsten aber nicht kümmert.

Die Fratzen und Gesten von Cristiane Ronaldo hingegen braucht kein Mensch, außer der Marketingabteilung diverser Sportartikelhersteller. Dieses lächerliche Gehabe vor der Ausführung eines Freistoßes, den er verkackend in den Nachthimmel der Alpen setzte, zeigt uns, wo wir inzwischen angekommen sind: Die Werbespots finden mittlerweile auf dem Feld statt. Und genau deshalb lieben wir Torjubel wie den von Philipp Lahm nach seinem 3:2 gegen die Türkei. Das war authentisch und dieser Tisch ist immer noch der liebste, an dem wir sitzen.

Aber Stars, im Sinne des Erfinders, gibt es diesmal keine.

Schön.

Fußball ist schließlich ein Mannschaftsbewerb.

19 Kommentare

  1. gilad gilad

    Trainer, Philipp Lahm? Hm, der hat für meine Begriffe zu viele Guido Westerwelle-Qualitäten: Aalglatt, immerhin rhetorisch geschult aber kosenquent nichtssagend – auch gestisch. Ein Spieler-Manager-Typ wie aus dem Bilderbuch, Liebling der Sponsoren außerdem: Milchschnittenfacig kommt der auch noch daher. Und das in seinem Alter. Das soll authentisch sein? Nicht mal im Jubel. Aber na gut, du siehst es anders.

    Fabregas könnte der Star des Turniers werden. Vielleicht schon morgen Abend?

    PS: Inbegriff des tragischen Stars dieser EM, ist für mich aufgrund der vielen Up & Downs in so kurzer Zeit Khalid Boulahrouz.

  2. Ich sprach nicht von Philipp Lahm als solchem, sondern von dem Momente seines Torjubels. Michschnittig hin oder her (ich würde nicht widersprechen), aber der Torjubel war doch wohl „echt“, oder nicht?

  3. Okay, Du sagst ja: nicht mal im Jubel. Sorry. Erst mal richtig lesen.

  4. gilad gilad

    Nicht ärgern über mich, das Tor war ja trotzdem sehr schön…

  5. Nichtssagend finde ich Philipp Lahm vergleichsweise, im Rahmen des Vergleiches seiner Zunft, auch nicht, übrigens.

    Er mag glatt gebügelt sein, aber denken und sprechen und beides zusammenbringen kann er schon. Und zwar besser als die Effenberg-Generation. Nur weil er gut parliert und nicht immer sagt, was er denkt, bzw. nicht immer sagt, was sein Arbeitgeber nicht hören möchte, ist er noch lange keine Frimpe.

  6. gilad gilad

    Die Abgrenzung zur „Generation Effenberg“ sollte aber jetzt nicht das Kriterium zur Beurteilung Lahms sein, weil du damit natürlich zum einen unschwer richtig liegst und zum anderen in deinem Text Ronaldo, Villa etc. zum Maßstab erhoben hast. Klar, Effe proletet(e) ins Mikro, Ronaldo liebt seine Frisur und das Schauspiel, aber Lahm ist im Vergleich dazu leider der ohne Ecken und Kanten ausgestattete neo-konformistische Subjektentwurf, dem mal zwei-drei Jahre London etc. gut tun würden, um vielleicht das Bierhoffsche Moment seines mir nur medial vermittelten Daseins hinter sich zu lassen: Es einfach mal nicht allen Recht machen wollen…

  7. Mein Gott, der nächste Fehler. Ich geh kaputt hier. Tauge ich denn überhaupt noch was?

  8. Natürlich war Ronaldo der Torschützenkönig der WM 2002, ich meinte aber natürlich (ist das jetzt auch wieder falsch) die WM 2006.

  9. Nein, es ist richtig. Hurra, ich lebe noch.

  10. Der Unterschied zwischen Lahm und Dingsbums ist der, dass er gutes Fußballspiel (cmon, niemand erwartet immer Perfektion, das ginge ja nur bei Zidane (in seinen späteren Tagen)) mit gescheiten Äußerungen vereint. Ja, ich gebe zu, er ist auch ein typischer Medienschwallerer, aber darin immer noch besser als Generationen vor ihm, ohne aufzuhören, Substanzielles mitzuteilen.

    Auf der Straße vor meinem Haus wird gerade ein Kind von seinen spanischen/mittel- oder südamerikanischen Eltern geschlagen.

  11. gilad gilad

    Nenne mir Name, Anschrift und Gesicht und ich eile zur Hilfe, Trainer! Oder ich schicke einen Vertreter des UNO-Kinderhilfswerkes – ist das nicht zufällig Philipp Lahm?

  12. Ich denke, wir fragen einfach den FC Barcelona.

  13. Ein Star war Rüstü. Niemand war so gut unterm Korb mit seinen Rebounds…

  14. Die Suche nach dem Star (und inzwischen nach dem Super-Star) ist eine medienimmanente Krankheit, die nichts mit dem Spiel, dem Sport und dem Menschen im Mittelpunkt des Geschehens zu tun hat. Dunkel erinnere ich mich daran, dass erst sehr spät – 1974 – in der Zuspitzung und der Reduktion der Vorberichte zu Finale auf Beckenbauer und Cruyff die Idee entstand, dass Fußballberichterstattung das verträgt: das Überhöhen und das Vereinzeln.

    Seither haben viele Kräfte gewirkt, um diese aus Hollywood und aus der Pop-Musik entlehnte Betrachtungsweise in den Sportjournalismus zu integrieren. Sie konnte sich auch deshalb durchsetzen, weil die geistige/mediale Verarbeitung von Sport über die Form der Nacherzählung stattfindet. Dabei bedient man sich gerne sehr simpler Erzähltechniken (angereichert mit Elementen aus der Pop-Psychology). Dazu gehört das Festhalten am chronologischen Ablauf zum Beispiel. Oder dass immer wieder bestimmte Ereignisse zu den entscheidenden erklärt werden. Man spricht von Wendepunkten, definiert die Halbzeit oder anderen Unterbrechungen als psychologisch relevanten Faktoren für Abläufe eines Spiels („so kurz vor der Halbzeit noch ein Tor kassieren…“) und so weiter und so fort.

    Kombiniert mit einer fatalen, unausrottbaren Weltsicht, die sich aus uralten Zeiten überlebt hat, wonach einzelne Figuren entscheidend geschichtliche Abläufe beeinflussen (Julies Caesar, Christopher Kolumbus, Adolf Hitler etc.), entsteht eine sich ständig drehende Mühle, die nichts anderes versucht, als das Konzept Sport (in dem Fall Fußball) so zu verschroten, dass es die meisten Leute Sport und Spiele nur noch über die sogenannten Highlights rezipieren können. Etwas anderes verstehen sie gar nicht, können sie demzufolge nicht beurteilen und wollen sich deshalb auch nicht damit beschäftigen.

    Man wird das Phänomen so schnell nicht mehr los werden. Sport und sein Umfeld beziehen ihre Mechanismen heute vor allem aus dem im Fernsehen inszenierten Eventgedanken. Und der kulturelle Stellenwert von Sport wird von seinem kommerziellen Stellenwert weit in den Schatten gestellt. Das Star-Getöse ist die Ausprägung einer Marketing- und Verkaufsidee. Mehr nicht. Und nicht weniger.

  15. Gilad Gilad

    Etwas kulturpessimistisch, aber sonst nicht falsch. Der Starkult, die Personalisierung von Geschichte ist immer zweifelhaft. Allerdings: Dennis Bergkamp (z.B.) hat Geschichte gemacht – inmitten des Stargetöses und ohne einen antiquierten Geniebegriff des einmaligen Autors zu aktualisieren. Oder war das etwa (schon) ein Diktat der warenförmigen Eventkultur?

    http://tinyurl.com/6qqd5g

  16. Nee, komm, jetzt nicht bitte diese tinyurls, weil irgendjemand fürchtet, ich könne nicht lesen.

  17. Jürgen Kalwa, ich fürchte, das Ganze liegt auch daran, dass menschliche Gehirne so funktionieren. Dietmar Hamann war der entscheidende Punkt, das CL-Finale noch zu drehen. Beweise? Wer braucht schon Beweise.

    Und erzählen Sie mir jetzt nicht, dass das Ganze eigentlich Quark ist, wenn man es ernsthaft betrachtet, dann kann ich nämlich einpacken hier, hier, wo nix ernsthaft betrachtet wird.

  18. Manfred Manfred

    Und das in Zeiten, wo der Star doch die Mannschaft sein soll;-).
    Dann natürlich die ewigen Comebacker, die Türken. Ansonsten Fabregas.
    Okay, Poldi, wenn er noch 2 Buden macht. Ne bessere Art, es Wurstuli und dem arroganten Schwätzer mal so richtig zu zeigen fällt mir nicht ein.

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