Na, da kann ich ja einpacken hier.
Während alle Welt nach Green Bay blickte, um die Packers dort unformidabel ausscheiden zu sehen, während allesaussersport dann später doch weg von Cover-It-Live (oder so) wieder auf Handbetrieb umstellte, klärt uns Jürgen Klinsmann im Interview bei der ZEIT darüber auf, warum Fußball in den USA noch nicht wirklich angekommen ist:
Bei Basketball, American Football und Baseball handelt es sich, wie die Amerikaner sagen, um coaches games, um Mannschaftsspiele, die wesentlich durch das Eingreifen des Trainers von außen bestimmt werden. Fußball hingegen ist ein klassisches players game, ein Spiel, das von den Spielern bestimmt wird. Die Amerikaner versuchen immer noch, Fußball zu spielen, als sei es ein coaches game. Dadurch entsteht eine irrsinnige Hektik, weil permanent alle Trainer von außen auf die Spieler einreden. Das ist einer der Gründe, warum der Fußball, so wie wir ihn kennen, in Amerika eigentlich noch gar nicht angekommen ist.
Soso, ein Spielers Spiel ist Fußball also. Und die Trainer haben während des Spiels nicht so viel zu melden. Das könnte man durchaus ändern, wenn man denn wollte, dafür müsste man aber a) mehr trainieren und b) intelligentere (im Sinne des Spiels) Spieler zur Verfügung haben. Das wird es in Deutschland so lange nicht geben, wie beim Einkauf eines Spielers immer noch auf die bei Arsenal und Manchester United längst gang und gäbe seienden Intelligenz- und sonstigen Persönlichkeitstests verzichtet wird.
Andererseits ist auch Walerij Lobanowksyi mit Dynamo Kiew und der sowjetischen Nationalmannschaft nicht gänzlich erfolglos gewesen, sich bewegt oder gar gesprochen hat er während eines Spiels aber nie, weshalb auch erst drei Wochen nach seinem Tod auffiel, dass er gar nicht mehr lebt.
Die meisten der Fußballliebhaber sind sich einer solchen Unterscheidung überhaupt nicht bewusst, im Zweifelsfalle, hätten sie die Wahl, votierten sie wohl ohnehin dafür, Fußball ein Spielers Spiel sein zu lassen. Ich als Trainer muss und möchte dem widersprechen: Würde nur endlich eine verdammte originelle Freistoß- oder Eckstoßvariante dauerhaft zu Erfolg führen, sofort wären alle der Meinung, dass ein Trainers Spiel irgendwie doch schöner ist, denn Erfolg, darum geht es ja letztlich allen, die zuschauen und sich identifizieren, macht sexy.
Sobald sie dann wieder selbst spielen, möchten sie natürlich gerne zurück zum Spielers Spiel, damit sie ihren Spieltrieb ausleben können und auf keinen Fall in so etwas wie vorgefertigte Spielzüge gepresst werden.
U. a. deshalb bin ich auch Trainer und viel weniger Spieler: Weil ich diese infantile Verspieltheit innerhalb eines Systems, in dem man durch festgelegte Muster mit viel größerer Wahrscheinlichkeit zu Erfolg käme, hasse. Hass ist übrigens das andere Ende der Dimension „Liebe“. Das Gegenteil zu Liebe schimpft sich Gleichgültigkeit.
Die Eingriffsmöglichkeiten eines Trainers während des Spiels sind im Fußball schon geringer als bei den anderen genannten Sportarten und bei denen ist der Trainingsaufwand unter der Woche sicherlich auch nicht geringer (ja es wird auch noch trainiert, wenn man alle 2 Tage spielt). Aber ob das etwas mit dem Erfolg des Fussballs in den USA zu tun hat…
[…] Gefunden bei Trainer Baade […]
Aber Trainer, ich bin entsetzt. Das, was diesen Sport ausmacht, das Überraschende, Plötzliche, Unerwartete wollen die Leute doch sehen wollen. Wäre Fußball ein Trainer Spiel, würde ich mich mit Graus abwenden, denn Spielzug KL53U1 ist sicherlich eher nicht sexy…
Libero, sei entsetzt. Ich denke immer noch, dass Fußball ein Spielers Spiel sein kann. Nur könnte man durchaus einen Gewinn daraus ziehen, wenn man in bestimmten Situationen vorher festgelegt hätte, was man denn dann zu tun hat.
Wenn Dir das nicht gefällt, tut mir das leid, ich rede auch nicht gegen Einzelaktionen, sondern gegen diese unglaubliche Ignoranz der Tatsache gegenüber, dass man bestimmte Situationen vorher einstudieren kann und eben nicht dem Zufall respektive der Intuition überlassen muss.
Muss man eben nicht.
Bevor wieder auf dem Umweg über „Die Zeit“ und des Trainers vielgelesenen Blog ein neues Wort in Umlauf kommt: „Coaches games“ gibt es nicht. Es sei denn in der Beschreibung von Spielen, zu denen Trainer zusammenkommen und eine Mannschaft bilden und spielen. Ich habe lange mit der Stirn gerunzelt, als ich das gelesen habe. Es handelt sich vermutlich um eine Klinsmannsche Rückübersetzung von „Manager-Spiele“.
An seiner Einschätzung hätte ich auch etwas auszusetzen. Der Einfluss von Trainern in die Abläufe von Mannschaftsspielen wie Baseball, Basketball oder Football (allesamt amerikanische Erfindungen) funktioniert nur, weil die Regeln viele Unterbrechungen zulassen. In der Geschichte der Sportarten spielten Trainer anfänglich so gut wie keine Rolle, schon gar nicht im unmittelbaren Spielgeschehen. Das entwickelte sich über ständige Optimierungsbemühungen, nachdem sich nachweisen liess, dass das entscheidende am Spiel, wie es die Amerikaner verstehen, nämlich der Erfolg. durchaus etwas mit planvollem Handeln zu tun hat. Erst in der Umsetzung solcher Entwicklungen vor allem über das Fernsehen wurde der Blickwinkel des ein- und auswechselnden Coaches auch zum Blickwinkel des Zuschauers. Was Sinn macht, die Trainerperspektive ist nun mal die oberste Wahrnehmungs- und Gestaltungsebene.
Zu Klinsmann und dem amerikanischen Fußball: Die Ausbildung amerikanischer Spieler leidet nicht am Bedürfnis von Trainern, ihnen ständig von draußen Anweisungen zu geben. Sie leidet an einem Selektionsprozess, der die aussichtsreichsten jungen Athleten an den Schaltstellen im Teenageralter unweigerlich in die wirtschaftlich vielversprechendsten Sportarten lotst. Das heißt: Fußballer sind die, die übrig geblieben und nicht besonders gross und stark sind und sicher auch noch ein paar andere Defizite haben. Die haben natürlich hohen Beratungs- und Schulungsbedarf. Auf der anderen Seite leidet der US-Fußball ganz stark an einem Mangel an guten Trainern (übrigens auch an guten Schiedsrichtern). Trainer, die in der Lage sind, Ballzauberer mit Torriecher zu finden, ehe die davon träumen, der nächste Michael Jordan zu werden.
Klinsmann sagt, Fußball sei „nicht angekommen“. Ja, wie denn? Bei der Konkurrenz an jeder Ecke und der biederen Qualität des Gebotenen? Die Inspiration kommt automatisch, wenn der Erfolg erst mal auf internationaler Ebene existiert. Wie man an den erfolgreichen Juniorenmannschaften sieht, sind die nicht so weit von der Weltspitze entfernt.
Was ich mich gerade frage: man kann doch davon ausgehen, daß viele der angehenden Profisportler im Collegebereich früher auch gute Fußballer waren. Und durch den von Jürgen K. (hier: Kalwa) beschriebenen Selektionsprozess zur Spezialisierung auf eine einzige Sportart gedrängt wurden.
Aber nach drei, vier Jahren gibt es doch den nächsten Selektionsprozess und die allermeisten dieser Sportler landen ebend nicht in den Profimanschaften. Warum kehrt derjenige, der dann für, sagen wir, die NFL nicht groß und stark genug (oder zu blöde) ist, nicht zum Fussball zurück? Mäßig talentierte Mittzwanziger, denen die entscheidenden Jahre für die Entwicklung eines Profifussballers fehlen – damit beeindruckt man zwar nicht die Welt, aber zum Auffüllen der Liga wird es schon reichen, oder?
@sternburg: Der Gedanke ist gut. Zwei Dinge sollten aber erwähnt werden: die Spezialisierung weg vom Fußball setzt mit 15 oder 16 ein, wenn man an der High School zeigen muss, was man kann, damit man dann bei einem College landet, das Stipendien zahlt. Wer mit 22 wieder da anknüpfen will, wo er mit 14 war, hat im Prinzip kene Chance mehr, Anschluss zu finden. Man lernt als Fußballer in der Entwicklungsphase A-Jugend eine ganze Menge.
Der zweite Gedanke: Selbst wenn einer beim Einschwenken zurück Richtung Fußball mit 22 noch so gerade in die MLS reinrutschen würde: Die Gehälter dort sind so niedrig, dass man in jedem vernünftigen Job als College-Absolvent mehr verdient.
Ach richtig, College-Absolvent, College-Absolvent. Ich vergesse immer, daß die Jungs und Mädels nach ein paar Jahren einer aussichtslosen Sportkarriere den gleichen akademischen Grad haben wie ich nach meinem langen und, hüstel, entbehrungsreichen Studium.
Dabei laufen in ca. einem Drittel meiner Lebenszeit Werbespots der NCAA auf NASN die mich an gerade diesen Umstand erinnern wollen.
Was ich mich auch gerade frage, lieber Jürgen Kalwa, ist, wie denn amerikanische Fußballspieler überhaupt eine Form von „internationalem Erfolg“ darbieten können sollen, wenn sie denn, sofern sie zuhause spielen, weder eine Champions League (noch UEFA-Pokal aka Europa League) noch eine Copa Libertadores spielen können?
Die nordamerikanische WM-Qualifikation bietet doch reichlich zu wenige Herausforderungen.
Fehlt eine nordamerikanische Champions League? Und ernsthaft gefragt: Wer sollte die schauen?
Der Begriff World Series im Baseball sagt ’ne Menge über das Selbstverständnis aus, finde ich.