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Jahre später noch durchatmen

Little known facts from the WM-Finale 1990. Andreas Brehme, der Mann ohne Hirn. Einem jeden war klar, dass so einer, der ja, selbst wenn er wollte, nicht ins Grübeln kommen konnte vor der Ausführung eines Strafstoßes, nicht verschießen würde können. Anders als bei Lodda Maddäus, der zwar ebenfalls kein Hirn, dafür aber ein eitles Ego besitzt, welches ihn zumindest darüber rätseln hätte lassen, wie das wohl aussähe, vor ungefähr der halben zu diesem Zeitpunkt lebendigen Menschheitsbevölkerung einen Strafstoß zu verschießen, womit er sich genau dieser Prophecy die entscheidenden Quäntchen genähert hätte haben können.

Andreas Brehme also trat an und wir kennen alle das bewegte Bild von diesem astrein, noch dazu gegen einen bekannten „Elfmetertöter“, verwandelten Elfmeter: souverän, hart und platziert ins Eck.

Dass die Realität mal wieder anders aussah als man sich das gemeinhin so zurechtzimmert zurechterinnert, beweist dieses Video ab der als Startsekunde festgelegten Sekunde:

Wenn man sieht, wie der Ball grupschelig auftupft, nur Zentimeter, nachdem er den Strafstoßpunkt verlassen hat, wird einem nachträglich noch mal ein wenig flau im Magen: So ein unglücklicher Zufall hätte auch gut und gerne zu einem verschossenen Strafstoß, gar einem nur peinlich dahindümpelnden, leichte Beute seienden lauen Schüsschen führen können und man ist geneigt zu sagen: Da war doch wesentlich mehr Glück im Spiel, als man erinnert.

Manchmal sollte man die Finger von youtube lassen.

PS: Der Rest des Videos ist natürlich auch sehenswert, wie die Argentinier den Schiedsrichter angrabschen, wie der Dummschwätzer zwar dieselbe komische Frisur wie jetzt hat, damals allerdings noch in einer anderen Farbe und wie Thomas Häßler beim gemeinsamen Torjubel zu spät kommt und angesichts des sich schon auf Andreas Brehme aufgebaut habenden Menschenhaufen auch nicht mehr weiß, wie er da oben nach rankommen soll. Hier ging es aber trotzdem in erster Linie um dieses leichte Auftupfen direkt nach dem Stoß: eiskalt rinnt es den Rücken runter.

13 Kommentare

  1. Wenigstens waren die Hosen damals fußballhosenkurz und die Stutzen gingen nicht bis weit übers Knie. Da hatte so ein Fußballspiel rein optisch noch ganz andere Qualitäten! Hirn hin oder her…..

  2. Ich finde den auch heute noch recht souverän verwandelt und kann Deiner nachträglichen Angst nicht ganz folgen. Die argentinischen Schiedsrichtergrabschereien hingegen kann ich fast verstehen, denn ein Elfmeter war das wirklich nicht – was nichts daran ändert, daß Deutschland gegen schwache Argentinier verdient gewann und es schon vorher einen Elfmeter für Deutschland hätte geben müssen.

  3. Jetzt verstehe ich nachträglich, wieso ich damals Pierre Littbarski beim Gespräch auf den Kopf zugesagt habe, er sei noch nie Weltmeister gewesen (er hat mich vehement protestierend korrigiert und ich habe mich geschämt, wegen dieser Panne). Es muss an diesem Elfer liegen. Der hat sich im Kopf einfach nie richtig festgesetzt. Anders als der Breitner-Elfer von 1974. Aber ich kann mich, davon abgesehen, auch an kein Spiel von dieser WM erinnern. An keine Szene. An nichts. Da sieht man mal wieder: Man kann im Fußball Weltmeister werden und hinterlässt auf keiner Synapse auch nur die Spur einer Erregungsübertragung.

  4. Manfred Manfred

    Na, aber, Herr Kalwa: keine Szene? Gar keine? Nix? Nicht einmal Roger Milla? So armselig diese WM sportlich auch war, aber das, dachte ich, vergisst man nie.
    Zur Sicherheit: http://www.youtube.com/watch?v=0xgbuspxWbI

  5. @ Manfred: Danke für den Hinweis und die Gedächtnisstütze. Aber danke auch an YouTube. Die riesige Schublade unserer abgelegten Erinnerungen wird täglich größer. Wie hat man eigentlich damals ohne sie existiert?

  6. Äh, Moment, da gab es doch noch einen wesentlich erinnerungswürdigeren Moment bei der WM 1990: René Higuita verliert den Ball gegen Kamerun.

    Oder auch im Original hier.

  7. Wie kann man sich eigentlich nicht an Deutschland – Holland erinnern? Nicht nur der Revanche für 1988 wegen, sondern auch wegen eines legendären Sportfotos, wo man meint noch die Flugbahn der Rijkaard-Spucke auf dem Weg in Tante Käthes Lockenmob rekonstruieren zu können. Oder wie ein gewisser Jürgen K. die Flasche aus dem Netz von de Beukelaar geschossen hat. Lothar M. gegen Jugoslawien? Elfmeterschießen gegen England? Mal ganz abgesehen von Higuita, Valderrama, Toto Schilacci, Milla. Und E.T. Beckenbauer auf Ehrenrunde vor dem Mond von Wanne-Eickel, der Stadt der Städte, wo alle Wege hinführen?

  8. Ich fand, dass es eine großartige WM für einen 13-jährigen Fan war. Wie der unvergessliche 247-fache Rekordnationalspieler Lodda sich von hinten gegen die Jugos durchdribbelt und verwandelt, das Holland-Spiel, das Elfmeterschießen gegen England oder das Finale gegen die Gauchos – die Revanche für vier Jahre zuvor. Mein erster WM-Titel… =)

  9. Ich finde auch, daß die 90er WM eine tolle WM war. Für mich war sie vor allem das erste „richtige“ Turnier. Als damals 13jähriger wurde ich unsterblich mit Fußball infiziert, was der WM ‚86 und der EM ‚88 nicht gelungen war, vielleicht auch, weil ich 1990 einen eigenen Fernseher hatte. Fußballologisch sozialisiert bin ich somit erst ab ‚90, und ich muß sagen … da hat der gute Trainer Baade recht: Brehmes Elfer hatte ich auch um Längen sicherer in Erinnerung. Dieses Erdlochhüpfding: komplett nicht im Hirn verankert. Für mich ist der 90er-Elfer DER Elfer schlechthin. Damit fing bei mir alles an. Ich möchte auch, daß das so bleibt und werde gleich mal versuchen, dieses YouTube-Filmchen Dr-Mierzwiak-mäßig aus meiner Erinnerung zu löschen.

  10. Manfred Manfred

    Die WM 1990 gilt als eine der armseligsten WMs. Klar, wird man Weltmeister, war es ein tolles Turnier, auch toll war es sicher für Kamerun, aber sonst: ein rechter Scheißdreck war’s. Überall nachzulesen, wo die deutsche Brille nicht auf der Nase saß.
    2 quote Wiki:
    The 1990 World Cup is widely regarded as one of the poorest World Cups ever.

  11. Abgesehen natürlich von der WM 1994, die nicht nur relatively poor war, sondern auch besonders Scheiße. Wo gab es denn 1994 irgendetwas, was wir 1990 nicht gesehen haben?

    Auch wenn Du Recht hast, Manfred, 1994 war noch viel schlimmer. Man erinnere sich nur an das Spiel in Detroit unter geschlossenem Dach.

    Und Andres Escobar, wenig berühmt.

    Sowas alles zusammen dann plus fehlende Fußballatmosphäre war dann doch noch mal zwei Klassen schlechter als 1990.

  12. Manfred Manfred

    Extrem bizarres Turnier, stimmt. Aber um deine Frage – Wo gab es denn 1994 irgendetwas, was wir 1990 nicht gesehen haben? – zu beantworten: Ein Mädchen in der deutschen Männernationalmannschaft! 1. Finale, das im 11erschießen entschieden wurde!! Effenbergs Gruß!!! Ich glaube, selbst Herr Kalwa erinnert diesen freundlichen Fingerzeig ;-). Ja, und Yordan. Der Rest war crap, aber hallo!

  13. Uwe Uwe

    Also ich musste schon mehrmals gucken, um diesen Hüpfer zu sehen. Ich glaube übrigens, der Ball berührt den Innenpfosten ganz leicht. Ansonsten: platziert, präzise, für den Tormann nicht zu kriegen. Besser gehts kaum. Schade, dass Brehme hier so runtergemacht wird. Ich fand ihn immer sympathisch und so nen Elfer hätte wohl manche Größe im Fussball versemmelt. Nicht wahr, Signore Baggio?

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