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Schlagwort: Philipp Lahm

Lothar Matthäus ist tot, es lebe Philipp Lahm

2006 war er noch weit davon entfernt, gegen 2008 bekam man eine Ahnung, als man ihn Werbung für die CSU und die FOTO-Zeitung machen sah. 2010 verkaufte er seine Hochzeit an eine Zeitung, die daraus dicke, dicke Lovestories bastelte, die ihn fragte, wie viele Kinder er haben wolle, welche Musik auf der Hochzeit gespielt wurde und weiteren Boulevard-Sermon, dazu der immer unablässliche Bericht, woraus denn das Buffet der Feier bestand.

Nun ist es klar: Philipp Lahm ist der legitime Nachfolger von Lothar Matthäus. Reiner Zufall, dass der Kleine öffentlich in dieser Zeitung heiratete und der Alte nur wenige Tage später öffentlich das Ende seiner Ehe verkündete, nachdem er Paparazzi-Bilder von dieser Zeitung live vor der Kamera vorgelegt bekam, die die Hörner auf seinem Kopf für alle (deutsche) Welt sichtbar machten.

Genauso klar ist, dass es schwierig ist, den einen an Ungeschicklichkeit und Intellekt zu unterbieten. Und das schafft auch Lahm nicht. Trotzdem sind die Pfade, die Lahm so langsam begeht, SZ-Interview mit möglicherweise guten, sportlichen Absichten hin oder her, jene, die der andere so langsam verlässt. Natürlich nicht freiwillig, sondern weil selbst in der FOTO ihn bald keiner mehr lesen wollen wird. Die immer nächste noch jüngere Perle ist selbstredend eine Schlagzeile in immer kürzer werdenden Einschlägen mehr als eine funktionierende Ehe mit zwei Kindern, die sich Lahm von seiner Frau wünscht.

Die Gefahr bleibt aber groß, dass Lahm, der politisch offensichtlich ähnlich rechtsaußen einzuordnen ist wie Hoeneß (der ja nicht mal Bayer ist) und Rummenigge (der ja nicht mal Bayer ist), nun für den Rest aller Zeiten mit der FOTO paktiert und sein Standing bei jenen Teilen verbessert, die nichts anderes als die FOTO gucken.

Es beginnt, mehr als nur unangenehm zu werden, wie der Kleine mit den dicken Augenbrauen sich durch ein Dickicht vernetzwerkt, das ihn niemand zu betreten gezwungen hat.

Der schale Nachgeschmack beim Betrachten der fast immer wachsweichen Statements des vermeintlichen Weltstars Lahm wird immer stärker.

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Wie groß ist die [Emotion]?

Kann man nach einem 0:1 im WM-Halbfinale, wodurch man nicht mehr Weltmeister werden kann, nicht ein einziges Mal eine andere Frage stellen als „Wie groß ist die Enttäuschung?“?

Philipp Lahm wurde das gefragt, der offensichtlich kurz davor war, es dem kleinen Mädchen in der ARD gleichzutun, Jogi Löw wurde das gefragt, Bastian Schweinsteiger wurde das gefragt.

Man muss festhalten, dass es scheißegal ist, wie groß oder klein die Enttäuschung in so einer Situation ist, weil doch jeder, der zugeguckt (und mitgebangt) hat, weiß, dass die Enttäuschung so groß ist, dass es nicht ausreichen würde, die Hände zur vollen Spannweite eines Menschen voneinander zu strecken. Kann man — nach solchen Spielen und vor allem Ergebnissen gegen England und Argentinien — noch enttäuschter sein nach einem Fußballspiel als in diesem Fall gegen Spanien? Wenn man somit nicht mehr, obwohl das durchaus nicht unwahrscheinlich war, Weltmeister werden kann: Was gibt es denn Schlimmeres, als in einem WM-Halbfinale nach so einem Vorlauf zu verlieren (als Fußballer natürlich nur, real life blenden wir hier immer aus)?

Und es ist zudem scheißegal, wie sehr enttäuscht der Befragte ist, weil es auf diese Frage keine sinnvolle Antwort gibt, oder wenn es sie gibt, dann ist sie wenig erhellend und hat für den Zuhörer auch Nullkommanull Erkenntniswert.

„Wie [Emotionen beschreibendes Adjektiv] sind Sie jetzt?“

„400″

„Geht so“

„der grüne Button“

„nicht viel mehr als Erwin aus Eisenhüttenstadt jetzt wäre“

„bis zum Anschlag“

„12 hektar [Emotion]“

„genauso wie letzten Mai, als mein Hamster starb/geboren wurde/Vater wurde“

Was soll man darauf antworten? Wie groß ist die Enttäuschung? Achtkommadrei auf der nach oben offenen Bescheuertheitsskala an Reporterfragen? Oder doch eher „mittelmäßig“, wie man es unter Menschen gerne ausdrückt, nämlich in Worten.

Ja, natürlich ist diese Frage einfach nur ein standardisierter Einstieg in ein Interview, bei dem niemand eine ernsthafte Antwort auf die Frage erwartet. Sehr groß, mittelgroß, mittelklein. Das gilt ja übrigens für beide Fälle: Große Freude oder große Enttäuschung. Wie groß ist die Freude, Herr Torwart vom Drittligaklub, der gerade im DFB-Pokal den entscheidenden Elfmeter gegen den Erstligisten 1. FC Hamburg abgewehrt hat. „12,3 ist die Freude groß!“ Aha. Und die Wut, lieber Trainer vom 1. FC Hamburg? „So groß wie ein Big Mac.“

Wie groß ist eigentlich die Langeweile, die Herren Reporter, wenn man immer die gleichen — sinnlosen — Fragen stellt?

„8,1 groß“.

Wirklich derart groß/klein/mittelmäßig?

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Sagen Sie jetzt nichts, Fußballer

Im Zuge der Kostenlos-Kultur habe ich nun gleich zweifach kostenlos von dieser schönen Fotoreihe profitiert. Einmal, als ich das dazugehörige Buch kostenlos im Buchladen von Anfang bis Ende durchblätterte und -schaute, und dann gerade eben wieder, als ich entdeckte, dass, was als Buch mit nach Hause zu nehmen Geld kostet, bei der SZ selbst früher oder heute kostenlos angeboten wird.

Viele will man eigentlich gar nicht sehen, aber vielleicht beweist ja doch der eine oder andere etwas Humor in seinen „Sagen Sie jetzt nichts“-Reihen, bei denen unter den Fotos stehende Fragen allein durch die Gestaltung eines stummen Fotos der befragten Person beantwortet werden.

Leider ist die SZ da äußerst Süddeutschland-lastig, weshalb wir nur folgende anzubieten haben:

Udo Lattek
Philipp Lahm
Oliver Kahn
Lothar Matthäus
Gerald Asamoah und wie man gehört hat, soll der letzte Herr in der Reihe auch entfernt etwas mit Fußball zu tun haben:
Waldemar Hartmann.

Das unwiderstehlichste ist natürlich Matthäus, das Vierte.

Pscht.

(Weitergeklickt über HerrSchmitz.)

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Kurz verdrechselt

Erpressungsversuch gescheitert. Nachdem kompromittierende Handy-Fotos von seinen Zeichnungen an der Takttiktafel in die Fänge zwielichtiger Menschen fielen, versuchten diese, Jürgen Klinsmann zu erpressen: Sie drohten, öffentlich zu machen, was er da so an die Tafel geschrieben hatte. Glücklicherweise schwieg die Presse über diesen Vorfall so lange, bis die Übeltäter endlich gefasst waren. Der kleine Philipp, der schließlich am Übergabeort des Lösegelds gestellt wurde, redete sich damit heraus, dass ihm sein neuer Werbepartner, ein gewisser Herr Springer, dazu geraten hatte, mehr von diesen geheimen Leserfotos zu machen, dann gäbe es 500 Euro extra. Klinsmann selbst sagte, er hätte zu keiner Zeit schlecht schlafen können: „Auf den Fotos war ja nur das, was wir in einer weit entfernten Zukunft umsetzen möchten. Mit der Gegenwart hat das natürlich nichts zu tun.“

Klopp und Zorc ziehen die Reißleine. Nachdem bei Berechnungen einer eigens angeheuerten Beraterfirma herauskam, dass Borussia Dortmund in dieser Saison bislang die wenigsten Spiele verloren, die meisten Remis und die wenigsten attraktiv gespielt hatte, erkannte Jürgen Klopp sofort und als einziger im Raum diesen unauflöslichen Widerspruch und zog die Reißleine. Der ebenfalls zum Zieh-Zeitpunkt auf der Falltür befindliche Michael Zorc hatte gerade noch verdutzt und ungläubig auf die vielen Zahlen der von der Beraterfirma hereingereichten Tabelle geschaut. Just wollte er zur Frage ansetzen, was denn dieses Pluszeichen vor der Tordifferenz bedeute, so etwas kenne er aus seinen Büchern nicht, da ward er auch schon mit in den Schlund gerissen. Klopps Zukunft ist unbekannt, allerdings werden ihm Kontakte zur Abenteuerurlaub-Branche nachgesagt.

Jürgen Klinsmann kein Schuljunge. Jürgen Klinsmann will auf keinen Fall die Trainer-Schulbank drücken. „So lange ich hier Trainer eines Bundesligisten bin, kann ich nicht gleichzeitig eine Trainer-Ausbildung machen, das wird jeder verstehen.“ Matthias Sammer als DFB-Verantwortlicher für die Trainerlizensierung hatte diese Ausbildung vom Novizen gefordert. „Es kann nicht immer eine Lex Matthäus geben, irgendwann ist auch mal Schluss damit.“ Jens Lehmann murmelte auf der selben Pressekonferenz etwas von einem „Hubschrauber“, mit dem sowas trotz Terminproblemen mögliche werde, wurde aber aufgrund der schon angeworfenen Rotorblätter des direkt neben der Tür wartenden Helikopters von niemandem mehr verstanden.

Theo Zwanzigers Wahl doch gültig. Obwohl es viele zweifelnde Stimmen gab, ist Theo Zwanzigers Wahl zum Präsidenten des Deutschen Fußballbundes tatsächlich gültig und er in Wahrheit kein Erfüllungsgehilfe der DFL dabei, möglichst viel Kohle aus dem Premiumprodukt Bundesliga und symbiotisch verwachsenem Pay-TV zu pressen. Zwar sei er bei den Verhandlungen über den neuen Sonntagstermin zu spät gekommen, allerdings hatte ihn der Verantwortliche auch nicht informiert. Deshalb bliebe die Gültigkeit seiner Wahl unberührt. Da niemand weiß, wer denn jetzt eigentlich verantwortlich ist, ist Oliver Bierhoff als Bauernopfer im Gespräch, der seinerseits darauf verwies, alle privaten Werbeverträge regel- und vor allem fristgerecht angemeldet zu haben.

Werder Bremen hat nun doch kein Disziplinproblem. Die Gerüchte seien kürzend verfälscht worden: „Es ist nicht alles wahr, was in den Zeitungen stimmt.“ Weder sei Ze Roberto, der Zweite, unabgesprochen nicht aus dem Urlaub zurückgekehrt („Teil unseres neuen Konzepts“), noch hätte Miroslav Klose in einer ultrageheimen [********] (geheim) spontan die Taktik des Teams geändert. Meldungen darüber, dass es Jefferson Farfans Oma wieder besser gehe, seien hingegen zutreffend, wenn auch nicht Teil des Konzepts.

Peter Neururer Trainer auf Schalke. Nachdem der Ruf aus Schalke ertönt war, dass man den Heiland wieder benötige, machte Peter Neururer beim MSV Duisburg kurzen SMS-Prozess: „Ich bin dann mal weg.“ simste er dem kurz zuvor noch euphorisiert ob der Vertragsverlängerung mit Neururer ins Mikrofon säuselnden Walter Hellmich: „Der MSV gehört in die Champions League. Und ich auch.“ Im Exklusiv-Telefon-Interview auf 90elf, in dem Neururer aus der Kabine heraus noch schnell seine Expertentipps abgab, erinnerte er daran, dass er schließlich der erste war, der so blöd war, sich eine mühsam eingetippte Datenbank von seinem Sohn löschen zu lassen. Hinweise auf eine eventuell existente Berufsethik und Solidarität unter Kollegen schnaufte Peter der Große nuschelig in seinen Schnäuzer weg: „Lächerlich. Es ist niemand positiv auf Solidarität getestet worden, deshalb sollte man das Ganze schnell abhaken.“ Außerdem sei er damals falsch zitiert worden.

Markus Babbel grinst nach Pokal-Aus. „Wir haben viel gelernt. Wir machen jeden Fehler beim nächsten Mal ein bisschen besser“, versprach er den Journalisten. Die aber wollten das gar nicht hören, sondern warteten auf die endgültige Zusage Franck Ribérys, auch im nächsten Jahr noch unter Babbel zu trainieren. „Isch blaibe — vorerst“, sprach Ribéry in astreinstem Deutsch, wobei er das „vorerst“ nicht aussprach, sondern mittels Gebärdensprache in den Raum schraubte. Horst Heldts Nachfolger Rudi Völler erklärte Ribéry daraufhin strahlend zum „unverkäuflichen Drecksack“, während sich im selben Moment ein Hubschrauber mit madrilenischem Kennzeichen in die Lüfte erhob. Als sich die Staubwolken verzogen, tauchten die Schemen eines vom Hubschrauber Zurückgelassenen auf, der flugs versprach: „Zur WM 2010 bin ich wieder fit.“

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‚Wort‘ des Jahres 2008: „Durch die Unterhose!“

Man kennt diese — früher nannte ich das fälschlicherweise „rauchig“, richtig aber ist „kehlig“ — man kennt diese kehlige Stimme von Bela Rhethy, und ein jeder, der bei der EM zugegen war (also vor dem heimischen oder kneipischen Fernsehschirm zugegen war), hat auch die tolle Demonstration der Tatsache miterlebt, dass Bela Rhethy nun mal ein eher weniger geeigneter Radioreporter wäre, wenn denn das Bild mal wieder ausfiele.

(Wir erinnern uns.)

Insgesamt, die Meinungen teilen sich wie bei jedem, der nicht an der Spitze der Sympathieskala liegt, ist Bela Rhethy aber nun auch nicht gerade jemand, den man mit Schimpf und Schande vom Hof jagen müsste, nur weil er mal dann und wann ein wenig zu statistikselig ist und uns damit volldröhnt, in welcher Kapelle von Sao Paulo der linke Außenverteidiger des Gegners zu welchen Psalmen geheiratet hat. Er ist halt Bela Rhethy, und liegt damit selbstredend immer noch weit vor JBK und Reinhold Beckmann (die ja übrigens beide, Gottseidank, nicht mehr kommentieren), aber er ist eben auch keine Ikone.

Bela Rhethy also.

Jedes Jahr suchen findige Menschen im Fußball neuerdings einen Spruch des Jahres. Einen Spruch des Jahres. Einen Spruch des Jahres. Inzwischen reicht es nicht mehr, im Mannschaftssport Fußball, bei dem man die Rollen eines Mittelstürmers wohl kaum mit denen eines Außenverteidigers geschweige denn denen eines Torhüters vergleichen kann, einen „Spieler des Jahres“ zu wählen. Diese Vergleiche finden aber immerhin noch innerhalb ein- und derselben Sportart statt. Dann gibt es da aber auch noch den „Sportler des Jahres“, aber selbst das ist nicht genug. Es reicht nicht mal mehr, Wahlen von Sportlern einzuführen, deren Leistungen so vergleichbar sind wie Juristerei und Archäologie, wie Pepsi und Smacks oder wie Frank Zappa und DJ Bobo, Wahlen zur „Sportlerin des Jahres“, bei denen eine Schwimmerin gegen eine Bogenschützin antritt oder gar eine Spielerin eines Mannschaftssports gegen eine Schachspielerin.

Das alles ist nicht mehr genug, inzwischen muss auch noch der „Spruch des Jahres“ gewählt werden in unserem, manchmal gar nicht so schönen Lieblingssportbereich: im Fußball.

Und diese Wahl hat letztens Peppi „Josef“ Hickersberger, damals Trainer der österreichischen Nationalelf, mit einer Aussage gewonnen, die ungefähr so lautete:

„Wir haben nur unsere Stärken trainiert, deshalb war das Training nach 10 Minuten zu Ende.“

Meine Wahl wäre auf einen ganz anderen Spruch gefallen, der allerdings auch im Rahmen der Europameisterschaft 2008 fiel, und zwar von besagtem Bela Rhethy:

„Durch die Unterhose!“

gröhlte er fast schon panisch ins Mikrofon, während wir, nichtsahnend noch an unserem Weizenbier kauend ins Erstaunen gerieten, wieso der Mann am Mikro so ausflippt bei einem normalen Zweikampf von Philipp Lahm mit einem Gegner an der eigenen Eckfahne, der doch, man weiß doch, man kennt doch, Lahm, sicher in Kürze mit Ballbesitz für Deutschland und dem nächsten Angriffsversuch enden würde.

„Durch die Unterhose!“

und man hätte es eigentlich ahnen müssen, es am Tonfall erkennen, am hysterischen Klang, der gar nicht so gewollt reißerisch, sondern ehrlich, leicht bestürzt, stärker schon entsetzt wirkte und wir ahnten trotzdem noch nicht, was passieren würde.

„Durch die Unterhose!“

und mit der damals vorhandenen Verzögerung von ca. 5 Sekunden sahen wir es dann, was „durch die Unterhose“ passierte: die Türkei hatte durch die Unterhose von Jens Lehmann hindurch ausgeglichen, ganz kurz vor Schluss und Aus war es erstmal mit dem Gefühl, sicher im Finale zu sein. Und meine Wahl gewönne der Spruch nicht wegen seiner sprachlichen Fragwürdigkeit (hätte die Unterhose nicht eigentlich Hosenträger sein müssen?), sondern wegen seiner — selten genug — unbestreitbaren Authentizität in dieser besonderen, weil zeitverzögerten Situation.

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It wasn’t a classic

Es ist ja nicht erst seit gestern so, dass solche Freundschaftsspiele irgendwann zwischen den Jahren und ohne den Anreiz, um Punkte oder Trophäen zu sein, fast immer Prototypen sind, die ohnehin nie dazu gedacht waren, in Serie zu gehen.

Selten allerdings war der Impuls so groß wie gestern, sich das spannungsfreie und humorlose Spiel nicht bis zum Ende anzuschauen und stattdessen etwas wirklich Unterhaltendes zu tun, wie die Fenster zu putzen oder noch am Abend den Zahnarzt rauszuklingeln, ob er nicht Lust hätte, hier oder da mal ein bisschen zu bohren. Gebohrt wurde auch im deutschen Spiel, gar der Nerv getroffen, jedoch jener Geschmacksnerv, der Fußball für ein ansehnliches, interessantes und dramatisches Spiel hält und dem Genüge tragende Handlungsweisen auf dem Spielfeld erwartet.

Die Fünf Weisen des Sportbeobachtens hatten schon am Morgen gewarnt, sich besser mit Ausweichkost zu versorgen. Die wäre nötig gewesen, allein, als eigentlicher Anhänger der DFB-Elf steht die Option, nicht zu schauen, nicht zur Verfügung. Man hätte gewarnt sein dürfen, dass im Spiel nicht allzuviel Kreativität folgen würde, als schon vor dem Anpfiff ein nie zuvor gehörter Song bei einem Fußballspiel kredenzt wurde: „You‘ll never walk alone“.

Philipp Lahm walkte aber alone irgendwo, nur nicht auf dem Platz. Das war schlecht fürs deutsche Spiel, weil Compper so beeindruckt davon war, dass er jetzt Nationalspieler ist („100.000-Euro-Mann“), dass er vergaß, mitzuspielen. Und weil Friedrich sich erinnerte, dass er schon vor Klinsmanns Zeiten mal Nationalspieler war und eine kleine Querpassreminiszenz an selige Völlerzeiten zelebrierte.

Podolskis Rolle als Edelreservist scheint sich inzwischen auch bei der Nationalelf herumgesprochen zu haben. Da revanchierte sich der spät eingewechselte Podolski mit einer Leistung, wie er sie auch im roten Bayern-Höschen nicht schlechter hinbekommen hätte. Und scheint nicht in der Lage zu sein, dem an ihm vorbeiziehenden P“ä“trick Helmes Paroli zu bieten.

Bei René Adler stellte sich der Effekt ein, den man gemeinhin „Vorführeffekt“ nennt: Da bleibt man zwei Jahre lang ohne größeren Bock, aber genau dann, wenn wirklich alle zugucken, 75.000 im Stadion und auch der Rest der fußballinteressierten Welt — immerhin der Weltmeister von 1966 gegen den dreifachen Weltmeister — will die Wiederholung des Kunststücks „fehlerlose Leistung“ einfach nicht gelingen.

Testspiele ohne Erinnerungswert: Sogar Michel Platini hatte bereits vor Anpfiff in den Amnesiemodus geschaltet, behauptete er doch steif und fest, das letzte Spiel der Deutschen, welches er gesehen habe, sei das Spiel um Platz 3 bei der WM gewesen. Da fragt man sich, ob die EM 2008 noch gar nicht stattgefunden hat. Und falls doch, wer dieses teuflisch nach Platini aussehende Double war, das den EM-Pokal überreichte.

„Taktikfuchs Capello“. Man hört läuten, dass Capello plant, Kahn wegen dieser Betitelung zu verklagen. Capello sieht in der Bezeichnung eine „unzulässige Gleichmacherei“ mittels eines Attributes, das eigentlich jedem Trainer gebührt, dessen Herz noch schlägt. Mehr als das, die Worte „Taktikfuchs“ und „Erfahrung“, davon allerdings reichlich, fiel unserem gebührenfinanzierten Experten Kahn zu Capello nicht ein. Tagsüber hatte er keine Zeit gehabt, sich auf seine abendliche Tätigkeit in irgendeiner Form vorzubereiten, weil er gerade an einem neuen Ssachbuch schreibt. Es bleibt dabei: Nur weil er unfallfrei sprechen kann (sieht man von kleineren grammatikalischen Holperern und seinem ständigen „Du“, wenn er „man“ meint, ab), bedeutet das noch lange nicht, dass er seinen Job zufriedenstellend ausfüllt. Ein bisschen mehr Inhalt, ein bisschen mehr Präzision, ein bisschen mehr überhaupt irgendetwas an Information. Wirklich, nur ein bisschen mehr („aber sprich nur ein Wort“), so würde meine Experten-Zuhörer-Seele gesund. Selbst am sprichwörtlichen Elfmeter mit Adlers Fehler, der zum 0:1 führte, ging er vorüber. Motto: „Wenn Du als Torwart rausgehst, musst du ihn haben.“ Ach?

Und: Ja, da darf man sich gerne ein bisschen in den Arsch beißen, wenn man als Zuschauer für so ein Spiel 80 Euro Eintritt bezahlt hat; auch wenn das In-den-Arsch-Beißen schwerfällt in einem reinen Sitzplatzstadion.

So wie überhaupt alles, was mit Fußball zu tun hat, im Berliner Olympiastadion schwer fällt: Jens Lehmann wird froh sein, dass man ihm nicht ein solch vergiftetes Geschenk zum Abschied gemacht hat; gegenüber Adi Katzenmeier war das jedoch eine Unverfrorenheit.

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Abschiedsspiele: Aufforderung zum Scheißelabern

Peter Neururer über Oliver Kahn

„Dass ein überreagierender Torwart, der unter Druck steht, überreagiert, ist normal.“

Udo Lattek

„Das Tier in ihm, das war das Menschliche an ihm.“

Winnie Schäfer

„Beim 7:0 gegen den FC Valencia war Oliver Kahn, ich würd sagen, zu 80% am Sieg beteiligt.“

Philipp Lahm

„Er hat alles gewonnen, was man gewinnen kann.“

DSF

„Eine ganze Nation sagt Danke.“

Sepp Maier

„Der Oliver und ich, wir sind doch Situationskomiker.“

JBK

„Der Abend wird sicher eine gefühlige Angelegenheit.“

Béla Réthy

„Am 27.11.1987 machte er sein erstes Spiel. Damals war Helmut Kohl noch Kanzler und der Kalte Krieg war noch in vollem Gange. Ein Stück Zeitgeschichte.“

Béla Réthy

„Oliver Kahn zieht zum letzten Mal die Schuhe aus.“

Oliver Kahn

„So, das war’s jetzt.“

Jürgen Klinsmann:

„Er hat auch einfach so nen Big Bang jetzt verdient.“

JBK:

„War das für Sie, Jogi Löw, jetzt eher so ein emotionales Erlebnis […]?“

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fRüHsTüCk

Ich wache auf als Finalist, aber mit etwas Glück gehe ich als Europameister ins Bett.

Bleibt die Frage, wieso ich an einem solchen Tage nicht schlafen kann. Bin ich etwa nervös und werde Fehlpässe spielen, wie sie Metzelder und Mertesacker nicht besser können? Ich spiele gar nicht mit, aber das letzte Finale war 1996 (2002 zählt aufgrund der seltsamen Uhrzeit nicht so richtig) und ich kann mich an 1996 kaum noch erinnern. Einzig, dass ich später im Daddy (eine handelsübliche Disco) war und meine Hose mit einer Dame tauschte, was immerhin bedeuten muss, dass ich damals noch in Damenhosen passte.

Marco Bode sagte, er hätte ein Buch gelesen am Tag des Finales, am Nachmittag, um sich abzulenken. Ich kann heute ganz sicher kein Buch lesen. Und ganz sicher auch wird Deutschland verlieren, aber ich hasse verlieren, wenn es Finales sind. Eigentlich wünsche ich mir, die Türkei hätte gewonnen, dann wäre es nicht so schlimm heute Abend die Spanier den Pokal recken zu sehen. Ich habe schon so viele Finale verlieren sehen, dass es für ein ganzes Leben reicht, aber bewusst gefeiert habe ich nur 1996, 1990 saß ich noch wie ein Idiot im Wohnzimmer meiner Eltern, nichtsahnend, dass derweil in der großen Stadt das Krokodil Aerobic machen würde.

Sollte ich mich täuschen und Deutschland gewänne heute Abend, ich würde trotz des seltsamen Turnierverlaufs sagen: Danke. Dem Schicksal natürlich, nicht den jeweiligen Spielern, die spielen ja jeder für sich selbst und für die Oma von Philipp Lahm (vielzitierte). Ein bewusst erlebter Turniersieg mit dem Bewusstsein, dass sowas nicht so schnell wiederkommt, ein bewusst erlebter Turniersieg im gewachsenen Bewusstsein plus eine eigene Webseite betreibend, das wäre unschätzbar.

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Eine EM ohne Star

Das ist toll.

Endlich hat die hurende Zunft mal keinen Typen, den sie in den Himmel schreiben kann. Es bietet sich einfach niemand an, und selbst der bräsigste Event-Fan würde merken, dass das nicht ganz richtig sein kann, wenn man plötzlich Wayne Rooney zum Star dieses Turniers schreiben würde.

Es ist ja richtig, selbst die Fußballfans wissen es: Menschen sind Menschen sind Menschen und sie orientieren sich an Menschen. Deshalb hatte auch keiner etwas dagegen, Gerd Müller zum Star der WM 1970 zu schreiben, Oliver Bierhoff zum Star des Finales 1996 zu machen oder Miroskloff Klose eben WM-Torschützenkönig 2002 2006 werden zu lassen. Und auch wenn die Idee des „man of the match“ der Grundidee des Spiels zuwider läuft, weiß jeder, dass ein Mittelstürmer (oder ein Torhüter) nun mal eine andere Rolle spielt als der Außenverteidiger.

Dieses Jahr wird es aber schwieriger und Arschwieriger, einen echten Star der EM zu finden. Jene, die in der Champions League dominieren, sind meist früh ausgeschieden, die übrig gebliebenen Deutschen spielen zu unkonstant, der Russe ist ausgeschieden und Verlierer mag nun mal keiner so wirklich, während bei den Spaniern das alles so gesichtslos daherkommt, dass man gar nicht weiß, wie die Leute alle heißen, zumal „Wat Villa?“ jetzt auch noch verletzt ist. Casillas gewann ein Elfmeterschießen (wobei man an dieser Stelle mal sagen muss, dass Elfmeterhalten in aller Regel genauso viel Glück oder Pech ist, wie Elfmeterverschießen, und es daher reichlich albern anmutet, Torhüter nach gewonnenen Elfmeterschießen zum Helden zu schreiben), taugt aber sonst nicht zum Star.

Normalerweise kommt der ein Turnier überstrahlende Spieler aus dem schließlichen Siegerteam, sollte es Deutschland sein, wüsste ich nicht, wen man nach diesen teilweise schauderhaften Leistungen zum „Star des Turniers“ ausrufen könnte. Sollte es Spanien werden, sind die Gesichter so nichtssagend, so ohne Kanten und irgendwas, dass es wehtäte, finalement einen dieser glattrasierten und -gestriegelten U21-Jahrgänge Europameister zu werden haben sehen: Man züchtet sich offensichtlich, was man braucht. Und auch wenn Arschawin mal zum Friseur müsste: Ihn hätte man sich immerhin als Star des Turniers vorstellen können, jemand, der Fußball spielen kann, sich ansonsten aber nicht kümmert.

Die Fratzen und Gesten von Cristiane Ronaldo hingegen braucht kein Mensch, außer der Marketingabteilung diverser Sportartikelhersteller. Dieses lächerliche Gehabe vor der Ausführung eines Freistoßes, den er verkackend in den Nachthimmel der Alpen setzte, zeigt uns, wo wir inzwischen angekommen sind: Die Werbespots finden mittlerweile auf dem Feld statt. Und genau deshalb lieben wir Torjubel wie den von Philipp Lahm nach seinem 3:2 gegen die Türkei. Das war authentisch und dieser Tisch ist immer noch der liebste, an dem wir sitzen.

Aber Stars, im Sinne des Erfinders, gibt es diesmal keine.

Schön.

Fußball ist schließlich ein Mannschaftsbewerb.

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Jogi Löw ist nicht Bill Shankly

„Was heißt hier cool? Fußball ist ein großartiger Sport, aber es geht ja nicht um Leben und Tod.“

Sagt er in einem ansonsten reichlich unergiebigen Interview bei der Zeit von morgen. Lediglich die Tatsache, dass einige Spieler „Angst“ vor Jürgen Klinsmann gehabt haben sollen, scheint noch erwähnenswert, allerdings sagt das die Zeit, und nicht Jogi, Ruhepuls von 60 selbst beim Elfmeterschießen gegen Argentinien.

Angst vor Klinsmann: Ob Philipp Lahm vorsorglich schon mal Windeln kauft? Wurde er gar erpresst, bei Bayern zu bleiben? Knutschfotos sollen ja aufgetaucht sein. Klinsmann, der stalken-Lassende, man weiß es nicht.

Angst.

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Heute in Kalkutta: Farewell Oliver Kahn

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Schön, wenn man Verwandte, Bekannte und sonstige Menschen überall verstreut in der Welt hat. Da kann man dann auch mal auf etwas zugreifen, was ansonsten hierzulande wohl untergegangen wäre. Indien, der schlafende Riese im Fußball, mit 1,1 Mrd Menschen bevölkerungsmäßig nur unwesentlich kleiner als China, dafür im Durchschnitt aber ein wenig besser erzogen, ist der Ort, an dem Oliver Kahn tatsächlich sein letztes Spiel als Profi des FC Bayern München ausgetragen hat. 3:0, leider kein selbst erzieltes Tor.

Nur 1.000 indische Rupien kostete es, einer der 120.000 Zuschauer in diesem letzten Spiel der asiatischen Torwartlegende zu sein. Mit 120.000 Zuschauern Fassungsvermögen ist Oliver Kahn das Stadion in Kalkutta das zweitgrößte der Welt. Das größte steht in Pjöngjang, Nordkorea, und fasst 150.000 Zuschauer, sieht man mal von dieser komischen Konstruktion in der Nähe von Prag ab, die über 200.000 Zuschauer fasst, mit ihren Ausmaßen aber auch nicht mehr als Stadion, sondern eher als Truppenaufmarschplatz betrachtet werden darf.

Richtig ernsthaft Fußball gespielt wurde hier nicht, das war vorher klar. Die EM-Teilnehmer waren zwangsläufig nicht mehr dabei und das sind von den Bayern alleine für Deutschland mit Lukas Podolski, Miroslav Klose, Marcell Janssen, Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger schon ein halbes Team, dazu noch für Frankreich Franck Ribéry und Willy Sagnol, für Italien Luca Toni sowie für die Türkei Hamit Altıntop. Insgesamt acht Stammkräfte und ein Willy fehlten also.

Da stellte sich die Frage, wer in Oliver Kahns letztem Spiel überhaupt für die Bayern auflaufen würde.
Karl-Heinz Rummenigge vielleicht, der ja immer noch ein bisschen fitter ist als der dicke Uli Hoeneß. 2006 konnte er jedenfalls noch laufen:

Oder Sepp Maier, falls er diese Abschiedstour überhaupt noch mitmachte. Die paar Schüsschen der fußballerisch seltsam gurkigen Inder hätte selbst der alte Sepp noch „mit der Mütze gefangen“, wie man früher auf so unglaublich lustige Art sagte. Falls Sepp nicht mochte oder nicht dabei war, hätte es ja noch Bernd Dreher gegeben, welcher noch bis vorletzten Samstag im offiziellen Kader der Bayern stand.

Jedenfalls lautete die Bayern-Aufstellung dann folgendermaßen:

Kahn (55. Rensing) – Schlottner, Breno, Ottl, Lell – Van Bommel, Zé Roberto (77. Kuru) – Sosa (46. Contento), Kroos (81. Pizarro), Bopp (70. Simari) – Schlaudraff

Schlottner, Contento, Bopp, Simari. Die ganz großen Jungs haben Oliver Kahn also die letzte Ehre erwiesen. Breno war so scharf darauf, den früh ausgewechselten Oliver noch unter der Dusche zu erwischen, dass er eine Tätlichkeit ins Spiel einfließen ließ, die ihm in der 84. Minute die Chance gab, einmal mit Oliver ganz alleine zu sein.

Oliver Kahn wurde nämlich — wie schon in seinem letzten Bundesligaspiel gegen Hertha BSC — gegen Michael Rensing ausgetauscht. Anders als die eigentlich als optischen Heulschutz gedachten schmucklosen paar Blumen damals, wurde ihm im Salt-Lake-Stadion ein mit 8.400 Diamanten besetzter Pokal überreicht. Verena Kern wird sich mehr gefreut haben als Olli himself, ob sie Bollywood-Fan ist, weiß man nicht, Kahn ist es sicher nicht.

Eine beeindruckende Kulisse, ein wenig beeindruckender Gegner, der selbst gegen die dritte Reihe der Bayern kein Bein auf den Boden bekommt und ein irgendwie seltsam anmutender Abschied Hitzfelds. Kahn, klar, der muss schon mal den Grundstein für zukünftig zu schröpfende Märkte legen, aber wie fremd wird sich der Lörracher Ottmar Hitzfeld bei seinem letzten Spiel in einem riesigen indischen Stadion vorgekommen sein?

Mehr Infos zum Gegner Mohun Bagan AC, dem ältesten Fußballclub Asiens, gab es schon vor dem Anpfiff bei der Süddeutschen [Link leider tot]. Berichte zum Spiel gibt es nun beim Spiegel und sicher auch anderswo.

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Wenn es den Dummschwätzer zwei Mal gibt (XXII)

Endlich ist es jemandem aufgefallen, der sozusagen im eigenen Haus logiert. Philipp Lahm, von dem so oft hier die Rede ist, weil er vergleichsweise oft schlaue Sachen absondert, hat sich auf einer Pressekonferenz laut FTD dergestalt geäußert:

Es muss zwei Beckenbauer geben. Einen, der in der Zeitung schreibt, und dann den Präsidenten des FC Bayern.

Immerhin besteht also jetzt intern schon mal ein Anfangsverdacht. Irgendwann werden die Bayern auch noch rausfinden, dass es wesentlich mehr Beckenbauers gibt. Einen bei O2, einen bei E-Plus, einen bei Paulaner, einen bei Erdinger und so weiter.

Der wahre Beckenbauer sitzt wahrscheinlich die ganze Zeit in Kitzbühel rum und das Einzige, was er tun muss, ist all seine Doubles koordinieren. Außerdem sollte er sie besser einweisen, auf dass solche Widersprüche wie von Lahm aufgedeckt, nicht die Regel werden.

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