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Schlagwort: Deutschland

Mogelpackung

Da ist mal ein Herren-A-Länderspiel (nichts gegen die Damen und nichts gegen geistig Behinderte, auch nichts gegen den Junioren-Länderpokal oder die Zweitliagspiele des MSV, aber ein Herren-A-Länderspiel hat für mich nun mal einen besonders exponierten Stellenwert) in des Trainers Heimatstadt, nur drei U-Bahn-Haltestellen vom eigenen Domizil entfernt, und dann entpuppt es sich als so eine Mogelpackung: Das Länderspiel des DFB am 28. März in der MSV-Arena wird nur von sogenannten Perspektivspielern bestritten werden. Der Gegner steht auch noch nicht fest, was bedeutet, dass es auf die russische B-Mannschaft, Armenien oder die walisische U23 hinauslaufen wird.

Schade, dass das letzte Länderspiel in Duisburg auf die nächsten Dekaden hinaus so eine Spaßveranstaltung wird und kein ernst zu nehmendes Länderspiel. Das zuvor letzte Spaßspiel dort, das keinen Wettkampfcharakter hatte, war zwar ganz nett, aber die italienische Nationalmannschaft im Test gegen die A-Jugend des MSV ist dann auch nur aus Liebhaberei interessant gewesen und nicht aus sportlichen Aspekten, die in dieser Partie lagen.

In Zukunft finden Länderspiele nur noch in Stadien mit Platz für mindestens 40.000 Zuschauer statt, also weder in Duisburg noch in Bochum, Rostock, Wolfsburg oder Leverkusen. Zugegeben, bei zwölf großen WM-Stadien plus den ebenbürtigen Stadien in Bremen, Mönchengladbach und Düsseldorf hat man bei nur ca. 5-8 Heimländerspielen pro Jahr tatsächlich satt und genug Möglichkeiten, sich an den Zuschauereinnahmen gesund zu stoßen und gleichzeitig möglichst vielen Menschen die Chance zu geben, eine Karte zu bekommen. Trotzdem ist diese Entscheidung aus meiner ganz eigenen U-Bahn-Perspektive bedauerlich .

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Hach, damals

Damals, als Deutschland bei Länderspielen in Dortmund noch unbesiegt war, damals, als Gerd Müller noch Tore schoss und keinen Quark in Interviews erzählte, damals, als folgende Spieler zwölf Tore gegen das Land, das morgen Gegner sein wird, schossen:

Deutschland — Zypern 12:0

1:0 Gerd Müller 3.
2:0 Wolfgang Overath 5.
3:0 Wolfgang Overath 12.
4:0 Helmut Haller 17.
5:0 Max Lorenz 39.
6:0 Siegfried Held 42.
7:0 Gerd Müller 44.
8:0 Helmut Haller 46.
9:0 Gerd Müller 48.
10:0 Horst-Dieter Höttges 50.
11:0 Wolfgang Overath 63.
12:0 Gerd Müller 85.

Damals muss das Fußballspielen irgendwie einfacher gewesen sein.

Noch damalser allerdings lief das Hinspiel so:

Zypern — Deutschland 0:1

0:1 Gerd Müller 90.

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Zahl der Woche – Folge IV

Die Zahl der Woche lautet heute: „jeder Achte“, denn aus der Wikipedia entnehmen wir:

Allein in Deutschland sind sechs Millionen Menschen in über 27.000 Fußballvereinen aktiv. Hinzu kommen noch etwa vier Millionen Menschen, die als so genannte Hobbykicker in ihrer Freizeit in Hobby-, Betriebs- oder Thekenmannschaften regelmäßig Fußball spielen.

Somit spielt jeder achte Bundesbürger aktiv Fußball.

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Wortmann. Ein Schlummerlied

Hatte ich ursprünglich noch ein wenig Angst verspürt, mir das Wiedererleben des Halbfinalaus bei der WM anzutun, muss ich jetzt zugeben, dass alle Angst völlig unbegründet war.

Der Film von Wortmann, den ich gestern Abend erst sah, versprüht ungefähr so viel Emotionalität und bewirkt Anteilnahme wie die Aufkleber auf den Mülleimern der Stadt, die darum bitten, Abfall doch bitte dorthinein zu werfen.

Die ersten 50-60 Minuten plätschern so dahin; man fragt sich, warum es je eine Diskussion über ein paar offensichtlich angebrachte Fitnessübungen gegeben haben kann und muss gleichzeitig konstatieren, dass es in deutschen Medienlanden immer noch ziemlich einfach ist, einen Aufhänger zu finden, um sich über irgendetwas lustig zu machen. Sicher, es gibt wohl keine Großstadt in Deutschland, in der nicht eine Kneipe namens „Oberbayern“ steht, und trotzdem existiert die Republik noch.

Die ersten 50-60 Minuten plätschern so dahin und Neues erfährt man überhaupt nichts. Könnte daran liegen, dass ich dummerweise vor dem Kinogang bereits den Trailer zum Film sah, der eigentlich alles Wesentliche erzählt: Arne Friedrich hat Geburtstag, Lukas Podolski kann weder sprechen noch einen klaren Gedanken äußern (was aber als Fußball-Stürmer auch selten förderlich war, siehe Uwe Seeler, Gerd Müller oder Fritz Walter, der Jüngere), Schweinsteiger ist der legitime Nachfolger Sepp Maiers in der Nationalmannschaft und „Metze“lder war nicht beim Bund. So weit, so langweilig.

Gegen Ende der Dokumentation nimmt das Ganze dann doch noch mal Fahrt auf, was aber auch nur daran liegt, dass durch den Charakter der Playoff-Spiele jederzeit das Aus droht. Das kommt bekanntlicherweise auch irgendwann. Einzig wirklich prägnante Szene ist jene, in der vor Einlauf der deutschen und der italienischen Mannschaft ins Westfalenstadion ein paar deutsche Spieler auf ihre Gegner gemünzt rufen: „Die haben Angst! Die haben Angst!“, was eine sonore Stimme eines italienischen Betreuers auf deutsch mit den Worten „Wir haben keine Angst.“ beantwortet. Daraufhin schaut Philipp Lahm völlig verstört in Richtung Kamera, bevor er ins Stadion einläuft. Ich möchte den Film nicht auf diese eine Szene reduzieren, es gab sicher noch mehr Atmosphärisches zu sehen: Frings im Bild nach seiner Sperre, die Diskussion der Frage, ob Berlin oder Stuttgart richtig seien, um sich von den Fans zu verabschieden (neben Lehmanns Widerworten in der Halbzeit des Italien-Spiels übrigens der einzige Moment, in dem der Film mal wenigstens einen Funken Authentizität vermittelt), der jubelnde Andy Köpke nach dem 1:0 gegen Polen, Borowski, wie er von seinen Gefühlen beim Fußballspielen in großen Stadien spricht.

Schließlich und endlich aber sieht man hier das Leid eines Fußballprofis ausgedehnt auf 110 Minuten: Langeweile, Langeweile, Langeweile. Ein bißchen Fußball spielen, sich bejubeln lassen, das auch mal genießen. Dann wieder Langeweile, Langeweile, Langeweile. Warum es Oliver Bierhoff so wichtig war, dass die Jungs auch mal „von ihren Zimmern runter kommen“, nur um dann so hochtrabende Dinge zu tun wie Playstation zu spielen, zu darten oder Bogenschießen zu üben, hat sich mir nicht erschlossen. Teamgeist bilden, klar. Aber muss man dafür unbedingt drei überdachte Zelte in einem Hotelgarten aufstellen? Okay, das war früher anders. 1974 — und somit vier nicht nur gefühlte, sondern echte Dekaden vor der WM 2006 — mussten die Spieler noch in einer Art Internierungslager hocken, in dem es außer Strom und fließendem Wasser keine Annehmlichkeiten gab.

Inzwischen ist man weiter mit der Psychologie, deshalb ist Derartiges nicht mehr sinnvoll. Warum ich aber extra ins Kino gehen muss, um Oliver Bierhoff über Playstation-Zock-Möglichkeiten dozieren zu hören, oder um Angela Merkel ein miserabel ausgesprochenes und miserabel passendes „Good Luck!“, welches Podolski („Translator, Translator!“) eh nicht verstanden haben kann, wünschen zu hören, weiß ich leider nicht. Negativ übertroffen wird das Ganze nur noch von Horst Köhlers grinsender Visage, mit der er nach dem Halbfinalaus durch die deutsche Kabine schlurcht und alle Spieler beglückwunscht. Dieser Mann macht aber auch wirklich alles falsch, was man falsch machen kann, insofern — da ich dieses Urteil schon vorher gefällt hatte — auch nichts Neues.

Von der viel zitierten guruhaften Einpeitscherei sehe ich ebenfalls nichts. Auch nicht davon, dass sich ein Jürgen Klinsmann (schrob ich gerade „ein Jürgen Klinsmann“? Schriftführer, bitte streichen sie das „ein“) nach seiner einen WM als Teamchef schon verbraucht haben könnte. Weder ist Klinsmann ein begnadeter Rhetoriker, den die Massen sofort auf den Diktatorenstuhl heben würden, wenn er seine Künste in den diversen Bierkellern dieser Stadt ausübte, noch ist das, was er da so schwadroniert, für eine Fußballkabine so ungewöhnlich, dass man diesen Sermon nicht noch länger hören könnte — zumindest als Fußballer in dieser Kabine. Als Zuschauer möchte man das natürlich nicht länger ertragen, weil es schon irgendwie peinlich wirkt. Nichtsdestotrotz redet man doch so schon seit jeher in Fußballerkabinen: Dass man konzentriert sein soll, diszipliniert, aber gleichzeitig auch aggressiv und in letzter Konsequenz den „Gegner weghauen“ soll. Was ist daran neu? Was ist daran Guru-haft?

Dass Klinsmanns Methoden neu sind, sonst wäre ein Bernd Schneider nicht noch Monate nach der WM vollkommen angefixt und in Bestform, ist unbestritten, wird aber im Film — gesehen im Oktober 2006 — nicht mehr deutlich. Darin liegt wohl Klinsmanns Verdienst: Dass man Besprechungen des Gegners durch Urs Siegenthaler, Taktikbesprechungen mit Jogi Löw, Fitnesstrainings mit Mark Verstegen und für gute Laune sorgende Spielerfrauen und Geburtstagsfeiern als selbstverständlich hinnimmt.

Es ist einfach ermüdend, dass die wenigen Spielszenen und die noch wenigeren Fanszenen nicht dazu geneigt sind, den Zuschauer mitzunehmen; dass das Ganze eben nur ein Dokumentar- und kein Spielfilm ist. Ich bin selbst schuld, ich hatte das „Dokumentar-“ irgendwie aus meinen Erwartungen gestrichen.

In erster Linie macht der Film klar, wie rückständig Rudi Völler und Erich Ribbeck waren. Somit dann doch sehenswert: als Zeitdokument. Beim nächsten Film, der mir glorreiche Einsichten in Fußballerkabinen und in den Teamzusammenhalt verspricht, warte ich aber auf den Sendetermin im Fernsehen.

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Düsseldorf vor Köln

Kennen viele bestimmt schon, ich nicht: die von Harald Schmoogle aufgestellte „Top Ten der Traditionsvereine“ Deutschlands. Nicht überraschender Erster ist der „Club“, den ich tatsächlich noch als „Rekordmeister“ kenne. Aus heutiger Sicht (die bei einem Blick auf Traditionen nicht sehr sinnvoll ist) überraschend dagegen in der Auflistung ganz weit oben: Fortuna Düsseldorf noch vor dem 1. FC Köln.

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Mit Jürgen ist nicht gut Kirschen essen — mit Olli schon

Dass Jürgen wahrlich kein schlapper Urlauber ist oder gar ein netter Herr, den ja noch nicht mal der Rudi 24h am Tag schafft, wissen wir alle, spätestens seit dem Film „Deutschland — ein Sommermärchen“. Dass wir das aber auch gewusst hätten, wenn es den Film nicht gegeben hätte, erzählt uns diese Anekdote vom Training vor dem Länderspiel in Nordirland.

„Kurz vorm Confed-Cup gab es ein Länderspiel in Belfast gegen Nordirland, und da lag so ein Ball. Und wenn da so ein Ball liegt, da fällt es mir schwer, den einfach so liegen zu lassen. Und dann habe ich ein bisschen mit Oliver Bierhoff hin und her gekickt und dann abends erfahren, dass Jürgen das gar nicht gut fand.“

wird Sönke Wortmann zitiert und man muss doch sehr bitten. Es geht nicht an, dass einfach ein dahergelaufener Filmfuzzi die auf WM-Mission befindlichen Kicker beim Training vor einem Testspiel stört, indem er mit demselben ständigen Plöp-plöp nervt, das man neben einem Tennisplatz stehend hört. Da kann sich wahrlich kein Mensch konzentrieren und fast hätte unser Sönke Wortmann durch diese Gedankenlosigkeit noch das ganze Projekt gefährdet. Seinen Film meine ich jetzt, nicht das Projekt „WM-Titel“. Aber da haben wir noch mal Glück gehabt. Abends hatte Klinsmann sich schon wieder abgeregt und Sönke die Nachricht zukommen lassen, dass er in keinster Weise daran gedacht habe, das Filmprojekt abzusagen. Nur beim nächsten Mal solle er, Sönke, doch bitte Jürgen auch mitspielen lassen.

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Aber du wolltest dich doch melden!

„Die Meldeauflagen in Deutschland interessieren sie kaum.“

schreibt die taz zu den… naja, wie soll man sie nennen? Fußballinteressierte sind es wohl kaum, Fans auch nicht und Hooligans, ich weiß nicht, ob das noch Hooligans sind. Hooligans fahren doch zu den Spielen, um sich mit den gegnerischen Hooligans zu prügeln. Diese Leute haben nicht mal dieses Ziel, sie wollen eher den Eindruck erwecken, dass „die Deutschen“, in Form von ihnen selbst, „wieder da“, nämlich in der Slowakei, wo sie schon vor knapp 60 Jahren waren, seien. Das sind wohl keine Hooligans, sondern Nazis. Leider reichen meine Kenntnisse der Hooliganszene nicht aus, um zu beurteilen, ob das nicht ohnehin immer dasselbe ist, ich denke aber eher nein.

Jedenfalls schreibt das die taz zu den Menschen, die in die Slowakei reisen, um dort nicht Ballack und Schweini anzufeuern, sondern eher den einen oder anderen Konflikt.

Wir dürfen uns wieder darauf freuen, dass der Kommentator der Fernsehübertragung kein Wort zu den rechten Sprüchen kommentieren wird, dass die slowakische Polizei überfordert sein wird und dass die Menschen aus Deutschland Karten auf dem Schwarzmarkt in der Slowakei kaufen werden.

Was im Vergleich zum letzten Mal anders sein könnte, ist das Fehlen des selbst häufig durch martialisch-militärische Vergleiche glänzenden Mayer-Vorfelder. Zwanziger scheint kein Mann zu sein, dessen Weltbild insgeheim dem der Rechten ähnlich ist. Sein Handeln nach den neuerlichen Vorfällen gegen Ogungbure spricht eine andere Sprache.

Bleibt die Frage, was diese Meldeauflagen überhaupt sollen, wenn es offensichtlich kaum Konsequenzen hat, sich nicht daran zu halten.

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Unbekanntes aus … Italien

… Italien.

Dass der in Deutschland, Österreich und der Schweiz „AC Mailand“ genannte Fußballklub eigentlich „AC Milan“ heißt, weiß im Jahr 2006 eigentlich jeder und eventuell sogar jedes Kind. Kaum einer weiß aber, dass der hierzulande „Juventus Turin“ genannte Klub das Wort Turin gar nicht im Vereinsnamen führt, sondern „Juventus Football Club“ heißt.

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Wie sich die Taubheit auf Deutschlands Sommerkartoffelackern ausbreitet

Fabian Ernst sagte mal sinngemäß über Jens Lehmann:

„Normalerweise vergißt man mit der Zeit die schlechten Spiele eines Fußballers und die guten rücken in den Vordergrund. Bei Jens Lehmann scheint es andersrum zu sein.“

Als er das sagte, war die WM allerdings noch weit entfernt. Jene WM, von der wohl kaum jemand in Deutschland bezogen auf sein Image so sehr profitiert hat wie Jens Lehmann. Noch ein halbes Jahr vor der WM erreichte Jens Lehmann in den Umfragen Werte wie 14 oder 23 Prozent der Antwortenden, die ihn als ersten Torwart sehen wollten. Und dass auch Sympathie bei dieser wie bei allen anderen Personalentscheidungen, die irgendwo auf der Welt von Menschen getroffen werden, eine Rolle spielte, ist wohl außer Zweifel. Heute stellt kein Mensch mehr ernsthaft Jens Lehmanns Status als ersten Torwächter der Nationalmannschaft in Frage.

Was Fabian Ernst als Möglichkeiten darlegt, ist — wie der Psychologe weiß — leider beides falsch. Nur die emotionale Intensität des Erlebten entscheidet, wie gut man etwas erinnert; nicht aber die Richtung. Das heißt, dass es egal ist, ob Ereignisse positiv oder negativ sind. Sind sie nur ausreichend intensiv, werden sie auch behalten — und das sogar unabhängig von einer willentlichen Beeinflussung dieser Tatsache. Anders als beim Lernen von Vokabeln kann man nicht selbst entscheiden, welche Ereignisse emotional berührend sind und in der Folge gut erinnert werden.

Woran ich mich jedenfalls bis zu diesem Moment äußerst gut erinnere — und ich nehme an, auch noch etwas länger tun werde — ist diese lähmende Taubheit nach dem verlorenen Halbfinale gegen Italien. Im Zug von Dortmund nach Hause glitt ich in einem proppevollen Zug voller schweigender Menschen durch die nun gar nicht mehr einladend warme Nacht. Niemand sprach ein Wort — abgesehen von ein paar dankenswerterweise gedämpften Handytelefonaten, wann die hängenden Köpfe zu Hause eintreffen würden. Inmitten eingerollter Fahnen war ein Haufen Menschen vereint in der isolierenden Wirkung der Trauer. Es sprach sich auch niemand Trost zu. Es herrschte einfach nur eine dicke, schwere Taubheit, die sich von dem Zug aus sogar bis auf die Landschaft, durch die wir fuhren, auszudehnen schien.

Bevor es zu schwülstig wird, gebe ich gerne zu, dass ich hier etwas, aber nur etwas, übertreibe. Bewegen konnten die Menschen sich schon noch. Und Pommes hab ich auch noch an dem Abend gegessen. Nichtsdestotrotz war dies eine Stimmung, als wäre mitten im Juli der November über Westfalens Kartoffelacker gekrochen.

Ich nehme an, dass ich nicht alleine damit war, jäh aus dem Rausch der vorigen Wochen gerissen worden zu sein. Dieser fast schon schockähnliche Zustand wird zu einer Flash-Bulb-Erfahrung bei allen WM-Infizierten in Deutschland geführt haben. So, wie jeder weiß, wo er war, als er von den Anschlägen vom 11. September erfuhr, wird zumindest jeder WM-Infizierte wissen, wo er war und vor allem, wie er sich gefühlt hat, als die Italiener die beiden Tore erzielten und kurz danach.

Ich selbst lag bekanntermaßen erstmal darnieder. Nein, ausnahmsweise nicht dem Gerstensaft geschuldet. Gelähmt im Bett. Und das als erwachsener Mann, wegen des Ausgangs eines Fußballspiels!

Nun ist es natürlich immer ein bißchen albern, das eigene Schicksal oder Wohlergehen mit dem Ausgang eines Fußballspiels zu verknüpfen und natürlich habe ich mich genauso wie die übrigen Beteiligten, als da wären die Mitfahrer im Zug, die Spieler der deutschen Mannschaft und alle restlichen Infizierten, von diesem Schock inzwischen erholt.

Emotional bin ich wieder auf der Höhe, ich hege keinen Groll gegen den italienischen Fußball, jedenfalls nicht mehr als zuvor, und ich denke nur selten an diese Situation zurück.

Angesichts des „Anlaufens“ — wie man so schön bei dieser altertümlichen Einrichtung namens Kino sagt, wenn ein neuer Film gezeigt wird — von Sönke Wortmanns Film, dessen Titel „Deutschland. Ein Sommermärchen“ in Schwülstigkeit meinem Beitrag in nichts nachsteht, frage ich mich aber, ob ich wirklich schon wieder bereit bin. Bereit, auch noch Geld dafür zu bezahlen, dass ich mich schlecht fühle.

Wir wissen ja alle, wie es ausgeht. Und ganz ehrlich: wer sich über den dritten Platz bei der WM gefreut hat, der hat doch kein Herz. Der freut sich auch, wenn Gäste gehen und nicht das ganze Geschirr geklaut haben, sondern nur die Hälfte.

Dass Wortmanns Film jetzt in den Kinos anläuft, lässt mich zweierlei denken:

1. Ist es wirklich erst drei Monate her, dass die WM vorbei ist?
2. Ist es wirklich schon drei Monate her, dass die WM vorbei ist?

Wie man bei der Netzeitung liest, ging es Wortmann aber nicht so viel anders als allen anderen und fast hätte es gar keine Bilder von den Szenen danach gegeben:

Netzeitung: Wie ging es denn Ihnen persönlich, als Italien tatsächlich diese beiden Tore schoss?

Wortmann: Ich konnte erst einmal gar nicht drehen. Die Kamera lag neben mir auf der Bank, aber ich war unfähig sie aufzuheben. Als ich mich nach zehn Minuten dazu überwinden konnte, erschien sie mir unendlich schwer, obwohl sie eigentlich ganz leicht ist. Man muss sich dann ein paar Mal selber in den Hintern treten, und ich habe schließlich in der Kabine auch gefilmt, mich aber ganz mies dabei gefühlt. Ich habe auch immer damit gerechnet, dass einer mal sagt, ich solle es lassen, aber das tat keiner. Und so ging auch dieser Abend irgendwann zu Ende.

Tröstlich ist das nicht. Besonders wenig tröstlich ist, dass mein RE heute 10 Minuten Verspätung hatte und ich somit die 18.30h-Vorstellung verpasst habe und deshalb den Film frühestens Dienstag sehen kann. Den bekanntermaßen dramatischen Anfang mit den Szenen des Auslösers dieser Taubheit möchte ich natürlich nicht verpassen. Dienstag also. Freuen werde ich mich aber nicht auf das Wiedererleben meines Traumas. Ich gehe eher hin, um meinen Schock zu verarbeiten. Danach sollte man mich vielleicht erstmal nicht ansprechen.

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Ich bin nicht relevant

Ich erinnere mich an überhaupt keine Sponsoren der WM, außer an OBI. Das aber auch nur wegen des gelungenen Werbesongs „OBI ist das schön“ in Abwandlung dessen, was man in Fußballstadien gerne singt, wenn die Heimmannschaft ausnahmsweise mal gewinnt. Dass man das beim FC Bayern mal gesungen hätte, kann ich mich ad hoc nicht erinnern.

Wie ich jetzt lesen musste, ist es aber irrelevant, wen von den WM-Sponsoren ich als 32-Jähriger erinnere.

Für seine Studie befragte Nufer insgesamt über 4 000 Jugendliche in Deutschland zwischen 13 und 18 Jahren.

Die 13- bis 18-Jährigen sind bekanntermaßen die, die die großen Kaufentscheidungen treffen. Klar, Kundenbindung und so, Manager Eckhard wird uns da mehr zu erzählen können. Aber kaufen nicht auch über 18-Jährige noch dann und wann mal ein Haus oder ein Auto?

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Xavier, nee du

Das gibt’s auch nur in Deutschland, dass solch ein Schmonzettenbarde ausgerechnet bei einem Film, der zwar nicht in erster Linie von Fußball, immerhin aber von einer Fußballmannschaft handelt, die Musik trällern darf: Xavier Naidoo.

Meine Motivation, diesen Film zu schauen, hat gerade einen herben Dämpfer erhalten.

Vielleicht muss man es mit diesem Film ebenso halten wie in jenen Fällen, in denen Beckmann oder Kerner kommentieren: am besten ohne Ton.

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Neuer Rekord

Dass das nett anzusehende 13:0 in San Marino ein neuer Rekord bei Auswärtssiegen der deutschen Mannschaft ist, liest man überall. Es ist aber auch ein neuer Rekordsieg bei EM-Spielen. Der alte Rekord lag beim 12:1 von Spanien über Malta aus dem Jahre 1983.

Nach diesem Spiel gab es einige Verwunderung über das Auftreten der Malteser, da Spanien vor dem letzten Qualifikationsspiel in seiner Gruppe einen Sieg mit genau 11 Toren Unterschied benötigte, um sich vor die punktgleichen Niederländer zu setzen, was bei wenig Gegenwehr auf maltesischer Seite schließlich auch gelang.

Wie man sich erinnert, zog Spanien später in das Finale der Europameisterschaft ein, nicht ohne vorher im letzten Gruppenspiel gegen Deutschland mit einem Tor in der 90. Minute den Totengräber für Jupp Derwall zu spielen. Was danach geschah, hat heute noch Auswirkungen auf den deutschen Fußball: Der mit der FOTO-Zeitung bestens verbündete Dummschwätzer wurde „Teamchef“.

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Blau dunstender Bernd

Von Uli Stein wusste man es, von Klaus Augenthaler wusste man es, Lothar Matthäus machte es in seiner üblichen weinerlichen Art klein („nur die ganz Leichten von Philip Morris“) und von einem der ganz Großen des Weltfußballs weiß man es nicht nur, man merkt es an seinen immer wiederkehrenden Herzoperationen und zu verlegenden Bypässen heute noch ständig: Johan Cruyff gehört auch dazu.

Dass aber Bernd Schneider ebenfalls unter den rauchenden Profifußballern zu finden ist, überrascht mich sehr. Ich bin fast schon geneigt zu sagen, dass er bezüglich seiner Technik und seines Spielwitzes durchaus in eine Reihe mit Johan Cruyff gehört.

Schaut man sich Schneiders Titelsammlung an, muss man trotz seiner großartigen Fähigkeiten wirklich Angst haben, dass dies der titelloseste Kapitän der Nationalmannschaft ist, der je eine Nationalmannschaft auf den Platz führte.

WM: 1× Platz 2 2002 mit Deutschland
1× Platz 3 2006 mit Deutschland
Confederations Cup: 1× Platz 3 2005 mit Deutschland
Champions League: 1× Platz 2 2002 mit Bayer Leverkusen
DFB-Pokal: 1× Platz 2 2002 mit Bayer Leverkusen
Bundesliga: 2× Platz 2 2000 und 2002 mit Bayer Leverkusen
1× Platz 3 2004 mit Bayer Leverkusen

Seine überragende Torquote von 2 Törchen in 74 Länderspielen als Mittelfeldspieler rundet die äußerst unglückliche Bilanz dieses vielfach unterschätzten — vielleicht gerade wegen dieser Zahlen — Spielers ab. Wollen wir hoffen, dass er die günstige Gelegenheit heute Abend nutzt, seinem Tor im letzten Spiel gegen Schweden ein paar weitere folgen zu lassen und später mal nicht allzusehr im Tal der Nichtbeachtung beim Betrachten der Länderspiel-Statistiken zu versinken.

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