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Viele kennen die Regeln kaum

Pilz-Alarm, aber kein -bashing, im Gegenteil.

Ein weiteres Problem: Viele Amateure kennen die Regeln kaum und können die Entscheidungen des Schiedsrichters gar nicht begreifen. Pilz ließ einmal Fußballer in Jugendmannschaften befragen. Das Ergebnis: Abgesehen von den Grundregeln kannten sich die wenigsten genauer aus.

Vermutlich gilt für die Zuschauer in den Stadien dasselbe. Und noch mal nur vermutet ist der Anteil derjenigen, die sich für eine Sportart interessieren — ob als Zuschauer, Betreuer oder Ausübender — und kaum Ahnung haben, wie die Regeln im Detail sind, bei keiner anderen Sportart so hoch wie beim Fußball.

Dass man ihn größtenteils dennoch spielen kann, ohne größere Kenntnis von ihm zu haben, ist zwar der Grund für seine weltweite Popularität, macht ihn aber nicht sympathischer.

Ich mag ein kleines Arschloch im Moers’schen Sinne sein. Doch Leute, die Fußball spielen und seine Regeln nicht kennen, nicht verstehen, sich nicht mal bemühen, diese kennenzulernen, rauben mir den Nerv (und den Spaß). Nur weil Schach ein Nerdsport ist, gibt einem das nicht das Recht, Fußball zu spielen und sich dann darauf zu berufen, dass man Regel Y und Z nicht kannte. Ein bisschen dribbeln und dann aufs Tor schießen kann jeder, die lächerlichen 17 Fußballregeln lesen und verstehen, können offensichtlich die wenigsten.

Doch, es gibt Tage, an denen ich American Football dem Fußball vorziehe, selten, aber es gibt sie. Immer dann, wenn ich mit den Folgen der Nichtregelkenntnis der Aktiven zu tun habe, wenn Schlägereien und Fehden begonnen werden, weil die Ausübenden den Sport nicht beherrschen, wozu nun mal grundsätzlich auch die Regelkenntnis zählt.

Wie sie dastehen, mit ihren dicken Stutzen, mit ihren teuren Fußballschuhen, sich unbedingt ihren Namen aufs Trikot flocken lassen mussten, wie sie Tore schießen wollen und wie sie dribbeln wollen — aber nicht mal die grundlegendsten Regeln beherrschen, die so einfach zu verstehen wären.

Der Fußball ist leider so breit in der Gesellschaft zu Hause, dass auch ein gehöriger Prozentsatz an Vollidioten ihn ausübt. Allerdings beginnt das nicht erst bei den Amateuren, selbst die Profis haben ja meist keine Ahnung. Um das nachzuweisen, muss man nicht mal zu irgendwelchen Spezial-Abseits-Entscheidungen greifen. Alexander Zwickler war letztens der Modus zu hoch, wie sich sein Salzburg noch für die Champions-League qualifzieren könne, und die Farce um die Deppen von Südafrika ist noch zu jung, um sie hier wiederholen zu müssen.

Der Fußball wird also nicht mehrheitlich von Idioten heimgesucht, es spielen ihn schlicht so viele Menschen, dass zwangsläufig viele Idioten dabei sind. Und dennoch würde man niemanden in einem Schachclub aufnehmen, der die Regeln nicht kennt.

25 Kommentare

  1. Stefan Stefan

    Und war es nicht zuletzt der eigentlich regelkundig zu sein habende Ex-Schiedsrichter Markus Merk, der eine Abseitsfehlentscheidung kommentierte mit: „Wenn sie nicht meckern, dürfen sie sich nicht wundern“?

  2. Das, so wird uns LizasWelt gleich eröffnen und damit mein Weltbild in Bezug auf Schiedsrichter gehörig ins Wanken bringen, ist tatsächlich Teil der offiziell gewünschten Herangehensweise an Entscheidungen. Ein Skandal sondergleichen (falls ich Deinen Kommentar jetzt richtig deute, ich sehe da zwei Deutungsrichtungen)!

  3. Passend dazu:

    „Ich pfeife das Spiel an. Der Anstoß wird schon regelwidrig (nicht nach vorne) ausgeführt. Soll ich jetzt schon abpfeifen…und korrigierend eingreifen..? Die Spieler spielen zumeist seit mindestens 10 Jahren oder mehr, wieso können die das immer noch nicht..? – Ich entscheide mich, es laufen zu lassen…und mich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren: Ein falscher Anstoß wird nicht spielentscheidend sein. Außerdem wissen es die anderen Spieler auch nicht besser:

    Niemand protestiert.“

    von hier: http://www.sportnord.de/news/index.php?news_id=17672

  4. Mich ärgern immer wieder die Fans, die auf jeden noch so offensichtlichen und unbedeutenden Pfiff gegen das eigene Team mit „Arschloch“ etc.-Rufen in Richtung Schiedsrichter reagieren. Emotionen gehören dazu, aber man muss ja seinen gesunden Menschenverstand nicht zwingend am Eingang abgeben (was andererseits bei manchen Klubs zu bezweifeln wäre, aber das ist etwas anderes). Hab zwar selber nie gepfiffen, würde mir aber sehr viel mehr Verständnis für Schiedsrichter wünschen.

  5. Wenn ich hier schon aufgefordert werde, dann will ich mal.

    Was Merk da gesagt hat (oder haben soll), ist (bzw. wäre) so natürlich nicht richtig. Und es gibt auch keine Anweisung an die Schiedsrichter, so oder umgekehrt zu entscheiden, wenn jemand meckert oder etwas klaglos hinnimmt. Was es allerdings gibt, ist die Empfehlung, in bestimmten Situationen (insbesondere dann, wenn der Schiri sich nicht sicher ist, wie es weitergeht) auf die Reaktionen der Spieler zu achten. Ein Beispiel: Der Ball geht ins Toraus, und der Schiri hat nicht genau gesehen, ob die Pille zuletzt von einem Verteidiger oder von einem Angreifer berührt wurde. Er neigt jedoch dazu, einen Eckstoß zu geben. Die Angreifer geben allerdings durch ihre Körpersprache eindeutig zu verstehen, dass sie mit einem Abstoß rechnen (indem sie sich in Richtung eigene Hälfte orientieren), und es reklamiert auch niemand von ihnen einen Eckstoß. In diesem Fall soll der Referee auf Abstoß entscheiden, zumal er in diesem Fall mit keinerlei Protesten zu rechnen hat.

    Wer jetzt einwendet, dass es sich dann ja lohnen könnte, einfach immer den Ball für sich zu reklamieren, hat Recht. Und genau das passiert ja auch sehr häufig. Selbst bei eigentlich eindeutigen – und einigermaßen belanglosen – Einwurfentscheidungen stehen oft Spieler beider Mannschaften mit erhobenen Armen da und signalisieren auf diese Weise: Für uns! In solchen Fällen soll (und kann) sich der Schiedsrichter selbstverständlich nicht an der Reaktion der Spieler orientieren, sondern nur seiner eigenen Wahrnehmung folgen. Und wenn er einmal nicht gesehen hat, was genau eigentlich geschehen ist (das kommt ja nun mal vor), dann soll er die Entscheidung treffen, die potenziell am wenigsten Schaden anrichtet. Das heißt: Geht der Ball ins Toraus, ohne dass er erkannt hat, wer zuletzt am Ball war, und stehen nun Spieler beider Mannschaften mit erhobenen Armen da, dann wird er sich im Zweifelsfall für einen Abstoß entscheiden, weil daraus normalerweise kein Tor resultiert und der Stress für ihn somit geringer ist.

    Ich vermute aber, der Trainer hat vor allem an die Situation bei der Frauen-WM gedacht, in der eine Spielerin von Äquatorial-Guinea im Spiel gegen Australien den Ball im eigenen Strafraum einfach in die Hände genommen hat, ohne dass das einen Strafstoß nach sich gezogen hätte. Ich hatte damals auf SPOX einen kurzen Beitrag veröffentlicht, der der Frage nachging, warum die Schiedsrichterin hier eigentlich nicht reagiert hat, und in dem ich dargelegt habe, weshalb ein Protest der australischen Spielerinnen sogar hilfreich hätte sein können. Hier ist der Link:

    http://www.spox.com/myspox/blogdetail/Gibt-s-nicht–Gibt-s-doch-,131381.html

  6. Am meisten fällt mir das immer im Stadion auf, wenn Abseits gepfiffen wird, obwohl noch ein Feldspieler näher zum Tor stand. Wie kann denn sowas?

    Meist geisterte der Torwart aber dann ganz woanders rum, so dass der Pfiff schon richtig war.

  7. netzberg netzberg

    Lizas Welt: „Die Angreifer geben allerdings durch ihre Körpersprache eindeutig zu verstehen, dass sie mit einem Abstoß rechnen […] und es reklamiert auch niemand von ihnen einen Eckstoß.“ Das ist die abschließende Regel 17 und somit die letzte Fahne, an die sich der Regelunkundige klammert.

  8. netzberg netzberg

    Ach so, und gerade heute passend: Der Pokal hat seine eigenen Gesetze.

  9. Nicht umsonst hat Schachweltmeister Bobby Fischer einen IQ von 184 gehabt.

  10. […] zur Diskussion beim Trainer drüben: wie demonstriert man effektiv gegen einen Elfmeter? So ganz sicher nicht, aber es hat doch Größe. Man erinnert sich unweigerlich an die Beginne des […]

  11. FelixK FelixK

    Als Jugendtrainer kann ich dem nur zustimmen. Unser Stürmer stellt sich bei eigenem Abstoß immer tief in die gegnerische Hälfte, um das Spielfeld groß zu machen. Zuverlässig lassen den am Anfang des Spiels die gegnerischen Abwehrspieler allein, weil „der steht im Abseits“. Wenn dann tatsächlich ein Ball in die Richtung geht rufen ebenso zuverlässig die meisten der Eltern der gegnerischen Mannschaft „Abseits“. Jedes Mal wieder schön und nur ein Beispiel von vielen.

  12. Thomas Schröter Thomas Schröter

    sehr treffend,
    würde den Beitrag gerne kopieren und im Jugend Trainer Forum posten – natürlich mit Quellenangabe
    ist das o.k?

    höere gerne

    ein Teil der Lösung ist (wurde gerade (in Berlin?) angewandt) z.B. Einwürfe nicht mehr pfeifen ..
    dann tragen die Spieler selbst ein wenig Verantwortung für ihr Handeln und das blöde Hand hoch reißen (obwohl gerade selbst den Ball ins Aus getreten) würde aufhören.

    Ähnliche Ansätze bietet die Fariplay Liga – da wird ganz auf Schieris verzichtet …klappt (mit Kindern) ganz hervorragend.

  13. ckwon ckwon

    Ich glaube, ich habe es in einem anderen beitrag schonmal erwähnt: Mein Jugendtrainer hatte es uns beigebracht, es gäbe kein abseits, wenn der Ball nach hinten gespielt wird. Da hat das unsere gesamte Mannschaft dann falsch gelernt, auch wenn die Auswirkungen eher selten zu spüren sind.

    Wann anders durfte ich mal völlig frei durchlaufen (und treffen), weil der Abwehrspieler (im Herrenbereich, hat sicherlich schon Jahrzehnte gespielt…) nicht wusste, dass es beim Einwurf kein Abseits gibt.

  14. Ein sehr sehr kluger Beitrag. Danke.

    In meiner Schiedsrichterzeit stand ich mehrfach vor der Herausforderung, Spielern klarmachen zu müssen, dass ein Abstoß erst außerhalb des Strafraums angenommen werden darf. Da manch ein D-Jugend-Torwart den Ball gar nicht so weit schießen kann, bildeten sich im Strafraum halbe Kloppereien um den Ball – den aber niemand der Beteiligten hätte berühren dürfen…

    Also: Danke für den Beitrag – sagt der ehemalige Fußballschiedsrichter und Vereins-Schachspieler liborix.

    Übrigens: Baseball habe ich mal zu spielen versucht. Da gibt es im Regelwerk eine Regel, die besagt, dass die Schiedsrichter immer das Regelheft bei sich haben müssen. Es steht sogar die Begründung dabei: Die Regeln sind so kompliziert, dass man sie sich gar nicht alle merken KANN :)

  15. sternburg sternburg

    Noch wesentlich größer dürfte der Anteil beim Eishockey sein. Dort gibt es allerdings deutlich mehr Regeln – selbst unter berücksichtigung dessen, dass die Regelarmut des Fussballs mittlerweile auch eine mehr als dünne Legende geworden ist, wenn man die diversen Auslegungs- und Durchführungsbestimmungen einbezieht.

    Jedenfalls: Die Regeldichte im Eishockey ist so hoch, dass man sie als Aktiver, Schiedsrichter, Offizieller oder Zuschauer mit Hobbyinteresse gar nicht komplett aufnehmen kann, meine ich. Das gerade unter semiprofessionellen deutschen Spielern oft erschreckende Unkenntnis herrscht ist etwas anderes, grundsätzlich meine ich aber, dass zumindest das Interesse an den Regeln in einem deutschen Eishockeystadion durchschnittlich größer ist, als beim Fussball. Insofern gebe ich Dir dann doch wieder recht.

    Wer wirklich lustige Szenen erleben will, sollte übrigens mal zum Breitensport-Inlinehockey gehen. Da gehen nämlich Eishockeyspieler im Sommer hin, und denken, dass ist wie Eishockey auf Rollen und ohne Abseits. Ist es aber nicht, und spaßeshalber werden die Regeln auch noch jedes Jahr geändert (gerne auch ligenintern). Ich selber nehme mich da gar nicht aus: Was habe ich gelacht, als mit der Tüp plötzlich eine gelbe Karte vor die Nase hielt. Kurzer Blick zu Bank, und ich musste reumütig abziehen..

  16. Wie viele verschiedene Auslegungsbestimmungen gibt es denn, ganz konkret?

    Und was fiele unter Durchführungsbestimmungen? Doch nicht die Wahl der Trikotfarbe, von der der Zuschauer natürlich keine Ahnung haben muss (aber gerne kann)?

    Es geht (mir) ja im Großen auch eher um die allgemeine Mentalität im Fußball, dass man schon als bemitleidenswerte Art angeschaut wird, wenn man mehr als zwei für Teilnehmer strittige Fragen richtig beantworten kann oder überhaupt ein gesteigertes (welches es ja nur im Vergleich zu den sich wenig bis gar nicht Interessierenden ist) Interesse an den Regeln besitzt.

  17. Sehr schöner und treffender Text, Trainer.

    @LizasWelt:

    In diesem Fall soll der Referee auf Abstoß entscheiden, zumal er in diesem Fall mit keinerlei Protesten zu rechnen hat.

    Der zweite Halbsatz macht mir ein wenig Angst. Der geringste anzunehmende Widerstand als Entscheidungskriterium für einen Schiedsrichter?

  18. Achso, ich vergaß:

    Thomas Schröter, natürlich, sehr gerne, nur zu. Wobei es heutzutage ja auch so etwas wie Links gibt, auf die die Leute klicken könnten, dafür müsste man nicht den ganzen Text kopieren. Allerdings ist mir das Phänomen der allgemeinen Linkklickfaulheit bekannt. Will man sicherstellen, dass die Leute wirklich lesen, muss man wohl entweder tatsächlich den gesamten Text kopieren oder aber etwas geschickter verlinken, was ich Ihnen jetzt nicht zumuten möchte.

    Ja, heinz, das klingt einfach fürchterlich. Auch wenn LizasWelt entschärfen würde, dass es nur für jene Fälle gilt, in denen der Schiedsrichter einmal nichts gesehen hat.

    Für mich ist das ebenfalls eine Einladung zum dauerhaften und ständigen Meckern und Monieren, selbst für jene Fälle, in denen man nicht richtig liegt. Bezeichnend auch, wie Martin Hansson die Momente nach Henrys Handspiel, welches er nicht erkannte, beschrieb: Wenn so viele Spieler so intensiv protestieren, ahnt man, dass etwas schief gelaufen sein muss.

    Ab morgen heute auf dem Trainingsplan also: Teamweites Entrüstetsein und überzeugendes Protestieren einstudieren. Wobei Hansson seine Meinung damals ja nicht änderte.

  19. LizasWelts Einschränkung habe ich natürlich gelesen und kann sie nachvollziehen, als Entscheidungshilfe für die Frage, ob ein Regelverstoß vorlag, wer den Ball ins Aus gespielt hat, und so weiter.

    Was mir indes sehr missfiel, ist der in besagtem Halbsatz transportierte Gedanke, die Reaktionen der Spieler als Hilfe zur Beantwortung der Frage heranzuziehen, bei welcher Entscheidung der Schiedsrichter auf dem Platz mit weniger Gegenwind zu rechnen hätte.

    Damit würde das Ziel „wenig ausgeprägter Protest“ vom bloßen Indikator für eine tendenziell richtige Entscheidung zum Wert an sich. Aus gesundheitlichen Gründen nachvollziehbar, speziell in unteren Ligen, unter sportlichen Gesichtspunkten nicht.

  20. Ich hatte schon befürchtet, dass es mir nicht gelingen wird, meinen Punkt wirklich deutlich zu machen. „Der geringste anzunehmende Widerstand als Entscheidungskriterium für einen Schiedsrichter?“, fragt Heinz Kamke. Kommt darauf an, würde ich sagen. Wenn offenkundig keiner der 22 Spieler mit einem Eckstoß rechnet und ich es selbst nicht genau gesehen habe, warum sollte ich dann einen geben, wenn ich weiß, dass ich damit nur eines erreiche: vermeidbaren Ärger.

    Ich möchte das noch an einem anderen Beispiel deutlich machen, das ich kürzlich erlebte, als ich einen jungen Landesligaschiedsrichter zu beobachten hatte. Mitte der zweiten Halbzeit entschied er beim Stand von 0:0 zu Recht auf einen Freistoß für die Gäste im Mittelfeld. Nun wollten die Gastgeber auswechseln, und der Schiri erteilte die Zustimmung dafür. Als die Auswechslung vollendet war, führte ein Spieler der Gastmannschaft den Freistoß aus, indem er den Ball über drei Meter zu einem Mitspieler passte. Der Referee pfiff daraufhin und zeigte dem Spieler, der kurz zuvor bereits Gelb gesehen hatte, Gelb-Rot. Dessen Vergehen: Er hatte den Freistoß ohne die Freigabe des Schiedsrichters ausgeführt. Streng regeltechnisch gesehen war das eine korrekte Entscheidung; taktisch gesehen war sie komplett daneben. Es hätte hier völlig genügt, den Freistoß wiederholen zu lassen; kein Mensch – auch nicht die gastgebende Mannschaft – wollte eine Verwarnung (und damit eine Matchstrafe) sehen. Als Folge davon wurde ein Spiel, das bis dahin ruhig dahinplätscherte, plötzlich hektisch und nicklig.

    Es ging und geht mir nicht darum, im Ausbleiben von Protesten einen Wert an sich zu sehen; es ist in der Tat nur ein Indikator und kann der Spielleitung des Schiedsrichters dienlich sein. Nicht mehr und nicht weniger. Im Übrigen dürfte sich das Einstudieren von möglichst überzeugend wirkenden Protesten auch kaum auszahlen, denn wer bei jeder noch so klaren Entscheidung reklamiert, wird den Schiri im Zweifelsfall eher gegen sich aufbringen, als ihm zum Nachgeben zu animieren. (Ich gebe zu, das kann ich nicht belegen; es ist nur das Ergebnis aus ungezählten Gesprächen mit Schiedsrichterkollegen.)

    Und vielleicht noch eines: Ich habe meine Zweifel daran, ob man das überzeugende Protestieren tatsächlich ohne Weiteres schauspielerisch erlernen kann. Hansson und die Iren, Kemmling und die Kölner, Övrebö und Ballack – in allen diesen Fällen glaubten sich die Spieler nicht nur subjektiv im Recht, sondern sie konnten es einfach nicht fassen, dass dem Schiedsrichter(gespann) etwas entgangen war, was doch alle im Stadion gesehen hatten. Kemmling nahm das ja sogar zum Anlass, Oliver Held zu befragen – ein Vorgehen, das vom DFB übrigens trotz des Resultats ausdrücklich begrüßt und für extreme Ausnahmefälle wie diesen zur Nachahmung empfohlen wurde.

  21. @LizasWelt:

    Ich hatte Dich in diesem Punkt schon richtig verstanden, und bedaure es ein wenig, Dich – so gern ich Deine Texte lese – quasi zu einer so ausführlichen Erläuterung genötigt zu haben.

    Wo ich gestolpert bin, man möge mir die Wiederholung verzeihen, war eben beim oben zitierten Halbsatz: „… zumal er in diesem Fall mit keinerlei Protesten zu rechnen hat.“ Das, und davon wird man mich auch schwer abbringen können, darf meines Erachtens kein Kriterium sein. Wobei Du mich in der Ansicht gestärkt hast, dass wir hier keinen inhaltlichen Dissens haben, sondern uns lediglich in der Auslegung Deines Satzes unterscheiden.

  22. @heinzkamke: Um dennoch ganz sicher zu gehen: Ich meinte den Halbsatz im Sinne von „zumal er sich in diesem Fall vermeidbaren Ärger erspart“, wobei die Betonung auf dem Wort „vermeidbar“ liegt. Für einen Schiedsrichter wird das normalerweise ein Kriterium sein, und dem Verlauf eines Spiels wird es auch nicht schaden. D‘accord?

  23. Hm, dann doch nicht so ganz, trotz Betonung auf „vermeidbar“.

    Ich verstehe durchaus, dass es für den Schiedsrichter ein Kriterium ist, Ärger zu vermeiden. Dennoch sollte es meines Erachtens die Neutralität bei seinen Entscheidungen nicht in Frage stellen.

    Um es in ein Beispiel zu packen, das zugegebenermaßen profan ist, konstruiert sowieso, und für das man Deinen Punkt, die Entscheidung werde dem Spielverlauf nicht schaden, im Normalfall anführen könnte:

    Der Ball geht ins Seitenaus, der Schiedsrichter weiß nicht, wem er den Einspruch zusprechen soll, der Linienrichter hat gerade an der Zigarette des Co-Trainers gezogen (wir sind in den unteren Klassen, deshalb auch die Bezeichnung Linienrichter) und nichts mitbekommen. Auch die Reaktionen der Spieler lassen keinen Rückschluss zu, beide Seiten reklamieren den Einwurf ähnlich glaubwürdig für sich.

    Der Schiedsrichter hat in der Sache eine minimale Neigung (sagen wir 55:45), den Einwurf der blauen Mannschaft zuzusprechen, weiß aber, dass die ohnehin aggressiven roten Spieler ihn dann erneut attackieren.

    Wenn nun „sich vermeidbaren Ärger ersparen“ ein Kriterium ist, das zwar nur geringfügig (einem „zumal“-Argument entsprechend), aber eben doch ins Gewicht fällt, dann ist eine Entscheidung für rot nicht unwahrscheinlich, oder? Ist das dann ok?

    (Irgendwie ganz gut, dass der Text schon ein paar Tage alt ist und nicht mehr allzu viele Leute diese vor allem von meiner Seite etwas akademisch anmutende Diskussion mitbekommen, finde ich.)

    (Und nein, ich habe Dich nicht als unakademisch bezeichnet.)

  24. sternburg sternburg

    Aber Heinz, er hat in Lizas Satz doch gerade gar keine Ahnung, keinerlei Entscheidungstendenz, keinerlei Anhaltspunkte.

    Da er schlecht keine Entscheidung treffen kann, kann das Treffen irgendeiner Entscheidung doch nicht seine Neutralität in Frage stellen. Und mir erscheint das vermeiden starken und komplett vermeidbaren Ärgers als sachfremder Entscheidungsanknüpfungspunkt immer noch sinnvoller als die Alternativen (Münzwurf, Wetter, Farbe der Trikots..).

  25. […] Allerletzte im Gästeblock realisiert, was das nach sich zieht. Wieder einmal bestätigt sich die Theorie von Trainer Baade, dass die Details des Regelwerks nicht bei jedem angekommen sind. Das ist dann wie bei vermeintlich […]

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