So.
Die Saison ist vorbei.
Die WM auch, schon länger.
Wer sich noch erinnert: Das waren vier Wochen Fußball galore in 12 Stadien in Deutschland. Schöne Spiele gab’s kaum, dafür viel schönes Wetter in den Schau-Arenen. So habe ich auch nicht bereut, nicht in Urlaub gefahren zu sein.
Viele ließen sich von der Begeisterung anstecken, die sonst nie auf die Idee kämen, in ein Stadion zu gehen. Für manchen ist das ein Unheil, ich fand’s toll, dass Leute, die sonst eher die Augenbraue heben (je nach Lateralisierung links oder rechts), wenn man über die Bundesliga schwadroniert, plötzlich heiß interessiert waren, wie denn wohl die Aufstellung Tschechiens sein wird und ob Portugal mehr zu bieten hat als hübsche Männer.
Allerdings gab es trotz des kollektiven Taumels auch im Gallien zwischen Rhein und Elbe noch ein kleines, sich tapfer wehrendes Dorf von Fußballignoranten. Und ein Mitglied genau dieser Fraktion sitzt ausgerechnet beim allerspannendsten deutschen WM-Spiel seit Jahren genau hinter mir und rhabarbert sein niederträchtiges Gesülze ausgerechnet genau in mein Ohr.
So geht das nicht, liebe Fußballhasser.
Wer sich selbst bei einer rauschhaften WM im eigenen Land nicht für Fußball interessiert, der soll doch bitte diesen Fernsehübertragungen fern bleiben, und nicht nur deshalb dort aufkreuzen, weil ja eigentlich alle hingehen und fußballfreie Orte ziemlich menschen- und O Wunder bei einer WM sogar ziemlich frauenleer sind. Wen das nicht interessiert, der soll zu Hause bleiben, und nicht rumnörgelnd anderen den Spaß verleiden.
Als strikter Verfechter einer zivilisierten Gesellschaft mit einem Recht auf körperliche Unversehrtheit, welches auch Mörder oder sonstige Körperverletzer mit einschließt, wurde ich an diesem Abend auf eine harte Probe gestellt.
Ein Deutscher, auch ob seiner phänotypischen Erscheinung aller Wahrscheinlichkeit nach kein immigrierter, der mir 90 Minuten lang erzählt, wie gerne er die Deutschen verlieren sehen würde, wie scheiße die deutsche Mannschaft doch spielt und dass es eigentlich ohnehin nur eine Frage der Zeit sei, bis das erste Gegentor fällt, läuft Gefahr, dieses Recht kurzzeitig zu verwirken. Einfach auch aufgrund seiner Ignoranz der Verhältnisse vor Ort: von 100 Anwesenden sind 99 gefesselt, bestens amüsiert und noch dazu alle für Deutschland. Wäre er polnischer Abstammung gewesen und hätte er für den Gegner mitgefiebert: geschenkt. Wäre er einfach nicht an Fußball interessiert und hätte zum Ausdruck gebracht, wie sehr ihn diese Übertragung langweilt: geschenkt. Hätte er es beim einmaligen Ausdruck seiner Niederträchtigkeit belassen: geschenkt.
Er aber, den niemand gebeten hatte, zu diesem Fußballspiel zu kommen, der nicht mal selbst anwesend sein wollte, konnte nicht ablassen, ständig ein Tor für Polen heraufzubeschwören. Wäre ein solches erfolgt, wären auch meine Überzeugungen für kurze Zeit außer Kraft gesetzt worden. Ich bin froh, dass wir beide so schadlos aus dieser Situation herausgekommen sind. Er und ich.
Ich und Arschloch.
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